VG Braunschweig

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Zitieren als:
VG Braunschweig, Beschluss vom 08.01.2010 - 2 B 292/09 - asyl.net: M16486
https://www.asyl.net/rsdb/M16486
Leitsatz:

Vorbeugender Rechtsschutz gegen Dublin-Überstellung nach Griechenland vor Zustellung des Bescheids, da wegen der Zustellungspraxis des BAMF für den Antragsteller nicht näher erkennbar ist, ab wann der Erlass einer Abschiebungsanordnung konkret bevorsteht.

Schlagwörter: Dublin II-VO, Dublinverfahren, vorläufiger Rechtsschutz, Griechenland
Normen: AsylVfG § 34a Abs. 2, AsylVfG § 27a, GG Art. 16a Abs. 2
Auszüge:

[...]

Der Zulässigkeit des vorläufigen Rechtsschutzantrags steht nicht entgegen, dass ein Bescheid mit einer Abschiebungsanordnung nach Griechenland gemäß §§ 27 a, 34 a AsylVfG noch nicht ergangen ist. Dem Antragsteller ist es nicht zuzumuten, die Bekanntgabe eines solchen Bescheides abzuwarten. Nach den Erkenntnissen der Kammer über die Verwaltungspraxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erfolgt die Bekanntgabe von Bescheiden nach den §§ 27 a, 34 a AsylVfG erst am Tag der vorgesehenen Überstellung in den nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (sog. Dublin II-Verordnung) vom 18. Februar 2003 (ABl. EU Nr. L 50 S. 1) zuständigen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Vorläufigen Rechtsschutz könnte der Antragsteller dann aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr rechtzeitig erlangen; vielmehr könnte die zuständige Behörde unmittelbar die Abschiebung nach Griechenland betreiben (so auch: VG Schl.-Holst., Beschl. v. 12.8.2009 - 9 B 37/09 -, juris; VG Gießen, Beschl. v. 22.4.2009 - 1 L 775/09.GI.A -, AuAS 2009, 129; vgl. auch VG Hannover, Beschl. v. 10.12.2009 - 13 B 6047/09 -, Rechtsprechungsdatenbank des Nds. OVG im Internet unter "www.dbovg.niedersachsen.de"). Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, dass eine Rückäußerung der griechischen Behörden zu den Einzelheiten einer Überstellung des Antragstellers noch nicht vorliege und ein Bescheidentwurf noch nicht gefertigt sei, rechtfertigt dies eine andere Beurteilung nicht. Nach dem Verwaltungsvorgang geht die Antragsgegnerin selbst davon aus, dass das an Griechenland gerichtete Übernahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 7 bzw. Art. 20 Abs. 1c Dublin II-Verordnung als angenommen gilt, nachdem die griechischen Behörden auf das Übernahmeersuchen nicht reagiert haben (vgl. Bl. 70/71 der Verwaltungsakte).

Steht die Zuständigkeit Griechenlands für die Behandlung des Asylantrags des Antragstellers damit fest, muss er jederzeit mit dem Erlass eines Bescheides nach den §§ 27 a, 34 a AsylVfG rechnen. Ihm ist es nicht zumutbar, eine Stellungnahme der griechischen Behörden zu den Einzelheiten der Überstellung oder die Fertigung eines Bescheidentwurfs durch die Antragsgegnerin abzuwarten, denn über diese verwaltungsinternen Umstände wird er durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht informiert, so dass für ihn nicht näher erkennbar ist, ab wann der Erlass einer Abschiebungsanordnung als konkret bevorstehend anzusehen ist. [...]