Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG (außergewöhnliche Härte, sonstige Familienangehörige), da den eingebürgerten Töchtern auf Grund ihrer Verwurzelung in der Bundesrepublik nicht zuzumuten ist, zur Pflege der Mutter nach Russland überzusiedeln.
Der Lebensunterhalt kann durch die Töchter gesichert werden.
Nach der Einreise kann eine private Krankenversicherung zum Basistarif abgeschlossen werden (mit ausführlicher Prüfung hierzu).
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Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an einen Volljährigen ist zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich i.S.d. § 36 Abs. 2 AufenthG, wenn Lebensverhältnisse bestehen, die einen über eine Begegnungsgemeinschaft hinausgehenden familiären Schutz erfordern, weil ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen ist und die benötige tatsächlich und regelmäßig zu erbringende wesentliche familiäre Lebenshilfe zumutbarer Weise nur in der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden kann (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. März 2007 – OVG 2 B 2.07 -, zit. nach juris, m. w. Nw. zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur früheren Regelung des § 22 AuslG).
Ausweislich des Gutachtens des Vertrauensarztes des Generalkonsulats Jekaterinburg vom 31. Oktober 2008 ist die Klägerin auf Grund ihrer chronischen Erkrankungen zu einer einfachen sozialen Alltagsadaption nicht fähig und bedarf der ständigen Unterstützung und Pflege ihrer Familienangehörigen. An der Fachkunde des Gutachters zu zweifeln, sieht das Gericht keinen Anlass. Auch die Beklagte und der Beigeladene sind seinen Feststellungen nicht entgegen getreten. Den Töchtern der Klägerin, die ebenso wie ihre Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, ist auf Grund ihrer Verwurzelung in der Bundesrepublik nicht zuzumuten, ihren Lebensmittelpunkt aufzugeben und zur Pflege ihrer Mutter nach Russland überzusiedeln. Da die Klägerin nach ihren unwidersprochen gebliebenen Ausführungen über Angehörige oder sonstige Hilfspersonen in ihrem Heimatland nicht verfügt, ist daher davon auszugehen, dass die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte im Sinne des § 36 Abs. 2 AufenthG erforderlich ist.
Das der Beklagten in § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG eingeräumte Ermessen hat sich dahingehend reduziert, dass allein die Erteilung des Visums als ermessensfehlerfreie Ausübung des Ermessens in Betracht kommt. Da die Regelung tatbestandlich bereits voraussetzt, dass die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist, verbleibt im Rahmen der Ermessenserwägungen zu berücksichtigen, ob die Betreuung oder Pflege des nachziehenden Familienangehörigen tatsächlich und rechtlich gewährleistet sind (vgl. die Allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung zum Aufenthaltsgesetz, BR-Drucksache 669/09 Nr. 36.2.2.8). An der Bereitschaft und Eignung der Töchter der Klägerin, ihr die notwendige Betreuung angedeihen zu lassen, besteht kein Zweifel. Frau N. ist bereit, die Klägerin in ihr Haus aufzunehmen. Aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung in Heimarbeit ist sie zur Betreuung der Klägerin zu Hause auch in der Lage.
Mangels abweichender Regelung ist auch bei der an besonders enge tatbestandliche Voraussetzungen geknüpften Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG grundsätzlich das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG erforderlich. Nach dessen Absatz 1 Nr. 1 setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Der Lebensunterhalt ist gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gesichert, wenn der Ausländer ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel (mit Ausnahme der in Satz 2 der Norm genannten) bestreiten kann. Maßgeblich ist nicht der tatsächliche Bezug öffentlicher Mittel, sondern allein, ob der Ausländer über hinreichende Mittel verfügt, die einen solchen Anspruch ausschließen (BVerwG, Urteil vom 26. August 2008 – BVerwG 1 C 32.07). Abzustellen ist nicht nur auf das aktuell erzielte Einkommen und vorhandene Vermögen. Erforderlich ist vielmehr, dass die zur Verfügung stehenden Mittel "eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen" (BVerwG, Urteil vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 – Rn. 33), also auch die Prognose zukünftiger Unterhaltssicherung rechtfertigen.
Die Klägerin verfügt weder über hinreichende eigene Einkünfte noch besitzt sie derzeit einen für einen dauerhaften Verbleib im Bundesgebiet ausreichenden Krankenversicherungsschutz. Jedoch ist aus folgenden Gründen ein Ausnahmefall anzunehmen und von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG für die Erteilung des Visums abzusehen:
Die Klägerin hat Verpflichtungserklärungen gem. § 68 Abs. 1 AufenthG sowohl ihrer Tochter S. als auch ihres Schwiegersohnes A. vorgelegt. Frau F. verfügt über monatliche Nettoeinkünfte in Höhe von etwa 2.170,- €, ihr Ehemann über solche in Höhe von etwa 1.930,- €. Herr N. verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von etwa 2.150,- €, Frau N. über ein solches in Höhe von 307,- €. Daneben verfügt die Familie N. auch über Einnahmen aus der Vermietung einer Eigentumswohnung. Das Gericht hat vor diesem Hintergrund keinen Zweifel daran, dass der laufende Unterhalt der Klägerin durch das Einkommen ihrer Angehörigen bestritten werden kann und bestritten werden wird. Auch der Beigeladene sah sich zu einer weitergehenden Prüfung der sonstigen Belastungen der Familienangehörigen der Klägerin nicht veranlasst.
Zwar ist dem Beigeladenen zuzugeben, dass die derzeit nachgewiesene Reisekrankenversicherung aufgrund ihrer Haftungsausschlüsse eine ausreichende Krankenversicherung für einen Daueraufenthalt in der Bundesrepublik im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht darstellt. Auch in sofern ist jedoch ein Absehen von der Regelerteilungsvoraussetzung geboten. Sobald nämlich die Klägerin ihren gewünschten Aufenthalt in der Bundesrepublik begründet und vom Beigeladenen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben wird, hat sie gem. § 193 Abs. 5 Nr. 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (in der Fassung vom 17. Juli 2009; fortan: VVG) einen Anspruch gegen die im Bundesgebiet zugelassenen privaten Krankenversicherungsunternehmen auf Abschluss eines Krankenversicherungsvertrages im Basistarif nach § 12 Abs. 1 a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG). Die Klägerin würde nach ihrer Einreise und nach Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis – jedenfalls einer solchen mit einer Gültigkeit von mehr als 12 Monaten – sämtliche Voraussetzungen des § 193 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VVG erfüllen: sie ist nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig, da für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis an sie grundsätzlich eine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besteht (§ 5 Abs. 10 Satz 1 SGB V). Sie gehört weder zum Personenkreis des § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 und 4 VVG noch zu dem nach Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 der Norm. Schließlich hat sie auch noch keinen der Pflicht nach § 193 Abs. 3 VVG genügenden Krankenversicherungsschutz mit einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen vereinbart.
Der D. AG hat daher mit Schreiben vom 16. September 2009 gegenüber dem Gericht seine grundsätzliche Bereitschaft kundgetan, die Klägerin nach Erteilung einer "unbefristeten Aufenthaltserlaubnis von länger als 12 Monaten" zum Basistarif zu versichern. Die Forderung nach einer Aufenthaltserlaubnis mit einer Gültigkeit von mehr als 12 Monaten beruht offenbar darauf, dass § 5 Abs. 10 Satz 1 SGB V (vormals Absatz 11) dieses Erfordernis für die Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung vorsieht. Der Gesetzgeber wollte damit eine Sonderregelung zu § 30 Abs. 3 SGB I schaffen, der den Begriff "gewöhnlicher Aufenthalt" definiert (vgl. BT-Drucks. 16/3100 Seite 95 zu Buchstabe d). Ob diese Sonderregelung maßgeblich auch für die Auslegung des Begriffes "Wohnsitz in Deutschland" in § 193 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VVG sein kann, wie der D. AG und offensichtlich auch die vom Gericht gleichfalls angeschriebene D. AG (vgl. deren Schreiben vom 16. September 2009) meinen, bedarf vorliegend keine abschließenden Beurteilung. Die Klägerin beabsichtigt ohnehin, einen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet zu begründen; ihr Gesundheitszustand lässt eine Besserung auch nicht erwarten. Das Gericht hält es daher für zumutbar, dass der Beigeladene der Klägerin nach ihrer Einreise eine Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung mit einer Gültigkeitsdauer von etwas mehr als 12 Monaten erteilt, damit diese kurzfristig eine private Krankenversicherung abschließen kann. Die Klägerin hat sich bereits damit einverstanden erklärt, diese Aufenthaltserlaubnis mit einer Fristbestimmung zu versehen, binnen derer der Abschluss der privaten Krankenversicherung nachgewiesen sein muss. Dem Beigeladenen steht frei, hiervon Gebrauch zu machen.
Der Beitrag für den Basistarif darf gem. § 12 Abs. 1 c VAG den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übersteigen. Dieser beläuft sich im Jahr 2009 für die Krankenversicherung auf 569, 63 € und für die Pflegeversicherung auf 71,66 € (vgl. das Schreiben des D. AG vom 9. Juni 2009). Dieser Betrag ist gem. § 12 Abs. 1 c Satz 4 VAG im Falle sonst eintretender Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder SGB XII um die Hälfte zu reduzieren. Angesichts dessen geht das Gericht davon aus, dass die Angehörigen der Klägerin in der Lage sind, auch den monatlichen Beitrag für die private Krankenversicherung der Klägerin aufzubringen. Soweit sie Verpflichtungserklärungen nach § 68 Abs. 1 AufenthG abgegeben haben, besteht auch für sie, nicht nur für die Klägerin selbst, ein dringendes Bedürfnis, umgehend nach der Einreise der Klägerin deren Krankenversicherung sicher zu stellen. [...]