OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.12.2009 - 11 N 62.08 - asyl.net: M16509
https://www.asyl.net/rsdb/M16509
Leitsatz:

Keine Erteilung eines Visums zur Eheschließung, da keine hinreichende Absicht erkennbar ist, eine dauerhafte eheliche Lebensgemeinschaft zu führen. Es bleibt offen, ob die Erteilung eines nationalen Visums nach § 6 Abs. 4 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zum Zuzug zum Zweck der Eheschließung möglich ist oder in diesen Fällen grundsätzlich nur ein Besuchsvisum erteilt werden kann, um sodann nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 AufenthV einen Aufenthaltstitel einzuholen.

Schlagwörter: Visum, Visumsverfahren, beabsichtigte Eheschließung, Türkei, Familiennachzug, Besuchsvisum
Normen: AufenthG § 6 Abs. 4, AufenthG § 7 Abs. 1 S. 3, GG Art. 6 Abs. 1, EMRK Art. 8 Abs. 1, AufenthG § 6 Abs. 1, AufenthV § 39 Abs. 1 Nr. 3
Auszüge:

[...]

Es spricht bereits einiges dafür, dass sich der Kläger für das mit dem Klageantrag weiter verfolgte Visum für einen Nachzugsanspruch als Rechtsgrundlage nicht auf § 6 Abs. 4 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG berufen kann, wovon das Verwaltungsgericht (wie auch Hailbronner, AuslR, Std. August 2008, Rn. 22 zu § 7; Renner, AuslR, 8. Aufl., 2005, Rn. 19 zu § 7) ausgegangen war. Die Beantwortung der Frage, ob der Ausländer einen Familiennachzug zu seiner Ehefrau beanspruchen kann, hat der Gesetzgeber in Kapitel 2, Abschnitt 6 des Aufenthaltsgesetzes (§§ 27 ff. AufenthG), der den Aufenthalt aus familiären Gründen zum Gegenstand hat, abschließend geregelt. Das Aufenthaltsrecht wird nach § 27 Abs. 1 AufenthG zur Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft, aber nicht bereits zur Eingehung der Ehe gewährt. Diesen Vorschriften zufolge wird eine bereits bestehende Ehe vorausgesetzt, die zwischen dem Kläger und der E. erst nach Einreise geschlossen werden soll. Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG kann allerdings eine Aufenthaltserlaubnis für einen vom Aufenthaltsgesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden, d.h. wenn der Ausländer den Aufenthalt zu einem bestimmten Zweck erstrebt, der von den einzelnen gesetzlichen Bestimmungen über die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nicht erfasst wird und dessen Bereich gesetzlich nicht bereits abschließend geregelt worden ist (vgl. zu § 7 Abs. 1 AuslG: BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1996 - 1 C 41.93 -, BVerwGE 100, 287 (298 f.); zu § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG vgl. BayVGH, Beschluss vom 13. Februar 2008 - 10 Cs 07.2733 - in Juris).

Für einen Rückgriff auf § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG dürfte hier auch unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK jedoch kein Raum bestehen, weil zur zunächst beabsichtigten Eingehung der Ehe ein Besuchsvisum nach § 6 Abs. 1 AufenthG ausreichen würde und anschließend unter den Voraussetzungen von § 39 Abs. 1 Nr. 3 AufenthV ein Aufenthaltstitel eingeholt werden kann. Ein derartiges Visum ist hier jedoch nicht Streitgegenstand. Der Streitgegenstand eines Antrags oder einer Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wird bestimmt und begrenzt durch den Aufenthaltszweck, aus dem der Antragsteller bzw. Kläger seinen Anspruch herleitet (BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 - 1 C 43/06 -, BVerwGE 129, 226, 236). Gemessen daran ist ein Visum, mit dem ein langfristiger Aufenthalt und eine dauerhafte Zusammenführung angestrebt wird, nicht mit einem Besuchsvisum identisch. Unabhängig davon ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger insoweit zunächst einen dahingehenden Antrag bei der Antragsgegnerin gestellt hätte, da er mit seinem Visumsantrag bereits einen unbefristeten Aufenthalt begehrt hat. Die Frage der Einräumung eines weiteren Aufenthaltsrechts zur Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft würde sich aber erst nach Eingehung der Ehe stellen.

Selbst wenn in der vorliegenden Konstellation mit dem Verwaltungsgericht die Erteilung eines nationalen Visums nach § 6 Abs. 4 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG für ein längerfristiges Aufenthaltsrecht zum Zuzug zu einer deutschen Staatsangehörigen zum Zweck der Eheschließung und anschließenden Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft für zulässig gehalten werden würde, ist die Rechtmäßigkeit deren Versagung nicht ernstlich zweifelhaft. Im Rahmen der Ermessensentscheidung, die dann nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG eröffnet wäre, durfte die Beklagte zweifelsfrei für ihre Entscheidung in Anlehnung an § 27 Abs. 1 AufenthG maßgeblich erwägen, inwiefern künftig von beiden Ehepartnern nach Eingehung der Ehe die Absicht zu erwarten war, auch eine dauerhafte eheliche Lebensgemeinschaft zu führen. Hierfür hat das Verwaltungsgericht den Kläger für beweispflichtig gehalten, war aber nach Anhörung der E. von einer ernsthaften gemeinsamen Absicht, eine dauerhafte eheliche Lebensgemeinschaft zu führen, nicht überzeugt. Dem ist der Kläger in der Zulassungsbegründung letztlich nur mit Erwägungen zur Frage der Bedeutung von § 27 Abs. 1a AufenthG für die Beweislast entgegengetreten. Die Regelung von § 27 Abs. 1a AufenthG setzt aber gerade die bestehende Ehe voraus und erst hieran anschließend würde sich die Frage des Verhältnisses zu § 27 Abs. 1 AufenthG und einer etwaigen Umkehrung der Beweislast stellen (auch dies verneinend OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2009 - 2 B 11.08 -, in Juris). Die Ermessensentscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG vor der Eheschließung konnte sich deshalb nach den allgemeinen Beweislastregeln ausrichten. [...]