OVG Sachsen-Anhalt

Merkliste
Zitieren als:
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.08.2009 - 2 M 128/09 - asyl.net: M16544
https://www.asyl.net/rsdb/M16544
Leitsatz:

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 2 Satz 2 AufenthG setzt voraus, dass sich der Ausländer als unbegleiteter Minderjähriger seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten hat. Diese Voraussetzung muss am Stichtag (01.07.2007) vorgelegen haben; der Ausländer muss sich also seit dem 01.07.2001 als unbegleitete Person dort aufgehalten haben. Es genügt – anders als bei der Regelung des § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG – nicht, dass er als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich mehr als sechs Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hat.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Altfallregelung, Bleiberecht, unbegleitete Minderjährige, Stichtag
Normen: AufenthG § 104a Abs. 2
Auszüge:

[...]

Dem Antragsteller kann auch keine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt werden. Dies würde voraussetzen, dass er sich als unbegleiteter Minderjähriger seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten hat. Diese Voraussetzung muss am Stichtag (01.07.2007) vorgelegen haben; der Ausländer muss sich also seit dem 01.07.2001 als unbegleitete Person dort aufgehalten haben (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks. 16/5065, S. 202; VG Darmstadt, Beschl. v. 02.04.2008 – 7 G 1980/07 –, Juris; Bundesministerium des Innern, Hinweise zu den wesentlichen Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzungsaufenthalts und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007, Teil I, Abschn. L I Nr. 11, abgedruckt in: Hailbronner, Ausländerrecht, A 1.3; Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, Stand: Dezember 2008, II - § 104a RdNr. 28). Dies trifft auf den – ausweislich der nunmehr vorgelegten Dokumente (Geburtsurkunde und Passkopie) – am 15.12.1982 geborenen Antragsteller nicht zu. Er hat sich nur etwa 15 Monate lang als "unbegleiteter Minderjähriger" im Bundesgebiet aufgehalten. Es genügt nicht, dass er als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich mehr als sechs Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hat (vgl. VG Darmstadt, a. a. O.). Für diese Auslegung spricht auch ein Vergleich mit § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, der die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für ein geduldetes volljähriges lediges Kind eines Ausländers betrifft, der sich am Stichtag acht bzw. sechs Jahre im Fall des Zusammenlebens mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat. In diesen Fällen lässt es der Gesetzgeber – soweit eine positive Integrationsprognose getroffen werden kann – ausreichen, wenn das inzwischen volljährig gewordene Kind bei der Einreise minderjährig war. Eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Schlechterstellung unbegleiteter Minderjähriger gegenüber dem von § 104a Abs. 2 Satz 1 erfassten Personenkreis (so wohl BayVGH, Beschl. v. 12.05.2009 – 19 C 09.1043 –, Juris), vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Formulierung "das Gleiche" in § 104a Abs. 2 Satz 2 AufenthG bezieht sich nur auf die Rechtsfolge, nämlich dass – wie in den Fällen des Satzes 1 – dem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erteilt werden kann; sie importiert aber nicht die Rechtsvoraussetzungen des Satzes 1 (vgl. Funke-Kaiser, a.a.O.).

Soweit der Antragsteller in seinem Erlaubnisantrag vom 26.03.2008 vorgetragen hat, nach einem Erlass des Ministeriums des Innern des Landes Sachsen-Anhalt vom 08.05.2008 komme es nur darauf an, ob der Ausländer als unbegleiteter Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist sei, kommt dem keine maßgebliche Bedeutung zu; denn das Gericht ist bei der Auslegung der gesetzlichen Vorschriften an verwaltungsinterne Anwendungserlasse nicht gebunden. [...]