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Zitieren als:
BVerwG, Beschluss vom 21.01.2010 - 1 B 17.09 - asyl.net: M16597
https://www.asyl.net/rsdb/M16597
Leitsatz:

1. Die Bescheinigung der begrenzten Fortgeltungswirkung gemäß § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist kein Verwaltungsakt und dokumentiert nur den bestehenden Rechtszustand.

2. Die Befristung der Geltungsdauer dieser Bescheinigung auf drei Monate ist verhältnismäßig.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Bescheinigung, deklaratorische Wirkung, Befristung, Verhältnismäßigkeit, Geltungsdauer, Fortgeltungswirkung des Aufenthaltstitels
Normen: AufenthG § 12 Abs. 2, AufenthG § 81 Abs. 5, AufenthG § 84 Abs. 2 S. 2, AufenthV § 58 S. 1 Nr. 3
Auszüge:

[...]

Die Beschwerde wendet sich gegen die Befristung der den Klägern nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG erteilten Bescheinigungen sowie die Aufnahme der Textpassage zur Gestattung der Erwerbstätigkeit. Nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gilt der Aufenthaltstitel für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit als fortbestehend, solange die Frist zur Erhebung des Widerspruchs oder der Klage noch nicht abgelaufen ist, während eines gerichtlichen Verfahrens über einen zulässigen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder solange der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Die Beschwerde sieht in den den Klägern erteilten Bescheinigungen über die begrenzte Fortgeltungswirkung des Aufenthaltstitels nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG - anders als der Verwaltungsgerichtshof - rechtswidrige Verwaltungsakte oder Nebenbestimmungen hierzu und nicht bloße Bescheinigungen ohne Regelungscharakter. Außerdem möchte sie den Text der Bescheinigungen auf den Wortlaut des § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG beschränkt oder entsprechend dem Muster für eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 AufenthG gestaltet sehen. [...]

1. Die Frage nach der Rechtsnatur und dem zulässigen Inhalt einer Bescheinigung über die beschränkte Fortgeltungswirkung des Aufenthaltstitels für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist eindeutig dahingehend zu beantworten, dass sie kein Verwaltungsakt ist und in ihr Aufenthaltsrechte nicht geregelt werden dürfen. Denn eine solche Bescheinigung regelt die Rechtslage nicht, sondern dokumentiert nur den bestehenden Rechtszustand. Diese Auslegung stimmt mit der Rechtsauffassung des Senats zur Rechtsnatur einer Fiktionsbescheinigung nach § 69 Abs. 3 AuslG 1990 überein (heute: § 81 Abs. 5 AufenthG), wonach es sich bei einem solchen Dokument nicht um einen feststellenden oder rechtsgestaltenden Verwaltungsakt handelt, sondern lediglich um eine Bescheinigung, die nicht hindert, auf die wahre Rechtslage zurückzugreifen (Urteil vom 3. Juni 1997 - BVerwG 1 C 7.96 - Buchholz 402.240 § 18 AuslG 1990 Nr. 1, S. 7). Im Rahmen einer Bescheinigung nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG können aufenthaltsrechtliche Regelungen daher auch nicht in Gestalt von Nebenbestimmungen nach § 12 Abs. 2 AufenthG getroffen werden. [...]

Kann also nur die Dokumentation der Rechtslage Gegenstand einer Bescheinigung nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG sein, bestehen für ihre Abfassung keine einer Verfügung mit Regelungscharakter vergleichbaren rechtlichen Vorgaben. Insbesondere war der Gesetz- oder Verordnungsgeber nicht verpflichtet, hierfür Vorschriften zur einheitlichen Rechtsanwendung zu erlassen. Hieraus ergibt sich auch, dass eine Bescheinigung über die Fortgeltungswirkung nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht entsprechend den Vorgaben für eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 AufenthG gemäß § 58 Satz 1 Nr. 3 Aufenthaltsverordnung nach dem Muster in Anlage D 3 gestaltet werden muss. Für ihre gegenteilige Auffassung bleibt die Beschwerde eine nachvollziehbare Begründung schuldig. Vielmehr erscheint die unterschiedliche Gestaltung zur Vermeidung einer Verwechslung der beiden Bescheinigungen als von der Sache her sinnvoll und entspricht zudem der Vorgabe in Nr. 4.3.1.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 (GMBl 2009, 878 915>). Zudem betrifft die von der Beschwerde für ihre Auffassung zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 18. März 2008 - 11 S 167/08 - (InfAuslR 2008, 335) eine Fallgestaltung, die mit der der Kläger nicht vergleichbar ist (Besonderheit bei grenzüberschreitender Erwerbstätigkeit).

2. Die Befristung der Geltungsdauer der Bescheinigung nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG (nicht: der Fortgeltungswirkung nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) auf drei Monate war verhältnismäßig. Hiervon ist auch das Berufungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgegangen, um die Gefahr der missbräuchlichen Verwendung derartiger Bescheinigungen nach Ablauf der Fortgeltungswirkung einzuschränken (UA S. 10 f.). Im Übrigen sähe auch der Vordruck einer Bescheinigung nach § 81 Abs. 5 AufenthG gemäß der Anlage D 3 zur Aufenthaltsverordnung (vgl. BGBl 2004 I S. 2945 2975 - 2977>) eine Befristung der Geltungsdauer der dort geregelten Bescheinigung vor. [...]