VG Neustadt a.d.W.

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Zitieren als:
VG Neustadt a.d.W., Beschluss vom 27.01.2010 - 1 L 68/10 NW - asyl.net: M16600
https://www.asyl.net/rsdb/M16600
Leitsatz:

Die notarielle Vaterschaftsanerkennung und Sorgeerklärung ist zur Glaubhaftmachung der Vaterschaft nicht geeignet, wenn die Kindsmutter zum Zeitpunkt der Geburt mit einem anderen Mann verheiratet war.

Schlagwörter: Abschiebung, vorläufiger Rechtsschutz, Vaterschaftsanerkennung, Sorgerechtserklärung, Ermessen, Aufenthaltserlaubnis, Pass, Duldung, Visumsverfahren, offensichtlich unbegründet, Sperrwirkung, Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen,
Normen: VwGO § 123 Abs. 1, BGB § 1626 Abs. 1, BGB § 1592 Nr. 1, BGB § 1594 Abs. 2, BGB § 1599, BGB § 1599 Abs. 2 S. 3, BGB § 1626, AufenthG § 28 Abs. 1, AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 4, GG Art. 6 Abs. 1, AufenthG § 60a Abs. 2, EMRK Art. 8, AufenthG § 10 Abs. 3, AufenthG § 11 Abs. 1
Auszüge:

[...] Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm erfüllt sind. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG setzt voraus, dass der Antragsteller die Aufenthaltserlaubnis "zur Ausübung der Personensorge" erhält. Die Ausübung der Personensorge ist dem Antragsteller momentan jedoch aus Rechtsgründen verwehrt. Denn sorgeberechtigt im Rechtssinne sind die Eltern des Kindes (§ 1626 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Derzeit kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller im Rechtssinne "Elternteil", also Vater, des im Oktober von seiner Lebensgefährtin zur Welt gebrachten Kindes ist. Die notarielle Vaterschaftsanerkennung und Sorgeerklärung des Antragstellers vom 16. September 2009 ist zur Glaubhaftmachung seiner Vaterschaft nicht geeignet. Denn gemäß § 1592 Nr. 1 BGB gilt als Vater eines Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Dies war im vorliegenden Fall nicht der Antragsteller, denn dessen Freundin war zum Zeitpunkt der Entbindung noch mit einem anderen (albanischstämmigen) Mann verheiratet. Die Anerkennung der Vaterschaft durch den Antragsteller ist damit nicht rechtsverbindlich (vgl. § 1594 Abs. 2 BGB). Die Klärung der Vaterschaft ist zwischen dem Antragsteller und dem Ehemann der Lebensgefährtin nach Maßgabe des § 1599 BGB herbeizuführen. Dabei ist insbesondere § 1599 Abs. 2 Satz 3 BGB zu beachten, wonach die Anerkennung der Vaterschaft, neben den von Gesetzes wegen notwendigen Erklärungen, der Zustimmung des Mannes bedarf, der im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Gegebenenfalls ist die Vaterschaft in einem Anfechtungsverfahren, unter Berücksichtigung des § 1600 BGB (der die Anfechtungsberechtigung des Mannes vorsieht, der an Eides Statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben), zu klären. Erst danach ist die Frage der Sorgeberechtigung nach Maßgabe der §§ 1626 ff. BGB zu prüfen. Derzeit kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller nach der zivilrechtlichen Klärung der Vaterschaft und des Sorgerechts die rechtliche Stellung eines Vaters und Sorgeberechtigten einnehmen wird. Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller im vorliegenden Verfahren eine offenkundig unzutreffende notarielle Urkunde vorgelegt hat. Denn dort ist die Erklärung der Lebensgefährtin des Antragstellers beurkundet, nicht verheiratet zu sein. Diese Angabe zur Person ist evident falsch. Die sonstigen Erklärungen der Lebensgefährtin sind damit im vorliegenden Verfahren nicht tragfähig. Die weitere notarielle Beurkundung gibt keinen rechtsverbindlichen Aufschluss über die Vaterschaft des Antragstellers, sondern erstreckt sich lediglich auf die abgegebenen Erklärungen, zumal der beurkundende Notar offenkundig nicht überprüft hat, ob der Antragsteller tatsächlich biologischer Vater des Kindes ist.

Einen im vorliegenden Verfahren beachtlichen Anordnungsanspruch kann der Antragsteller auch nicht aus § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG herleiten. Zwar kann nach dieser Bestimmung auch dem nichtsorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen, abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Bei dieser Bestimmung handelt es sich jedoch nicht um einen gesetzlichen Anspruch im Sinne des § 10 Abs. 1 AufenthG, sondern lediglich um eine Ermessensnorm. Diese vermittelt selbst im Falle einer (hier nicht vorliegenden) Ermessensreduktion auf Null keinen "gesetzlichen Anspruch“ im Sinne des § 10 Abs. 1 AufenthG (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. März 2009 – 11 S 2990/08).

Im Übrigen scheidet die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 und 4 AufenthG auch deshalb aus, weil der Antragsteller derzeit nicht über einen gültigen Reisepass verfügt (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG), von dessen Besitz auch nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ausnahmsweise abgesehen werden kann.

Rechtliche oder tatsächliche Abschiebungshindernisse im Sinne des § 60a AufenthG liegen nicht vor.

Es sind im vorliegenden Verfahren keine völkerrechtlichen oder humanitären Gründe ersichtlich, die die oberste Landesbehörde zugunsten des Antragstellers gemäß § 60a Abs. 1 AufenthG veranlassen könnten, die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten auszusetzen. Die Voraussetzungen des § 60a Abs. 2 AufenthG sind ebenfalls nicht erfüllt. Auf den Schutzbereich des Art. 6 Grundgesetz (GG) oder 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) kann sich der Antragsteller aus den vorgenannten Gründen weder hinsichtlich seines Aufenthaltsstatus noch hinsichtlich seiner möglichen Abschiebung berufen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. März 2009, a.a.O.). Er ist in Deutschland weder verheiratet, noch kann derzeit von dessen Vaterschaft im Rechtssinne ausgegangen werden Familiäre Gründe, die im Rahmen der verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben das Aufenthaltsrecht des Nationalstaates überlagern, greifen im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens damit nicht. Sie stünden im Übrigen auch einer Abschiebung des Antragstellers insoweit nicht entgegen, als es diesem zumutbar ist, von seinem Heimatland aus das gesetzlich gebotene Visumsverfahren (§ 5 Abs. 2 AufenthG) nach Klärung der Vaterschaftsfrage durchzuführen, um danach (legal) nach Deutschland einzureisen. Dies gilt hier umso mehr, als der Antragsteller nach wie vor in Altrip gemeldet ist und ein Zuzug nach Neustadt an der Weinstraße (zu seiner Lebensgefährtin) derzeit an der fehlenden Zustimmung der Ausländerbehörde dieser Stadt scheitert. [...]

Der guten Ordnung halber verweist das Gericht noch auf § 10 Abs. 3 AufenthG, wonach einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Kapitel 2, Abschnitts 5 erteilt werden darf. Völkerrechtliche, humanitäre oder politische Gründe im Sinne der Regelungen dieses Abschnitts wurden nicht glaubhaft gemacht. § 28 AufenthG findet sich im Kapitel 2, Abschnitt 6 des Aufenthaltsgesetzes und ist damit von dem Normbereich des § 10 Abs. 3 AufenthG nicht erfasst. Diese Regelung bestimmt im Übrigen, dass im Falle der Ablehnung eines Asylantrages gemäß § 30 Abs. 3 AsylVfG – also in den Regelfällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet – vor der Ausreise des Ausländers kein Aufenthaltstitel erteilt werden darf. Eine Durchbrechung der in § 10 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 AufenthG getroffenen Bestimmungen kommt im vorliegenden Fall gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 AufenthG nicht in Betracht. Denn der Antragsteller hat zum einen nach den vorstehenden Ausführungen keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. Zum anderen sind die Voraussetzungen der §§ 25 Abs. 3, 60 Abs. 2, 3 oder 7 AufenthG ausweislich der Begründung des Bundesamtsbescheids vom 20. Juli 2009 und des gerichtlichen Eilbeschlusses vom 07. September 2009 (a.a.O.) nicht erfüllt.

Zuletzt wird darauf hingewiesen, dass ein Ausländer, der abgeschoben worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), wenngleich die Möglichkeit besteht, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu befristen (§ 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). [...]