VG Neustadt a.d.W.

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Zitieren als:
VG Neustadt a.d.W., Urteil vom 14.01.2010 - 1 K 1465/08.NW - asyl.net: M16601
https://www.asyl.net/rsdb/M16601
Leitsatz:

Kein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, da in Armenien die Behandlung von Bronchialasthma für ein Kind unter 7 Jahren möglich ist, unabhängig davon, ob die derzeit verabreichten Medikamente verfügbar sind. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG garantiert auch für chronisch Erkrankte keinen Anspruch auf "optimale" Behandlung einer Erkrankung oder auf dauerhaften Zugang und Teilhabe am medizinischen Standard in Deutschland. Erforderliche Zuzahlungen können aufgrund der Kostenübernahmeerklärung der Ausländerbehörde für zwei Jahre finanziert werden.

Schlagwörter: Armenien, Abschiebungsverbot, Asthma bronchiale, medizinische Versorgung, Abschiebungshindernis, Wiederaufnahme des Verfahrens, Kostenübernahme für zwei Jahre
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1, VwGO § 87b
Auszüge:

[...]

2. Auch das dem Kläger zuletzt mit einem Schweregrad II - III attestierte chronische Asthma Bronchiale führt nicht zur rechtlichen Verpflichtung des Bundesamtes, ein krankheitsbedingtes Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Die Behandlung eines Bronchialasthamas bei einem Kind unter 7 Jahren - wie im Falle des Klägers - ist in Armenien möglich. Die zur Behandlung seines Asthmaleidens erforderlichen Einrichtungen und Behandlungsmethoden sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in Armenien vorhanden. Dies gilt sowohl für die Frage der erforderlichen Notfallversorgung als auch für die derzeit allein in medikamentöser Form praktizierte Asthmatherapie.

(2.1.) Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger bei akuten Asthmaanfällen einer wesentlichen oder gar lebensbedrohenden Verschlechterung seines Gesundheitszustands schon deshalb ausgesetzt wäre, weil er eine erforderliche Notfallversorgung in Armenien nicht erlangen könnte. Sowohl nach der bisherigen Auskunftslage als auch nach der im Klageverfahren eingeholten Stellungnahme des Vertrauensarztes der Deutschen Botschaft in Eriwan ist die Notfallversorgung in Armenien gesichert. Zudem gehört die Behandlung akuter asthmatischer Anfälle des Schweregrads II - III zu jenen Zuständen, die in das Verzeichnis der Krankheiten und Situationen für die vom Staat garantierte kostenlose medizinische Versorgung in der Republik Armenien aufgenommen sind. Die Botschaftsauskunft vom 5. Oktober 2009 (Nr. 4) deckt sich mit den früheren Angaben des Auswärtigen Amtes (vgl. z.B. Anlage 3 zum Lagebericht vom 2. Februar 2006; s. insbesondere auch die Botschaftsauskunft vom 3. März 2003 an das OVG MV, - RK 516.80/II/Gesetz -). Sie wird zudem bestätigt durch die von dem Kläger selbst vorgelegte Stellungnahme der Ärztin Dr. E... (vgl. Nr. 4 des Schreibens von Fr. ... T... vom 7. Januar 2010). Auch lässt die Aufnahme des Status Asthmaticus in das Verzeichnis akuter Krankheitszustände darauf schließen, dass das Fehlen entsprechender Notfallbehandlungen und -einrichtungen unwahrscheinlich ist. [...]

Die medikamentöse Notfallversorgung mit Salbutamol ist gesichert. Dieses Medikament wird auch in Armenien eingesetzt, ist registriert und verfügbar. Dies ergibt sich übereinstimmend sowohl aus der im Verfahren eingeholten Auskunft der Deutschen Botschaft als auch aus der von dem Kläger in das Verfahren eingeführten Stellungnahme der Ärztin Dr. ... und wurde klägerseits auch in der Folgezeit nicht mehr in Abrede gestellt. Salbutamol ist zudem auf der Liste der grundlegenden Medikamente (NEDL) enthalten, die selbst bei einem anspruchsberechtigten Kranken über 7 Jahre kostenfrei oder zu einem weit ermäßigten Preis abgegeben werden.

(2.2.) Weiterhin steht es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass auch eine Dauertherapie des Brochialasthmas des Klägers in Armenien möglich ist (a.). Nach dem Attest vom 24. April 2009 wird derzeit bei dem Kläger alleine eine medikamentöse Therapie praktiziert. Eine medikamentöse Weiterbehandlung ist aber auch in Armenien durch den Einsatz analoger wirkstoffgleicher Medikamente zu erwarten (b.). Auch eine ambulante oder stationäre Begleit- oder Bedarfsbehandlung ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in Armenien möglich (c.).

(a.) Nach der Auskunft der Deutschen Botschaft in Eriwan vom 5. April 2007 an das VG Weimar (Rk 10-516.80/1650) ist Bronchialasthma eine in Armenien recht verbreitete Krankheit. Die Anzahl der Kranken, besonders im Kindesalter, nimmt zu. Die kinderallergologische Versorgung in Armenien funktioniert jedoch gut. Das Republikanische Zentrum für Kinder- und Jugendlichengesundheit und die führenden Kinderkliniken der Stadt Eriwan verfügen über kinderallergologische Abteilungen, und in den Kliniken der größeren Städte Armeniens sind Kinderallergologen tätig. Im Bedarfsfall ist auch die stationäre Behandlung von Kindern, die an Bronchialasthma leiden, gewährleistet, die Nachversorgung findet in den Polikliniken am Wohnort statt. Diese allgemeine Auskunftslage wird bekräftigt in der von dem Gericht im Klageverfahren eingeholten Auskunft der Deutschen Botschaft Eriwan vom 28. Oktober 2009 (Rk 10-516.80/2406), die auf Grund der Angaben eines Vertrauensarztes die Behandelbarkeit der Asthmaerkrankung des Klägers in mehreren namentlich genannten Einrichtungen bestätigen konnte (Frage 1a). Gleiches bestätigte Fr. Dr. E... in der von dem Kläger selbst vorgelegten Stellungnahme der Fr. Dr. ... für die medikamentöse Behandlung von Asthmaerkrankungen in Armenien.

(b.) Zudem konnte das Gericht auf der Grundlage der vorgelegten Atteste und der aktuellen Auskunftslage auch nicht die Überzeugung gewinnen, dass die in Armenien bestehenden Methoden zur Asthmabehandlung zu einer Gesundheitsverschlechterung des Klägers führen könnten, die im rechtlichen Sinne als "wesentlich" bezeichnet werden könnten. Nach den vorgelegten Attesten wird das Bronchialasthma des Klägers derzeit erfolgreich mit einer medikamentösen Kombinationstheraphie der Wirkstoffe Fluticasan und Salmeterol behandelt. Zwar ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme das aktuell eingesetzte Kombinationspräparat Viani in Armenien nicht registriert. Es ist damit dort nicht verfügbar und kann auch nicht komplikationslos aus Deutschland oder sonstigen Ländern für den Kläger eingeführt werden. Indessen hat die Botschaft bereits in der Auskunft vom 5. April 2007 an das VG Weimar mitgeteilt, dass für Viani analoge Ersatzmedikamente (wie z.B. Dexamethason, Zasirlukast) in Armenien verfügbar und in der Behandlung von Kindern mit Bronchialasthma weit verbreitet sind. Zudem sind nach der im hiesigen Verfahren erteilten Auskunft vom 5. Oktober 2009 sowohl der Wirkstoff Fluticasan alleine und auch als Kombinationspräparat (vgl. die Nachtragsauskunft vom 5. Januar 2010), sowie Ipratropium bromide bzw. Berotec-Fenterol oder Berotec N 100mcg als Ersatz für Salmeterol in Armenien verfügbar. Soweit Frau Dr. E... in der von dem Kläger vorgelegten Auskunft die Verfügbarkeit von Fluticason und Salmeterol verneint hat, rechtfertigt dies keine andere Bewertung. Diese Angaben lassen Ausführungen zu der Verfügbarkeit wirkstoffgleicher Ersatzpräparate außer Betracht und erfolgten ohne Auseinandersetzung mit den gegenteiligen Erkenntnissen der Vertrauensarztes der Deutschen Botschaft (Bl. 150, Bl. 259 d. Gerichtsakte). Hiervon ausgehend spricht aber nur wenig für die Annahme, dass eine geeignete Therapie in Armenien nicht zu Verfügung steht oder sogar die in Deutschland begonnene Kombinationstherapie nicht mit einer gleichartigen Wirkstoffkombination in Armenien fortgesetzt werden könnte.

Unabhängig hiervon wäre der Klage aber auch nicht stattzugeben, wenn die derzeit verabreichten Medikamente in Armenien keine Verwendung finden oder nicht verfügbar wären. Denn an der Existenz geeigneter anderer Therapiemöglichkeiten und analogen Medikamenten zur Behandlung des klägerischen Bronchialasthmas II - III ergeben sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für das Gericht keine vernünftigen Zweifel mehr. Dass der Kläger einer speziellen Behandlung bedürfte, die nur im Bundesgebiet zu erbringen ist, ist nicht vorgetragen und auch nicht attestiert. Er muss sich deshalb auf die in Armenien verfügbaren Behandlungsmethoden und den dort bestehenden Versorgungsstandard im Gesundheitswesen verweisen lassen (so auch VG Koblenz, Urteil vom 25. Mai 2009 - 7 K 1160/08.KO -). Denn § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG garantiert auch für chronisch Erkrankte keinen Anspruch auf "optimale" Behandlung einer Erkrankung oder auf dauerhaften Zugang und Teilhabe an dem medizinischen Standard in Deutschland. Der Abschiebungsschutz soll den Ausländer vielmehr (nur) vor einer gravierenden Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter an Leib und Leben bewahren (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 14. Juni 2005 - 11 A 4518/02.A -, vom 20. September 2006 - 13 A 1740/05.A - und vom 30. Oktober 2006 – 13 A 2820/04.A, alle in juris). Eine andere Beurteilung liefe auf eine allgemeine Verpflichtung des Beklagten hinaus, die Unterschiede auszugleichen, die zwischen einzelnen Staaten hinsichtlich der Möglichkeiten einer medizinischen Versorgung von Erkrankten bestehen. Eine solche Verpflichtung besteht aber weder nach innerstaatlichem Recht, noch aufgrund der von der Bundesrepublik Deutschland eingegangenen völkervertragsrechtlichen Verpflichtungen (vgl. hierzu EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 - 26565/05 -, juris; s. auch VG Neustadt/Weinstraße, Beschluss vom 25. August 2009 - 2 L 641/09.NW -).

Nichts anderes ergibt sich aus dem - zumal erst nach Ablauf der nach § 87b VwGO gesetzten Begründungsfrist und dem Abschluss der Beweisaufnahme - vorgelegten weiteren Attest des Dr. XY vom 12. Januar 2010. Zwar führt er darin aus, dass es bei einem Therapieversuch mit Fluticason alleine es zu einer Symptomverschlechterung bei dem Kläger gekommen sei. Diese Verschlechterung ist rechtlich aber vor dem Hintergrund zu bewerten, dass der behandelnde Arzt bisher eine Kombinationstherapie praktiziert hat. Es ist daher nachvollziehbar, dass bei dem Weglassen einer dieser Komponenten eine Verschlechterung gegenüber dem zuvor bestehenden Zustand eintritt. Indessen hätte der behandelnde Arzt die am 12. Januar 2010 attestierte Unterbrechung der Kombinationsbehandlung bereits nicht veranlassen dürfen, wenn er bei Umstellung der Medikation eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands aus ärztlicher Sicht tatsächlich befürchtet hätte. Dem Attest lässt ist daher nur entnehmen, dass die Behandlung mit Viani die "optimale" Therapieform für den Kläger sei. Hierdurch ist aber nicht in Frage gestellt, dass die in Armenien bestehenden therapeutischen Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung des bestehenden Gesundheitszustands des Klägers ungeeignet wären.

(c.) Auch eine ambulante oder stationäre Begleit- oder Bedarfsbehandlung des Bronchialasthmas des Klägers ist in Armenien möglich. Nach der aktuellen allgemeinen Auskunftslage ist die medizinische Versorgung in Armenien flächendeckend gewährleistet. Der Ausbildungsstand des medizinischen Personals ist zufriedenstellend. Die Ausstattung der Krankenhäuser und das medizinische Gerät sind zwar zum Teil mangelhaft, eine medizinische Grundversorgung ist aber gleichwohl gewährleistet. In einzelnen klinischen Einrichtungen stehen moderne Untersuchungsmethoden zur Verfügung. Es gibt psychiatrische Abteilungen in Krankenhäusern; Fachpersonal steht zur Verfügung. Überdies besteht ein Gesetz über die kostenlose medizinische Versorgung im Gesundheitswesen. Dieses regelt den Umfang der kostenlosen Behandlung für bestimmte Krankheiten und für bestimmte soziale Gruppen. Der Staatshaushalt stellt für die medizinische Versorgung Mittel zur Verfügung, die kontinuierlich aufgestockt werden. Allerdings sind die Einzelheiten der kostenlosen medizinischen Versorgung in der Bevölkerung nicht durchgängig bekannt, zudem reichen die bereitgestellten Mittel nicht immer aus. Beides führt dazu, dass Kliniken gezwungen sind, von Patienten Geld zu nehmen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Armenien vom 11. August 2009).

Diese allgemeinen Erkenntnisse zum Gesundheitssystem Armeniens werden durch die speziell im Fall des Klägers ergänzend eingeholten Auskünfte bestätigt. Unter Nr. 3 der Auskunft vom 5. Oktober 2009 heißt es, dass jedes Kind unter 7 Jahren, das armenischer Staatsangehöriger oder im Ausland als Kind eines armenischen Staatsangehörigen geboren ist, einen Anspruch auf kostenfreie ambulante oder stationäre Behandlung hat. Eine stationäre Aufnahme sei bis zu maximal 3 Wochen und eine ambulante Behandlung auch über mehrere Jahre, insbesondere bei Kindern, möglich und verfügbar. Weiter heißt es, dass die Polykliniken für Kinder unter 7 Jahren auch Medikamente kostenfrei bereitstellen. Für den Fall, dass sie bestimmten sozial schwachen Gruppen angehören, würden die Leistungen nach dem Gesetz über die kostenlose medizinische Versorgung im staatlichen Auftrag auch für Kinder über 7 Jahren und für Erwachsene gelten. Entsprechende Behandlungseinrichtungen für Bronchialasthma wurden dem Kläger von der Deutschen Botschaft benannt. Diese Angaben stehen in Kontinuität zum bisherigen Auskunftsverhalten der Botschaft. Die Richtigkeit dieser Auskünfte ist auch klägerseits nicht substantiiert in Frage gestellt (vgl. die entsprechenden Angaben zu Nr. 3 in der Auskunft von Fr. Dr. .../Dr. ....). [...]

3. Soweit der Kläger geltend macht, er könne die Kosten der Therapie für sein chronisches Bronchialasthma in Armenien nicht aufbringen, verhilft dies der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg.

(a.) Nach der aktuellen Auskunftslage und den ergänzend eingeholten Auskünften ist es nämlich nicht überwiegend wahrscheinlich, dass dem Kläger der Zugang zu den erforderlichen Medikamente und Behandlungen aufgrund fehlender finanzieller Mittel verwehrt ist. Dabei ist davon auszugehen, dass der Kläger als Sohn einer armenischen Staatsangehörigen selbst armenischer Staatsangehöriger ist und er damit dem Gesetz über die kostenfreie medizinische Versorgung in staatlichem Auftrag unterfällt, das bei Kindern unter 7 Jahren die Kostenfreiheit auch für die Behandlung von Bronchialerkankungen vorsieht (vgl. Anlage 3 zum Lagebericht vom 2. Februar 2006, a.a.O.) Dieser Anspruch ist durch seine Eltern geltend zu machen. Nach den erteilten Auskünften dauert die Bearbeitungszeit für einen Kostenübernahmeantrag beim Gesundheitsministerium normalerweise nicht erheblich länger als ein Monat; Gebühren fallen hierfür nicht an (Botschaftsauskunft vom 31. August 2007 an das VG Schleswig). Bei Schwierigkeiten gibt es die Möglichkeit, das Gesundheitsministerium zu kontaktieren, das eigens eine Hotline eingerichtet habe. Es gebe außerdem die Möglichkeit, die Ansprüche vor Gericht durchzusetzen. Dass es hierfür keine Präzedenzfälle gebe, liege nach Auskunft eines unabhängigen Experten daran, dass Beschwerden beigelegt würden, bevor es zu einem entsprechenden Verfahren komme (Botschaftsauskunft vom 17. Januar 2007 an das VG Schleswig). Die Behauptung des Klägers, diese Ansprüche bestünden lediglich auf dem Papier und seien praktisch nicht realisierbar, ist im Wesentlichen unbelegt geblieben. Nach den Erkenntnissen der Deutschen Botschaft (z.B. Auskünfte vom 17. Januar 2007 und vom 16. August 2007, a.a.O.) wird armenischen Staatsangehörigen die ihnen zustehende unentgeltliche Behandlung auch gewährt. Diese Angaben beruhen auf den Auskünften verschiedener armenischer Ärzte. Den befragten Ärzten sind dabei keine Fälle bekannt, in denen für eine unentgeltliche Behandlung ein Entgelt gefordert worden sei. Auch die in der klägerseits vorgelegten Auskunft von Fr. T... zitierte Ärztin hat die Vorenthaltung kostenfreier medizinischer Behandlungen bei Kindern unter 7 Jahren nicht bestätigt. Sollten für kostenfreie Leistungen dennoch Zahlungen gefordert werden, steht dem Kläger der Beschwerde- oder Rechtsweg offen (vgl. Auskunft vom 16. August 2007, a.a.O.).

Allerdings ist auch nach den eingeholten Auskünften davon auszugehen, dass der Kläger gegebenenfalls Zuzahlungen wird leisten müssen, insbesondere, soweit ein zur landesüblichen Therapie benötigtes Medikamente nicht in der NEDL-Liste aufgenommen und daher nicht zu ermäßigten Handelspreisen oder kostenfrei erhältlich ist. Aus dem Umstand, dass sich der chronisch erkrankte Kläger auf ungewisse Zeit einer Therapie unterziehen muss, folgt aber nicht zugleich, dass deshalb auch die im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu erstellende Prognose über die Finanzierbarkeit der privaten Zuzahlungen zur Therapie auf einen unbegrenzten Zeitraum zu erstrecken wäre. Dies hätte nämlich zur Voraussetzung, dass das Bundesamt und die Gerichte bei dem chronisch erkrankten Kläger von dem dauerhaften finanziellen Unvermögen der Familie ausgehen und bereits bei der Abschiebung das Misslingen der Reintegration zugrunde legen müssten. Weil § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aber nur den Schutz vor einer konkreten Verschlechterung des bestehenden Gesundheitszustands erfasst, ist es dem gegenüber ausreichend, aber auch erforderlich, zu prüfen, ob die behauptete konkrete Gefahr "alsbald", d.h. in einem angemessenen Zeitraum nach der Abschiebung eintreten wird (BVerwG, Urteil vom 15. November 1997 - 9 C 58/96 -, juris).

Gemessen hieran ist es nicht konkret absehbar, dass es der Mutter des Klägers verwehrt wäre, bei Rückkehr nach Armenien alleine oder im Zusammenwirken mit dem gleichfalls unterhaltsverpflichteten Vater des Kindes oder mit der in Armenien üblichen Verwandtschaftshilfe "alsbald" ein Einkommen zu erwirtschaften, das ausreichen wird, eventuell entstehende Zuzahlungen – soweit solche trotz der kostenfreie Heilfürsorge bis zum 7. Lebensjahr des Klägers anfielen – zu finanzieren. Sie hat bis zu ihrem 30. Lebensjahr in Armenien gelebt und ist mit den dortigen Verhältnissen vertraut. Mangels anderer Darlegungen ist daher auch davon auszugehen, dass sie dort auch über persönliche Bindungen zu Verwandten oder Freunden verfügt. Die Klägerin ist 40 Jahre alt und erwerbsfähig. Aus den sie betreffenden Attesten ergibt sich eine Arbeitsunfähigkeit nicht. Der Umstand, dass sie gesundheitliche Bedenken bisher nicht geltend gemacht und ihre Asthma-Erkrankung erst im Laufe des hiesigen Klageverfahrens wahrgenommen und sich hierüber sogar erstaunt gezeigt hat, spricht gegen eine aktuell bestehende krankheitsbedingte Belastbarkeitseinschränkungen. Überdies verfügt sie über gute Kenntnisse der deutschen Sprache, die sie in Armenien nutzbringend verwenden kann. Tatsache ist zudem, dass sich der Vater des Klägers bereits seit März 2007 wieder in Armenien aufhält, wobei die Deutsche Botschaft noch am 30. Januar 2008 persönlichen Kontakt zu ihm gehabt hat. Es ist daher davon auszugehen, dass es dem Vater des Klägers gelungen ist, zwischenzeitlich seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Gegenteiliges ist auch insoweit nicht vorgetragen. Die von der Mutter des Klägers erhobene Behauptung, der Vater werde für den Kläger nicht aufkommen und habe ihn sogar mit dem Tode bedroht, ist nicht glaubhaft. Diese Angaben finden in dem bisherigen Verlauf des Geschehens keinen Anhaltspunkt. Sie erscheinen vor allem verfahrenstaktisch motiviert und sind inhaltlich nicht nachvollziehbar in Anbetracht des Umstands, dass der Kläger erst während der Haft des Vaters geboren wurde und - wie sich aus den Wohnsitzmeldungen ergibt - zwischen dem Vater und dem Kläger auch nach dessen Haftentlassung bis zu dessen erneuter Ingewahrsamnahme allenfalls ein kurzzeitiger persönlicher Kontakt bestanden haben kann. Zudem hat der Vater noch im Strafvollstreckungsverfahren geäußert, zum Familienunterhalt beitragen zu wollen. Die polizeiliche Anzeige einer telefonischen Bedrohung der Mutter des Klägers durch ihren im Ausland befindlichen Ehemann gebietet eine andere Beurteilung der Lage nicht; sie beruht nämlich nur auf ihrer eigenen Aussage.

Hinzu tritt, dass aufgrund der Kostenübernahmeerklärung der Ausländerbehörde für zwei Jahre davon auszugehen ist, dass für eine Phase der Reintegration fällige Zuzahlungen gesichert sind (s. auch z.B. VG Düsseldorf, Urteil vom 14. Januar 2004 – 11 K 6011/02.A -, VG Göttingen, Urteil vom 5. Juni 2003 - 2 A 35/03 -, beide in juris). Die Behauptung, die Kostenzusage sei in ihrer Höhe unzureichend, lässt außer Betracht, dass diese sich an den im Bundesgebiet zu erbringenden Kosten der Medikation orientiert, die in Armenien wesentlich niedriger sind. Sonstige Behandlungskosten fallen bei dem Kläger als Kind unter 7 Jahren nach der o.g. Auskunftslage nicht an. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass die Botschaft erforderlichenfalls die ärztliche Betreuung ab Einreise durch einen Facharzt sicherstellt. Zudem schließen die eingeholten Auskünfte nicht aus, dass die Ausländerbehörde für die erste Zeit bis zur Umstellung der Therapie in Armenien dem Kläger die benötigten Medikamente mitgibt oder zukommen lässt (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23. Februar 2003 an das VG Koblenz, Gz. RK 580. 80 I). Die Ausführungen unter Nr. 1c der Botschaftsauskunft vom 5. Oktober 2009 stehen dem nicht entgegen, weil sich die dort getroffene Feststellungen nur auf die dauerhafte Einfuhr und auf nicht registrierte Medikamente bezieht. Hiervon nicht betroffen sind nach der Botschaftsauskunft aber die übergangsweise Mitgabe und die unter Nr. 1b) genannten, in Armenien zugelassenen analogen Präparate. Innerhalb der durch die ausländerbehördliche Finanzierungszusage umfassten zwei Jahren verbleibt aber hinreichend Zeit, den Kläger zur therapeutischen Neueinstellung ärztlich vorzustellen, die Ansprüche auf kostenfreie Heilbehandlung geltend zu machen und eventuelle flankierende soziale Hilfen, wie etwa die in der Botschaftsauskunft vom 5. Oktober 2009 erwähnte Familienbeihilfe und das Familiengeld nach dem Gesetz über staatliche Beihilfen geltend zu machen, und eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Im Übrigen ist davon ausgehen, dass das wirtschaftliche Existenzminimum in Armenien grundsätzlich gesichert ist. Rückkehrer haben gute Aussichten auf dem Arbeitsmarkt und überdurchschnittliche Chancen, eine Beschäftigung zu finden (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11. August 2009, Nr. IV.I, vgl. auch OVG RP, Urteil vom 5. November 1996 - 11 A 11311/96.OVG -; Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 6. Juni 2003 an das OVG MV / Gz. 508-516.80/40786). Nach der Zusage der Übernahme der Medikamentenkosten durch die Ausländerbehörde ist aber auch davon auszugehen, dass der Kläger und seine übrigen Familienangehörigen als Rückkehrer aus Deutschland wirtschaftlich sogar besser gestellt sein werden wie andere Familien in Armenien. [...]