Ausländer aus der Dem. Rep. Kongo geraten bei einer Rückkehr in den Raum Kinshasa aufgrund der dortigen schlechten Lebensbedingungen (allgemeine und medizinische Versorgungslage) auch im Hinblick auf eine ihnen drohende Malariaerkrankung nach derzeitiger Erkenntnislage nicht generell in eine extreme Gefahrenlage, welche die Gewährung von Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG rechtfertigte; dies gilt auch für (Klein-)Kinder mit familiärem Rückhalt, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind und deswegen (noch) keine Semi-Immunität gegen Malaria erworben haben (im Anschluss an die Entscheidungen des Gerichtshofs vom 13.11.2002 - A 6 S 967/01 [M3162] - und 24.7.2003 - A 6 S 971/01 -).
(Amtlicher Leitsatz)
[...]
Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) liegt bei der Klägerin hinsichtlich der D.R. Kongo kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für ihn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dies kann bei der Klägerin nicht festgestellt werden, da sie sich nicht auf individuelle, gerade ihr drohende Gefahren, sondern lediglich auf solche beruft, denen die dortige Bevölkerung bzw. die Bevölkerungsgruppe, der sie angehört, allgemein ausgesetzt ist, und insoweit die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG eingreift. So begehrt die Klägerin Abschiebungsschutz im Hinblick auf die typischen Folgen der schlechten wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen in der D.R. Kongo (mangelhafte Versorgungslage, unzureichendes Gesundheitssystem, Arbeitslosigkeit) wie Unterernährung, Krankheit und Tod. Derartige Gefahren sind indessen bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Insofern soll Raum sein für ausländerpolitische Entscheidungen, was die Anwendbarkeit von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG selbst dann grundsätzlich sperrt, wenn solche Gefahren den einzelnen Ausländer zugleich in konkreter und individualisierbarer Weise betreffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324). [...] Insofern kann schließlich dahinstehen, ob als maßgebliche Bevölkerungsgruppe, der diese Gefahren generell mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohten, (Klein-)Kinder bis zum Erreichen eines bestimmten ähnlichen Alters in der D.R. Kongo insgesamt oder lediglich die in Europa geborenen und zumindest in den ersten Lebensjahren dort aufgewachsenen (Klein-)Kinder anzusehen sind. Im erstgenannten Fall ergäbe sich die grundsätzlich jedem (Klein-)Kind aus der Gruppe drohende erhebliche Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG aus statistischen Erkenntnissen. Die von der Klägerin angenommene Verstärkung dieser Gefahr für aus Europa zurückkehrende (Klein-)Kinder änderte an der Sperrwirkung nichts, da es sich auch insoweit nur um typische Auswirkungen einer allgemeinen Gefahr handelte (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.12.1998, a.a.O., BVerwGE 108, 77 82 f.>). Würde hingegen allein auf die Gruppe der aus Europa zurückkehrenden kongolesischen (Klein-)Kinder abgestellt, drohte diesen ebenfalls eine allgemeine Gefahr wegen der dortigen schlechten Lebensverhältnisse. Welche Folgerungen daraus für sämtliche in Deutschland geborenen (Klein-)Kinder kongolesischer Staatsangehörigkeit zu ziehen wären, bedürfte gleichfalls einer politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Soweit die Klägerin geltend macht, einer Bevölkerungsgruppe in der D.R. Kongo schon deshalb nicht anzugehören, weil sie in Deutschland geboren sei, geht dies fehl. § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zielt auf Gefahren, welche der Ausländer, würde er in den betreffenden Staat abgeschoben, dort ausgesetzt wäre; insofern gehörte die Klägerin dann aber ersichtlich der Bevölkerungsgruppe der (aus Europa zurückgekehrten) kongolesischen Kinder an. [...]
Entgegen der vom Bayerischen Verwaltungsgericht München (vgl. Urt. v. 29.03.2007 - M 21 K 04.50084 u.a. -, Urt. v. 17.02.2004 - M 21 K 02.51921 -) vertretenen Auffassung genügen diese Anforderungen auch dem verfassungsrechtlich unabdingbar gebotenen Schutz insbesondere von Kindern. Die gegenteilige Auffassung übersieht, dass es allein um den Schutz vor Gefährdungen geht, die im Ausland eintreten und auf die der deutsche Staat naturgemäß keinen Einfluss nehmen kann. Insofern gelten aber nicht dieselben grundrechtlichen Schutzstandards wie bei Gefahren im Inland (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.11.2002 - A 6 S 967/01 -). Insbesondere gelten auch aufgrund der Bestimmungen, aus denen sich eine staatliche Verantwortung für das Kindeswohl ergibt, keine anderen, weitergehenden Maßstäbe. Eine verfassungsrechtliche Verantwortung hat der deutsche Staat hinsichtlich auslandsbezogener Gefahrenlagen nur in Art. 16a Abs. 1 GG übernommen, der einen Anspruch auf Schutz vor politischer Verfolgung normiert. Ansonsten ist verfassungsrechtlich hinsichtlich auslandsbezogener Gefährdungen (lediglich) die Wahrung eines "menschenrechtlichen Mindeststandards" als "unabdingbarer Grundsatz der deutschen verfassungsrechtlichen Ordnung" geboten. Mit Blick auf Gefahren für Leib und Leben hat auch das Bundesverfassungsgericht die Voraussetzungen eines solchen zwingenden Schutzes unter Berufung auf Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nur für Fälle bejaht, in denen "greifbare Anhaltspunkte" bzw. "echte Risiken" dafür bestehen, dass der Ausländer im Zielstaat einer grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterliegen oder in unmittelbarem Zusammenhang mit der Abschiebung Opfer eines Verbrechens werden wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.03.1987 - 2 BvM 2/86 -, BVerfGE 75, 1, 16 f.; BVerfG, Urt. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/, 2 BvR 2315/93 -., BVerfGE 93 94, 49, 99; BVerfG, Kammerbeschl. v. 03. 04. 1992 - 2 BvR 1837/91 -, NVwZ 1992, 660, v. 22.06.1992 - 2 BvR 1901/91 - u.v. 31.05.1994 - 2 BvR 1193/93 -, NJW 1994, 2883; auch BVerwG, Urt. v. 12.07.2001 - 1 C 2.01 -, BVerwGE 114, 379, 382, Urt. v. 24.05.2000 - 9 C 34.99 -, 111, 223, 228 ff. m.w.N.). Mit der Beschränkung des Abschiebungsschutzes auf die Gefahr des Eintritts des "Todes und schwerster Verletzungen" wird mithin hinsichtlich der Intensität der Gefährdung zutreffend der Kern des menschenrechtlich zwingend gebotenen Schutzes von Leib und Leben bezeichnet.
Die weitere Einschränkung, dass die drohende Rechtsgutverletzung darüber hinaus in unmittelbarem (zeitlichem) Zusammenhang mit der Abschiebung stehen muss und ihr Eintritt mit hoher, nicht nur beachtlicher Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden kann ("sehenden Auges"; vgl. BVerwG, Urt. v. 19.11.1996 - 1 C 6.95 -, BVerwGE 102, 249 259>; Urt. v. 12.07.2001 - 1 C 5.01 -, a.a.O., S. 9 f.; auch Beschl. v. 26.01.1999 - 9 B 617.98 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 14), ist schließlich geboten, um den verfassungsrechtlich zwingend gebotenen Abschiebungsschutz auf solche Gefahren für Leib und Leben zu begrenzen, die noch in einem Zurechnungszusammenhang mit der Abschiebung stehen, und auch, um die ausländerpolitische Handlungsfreiheit des deutschen Staates zu wahren (vgl. zur Bedeutung außenpolitischer Aspekte bei der Bestimmung des für den "menschenrechtlichen Mindeststandard" maßgeblichen Grades der Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts BVerfG, Kammerbeschl. v. 22.6.1992 - 2 BvR 1901/91 -). Eine grundrechtliche Mitverantwortung des deutschen Staates für auslandsbezogene Sachverhalte kommt - abgesehen von Art. 16a GG - nur insoweit in Betracht, als sie dem deutschen staatlichen Handeln noch zugerechnet werden können [...]
Allenfalls dann, wenn sich die komplexe allgemeine Gefahrenlage für den einzelnen Ausländer so zuspitzt, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit und unausweichlich bald nach der Abschiebung zur Rechtsgutverletzung kommen wird, kann von einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Abschiebung die Rede sein, der dem Fall vergleichbar ist, dass der Ausländer gezielt gegen ihn gerichtetem Handeln ausgesetzt würde.
Eine Extremgefahr infolge der schlechten Lebensbedingungen in der D.R. Kongo lässt sich vor diesem Hintergrund für die Klägerin nicht feststellen. Sie lässt sich insbesondere nicht schon aus den - zudem gegenüber 2000 weiter rückläufigen - einschlägigen statistischen Sterberaten der Weltgesundheitsorganisation (vgl. World Health Statistics 2009, S. 37) für Kinder unter fünf Jahren (161/1.000 Lebendgeburten) bzw. Erwachsene (zwischen 15 und 60 Jahren, 357/1.000) herleiten, da diese lediglich belegen, dass die allgemeinen Lebensverhältnisse in einem Land sehr schlecht sind. Dies ist umso weniger gerechtfertigt, als die Sterberaten auf den Gesamtstaat bezogen sind, sich die Situation in den Städten, namentlich in Kinshasa, jedoch besser darstellt (vgl. AA, Bericht v. 14.05.2009). Die Einzelfallprognose, dass sich diese Situation für den einzelnen Ausländer im Sinne einer Extremgefahr für Leib und Leben zuspitzt, kann jedoch in aller Regel nicht allein auf rein statistische Aussagen gestützt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.11.1996, a.a.O.; Beschl. v. 23.03.1999, a.a.O.). [...]
Jene Voraussetzungen einer extremen Gefahrenlage liegen im Falle der Klägerin weder im Hinblick auf die allgemeine Versorgungslage noch im Hinblick auf das Gesundheitswesen in der D.R. Kongo vor. Maßgeblich sind insoweit allein die (relativ günstigeren) Verhältnisse im Raum Kinshasa, wohin allein Abschiebungen vorgenommen werden und wo die Mutter der Klägerin auch zuletzt wohnhaft war. Auf die besonders schwierigen Verhältnisse in den vor allem seit August 2007 durch bürgerkriegsähnliche Zustände gekennzeichneten Ostprovinzen Nord- und Südkivu kommt es daher nicht an. [...]
Die von der WHO für die hohe Kindersterblichkeit angegebenen Ursachen lassen nicht erkennen, dass zurückkehrende (Klein-)Kinder nach einer Abschiebung alsbald den Hungertod oder sonstige schwerwiegende Folgen von Mangelerscheinungen erleiden könnten (vgl. Mortality Country Fact Sheet 2006: sonstige <Ursachen insgesamt> 6 %; WHO, World Health Statistics, 2009, S. 49: sonstige <Ursachen insgesamt> 14, 6 %). Die Versorgungslage in Kinshasa stellt sich vielmehr auch heute nach dem neuesten Bericht des Auswärtigen Amts vom 14.05.2009 über die asyl- und abschieberelevante Lage in der D.R. Kongo nicht grundsätzlich anders dar, als sie seinerzeit vom erkennenden Gerichtshof in seinen Urteilen vom 13.11.2002 und 24.07.2003 festgestellt worden war; auf die dortigen Ausführungen kann insoweit Bezug genommen werden. Nach wie vor wird die Versorgung mit Lebensmitteln für die Bevölkerung in der D.R. Kongo als schwierig bezeichnet; eine akute Unterversorgung besteht gleichwohl unverändert nicht, wenngleich das Auswärtige Amt nun davon ausgeht, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung am Rande des Existenzminimums lebt, und es auch innerhalb der Großfamilie nicht immer gelingt, Härten durch wechselseitige Unterstützung aufzufangen (vgl. hierzu allerdings UNHCR, Stellungnahme v. 22.04.2002 an VG Gelsenkirchen: Engpässe können nicht mehr aufgefangen werden). [...] Allerdings hängt die Sicherung der Existenzgrundlage inzwischen mehr denn je davon ab (vgl. AA, Berichte v. 01.02.2008 u. 14.05.2009), dass Rückkehrer vor Ort Unterstützung durch ihre (Groß-)Familien oder den nach wie vor dort tätigen Nichtregierungsorganisationen bzw. kirchlichen Institutionen (vgl. zu den Volkskantinen Auswärtiges Amt, Auskunft v. 16.06.2002 an BayVG München) erfahren, weil sie sich ansonsten mangels staatlicher Hilfe (Aufnahmeeinrichtungen, Wohnraum, Sozialhilfe) als "schwierig bis unmöglich" gestaltete. Insofern könnten insbesondere Minderjährige - wie die Klägerin - ihre Versorgung nicht alleine sicherstellen. Bei der vorliegend anzustellenden Gefahrenprognose ist jedoch von einer (hier nur in Betracht kommenden) Abschiebung in Begleitung ihrer Mutter auszugehen (vgl. OVG NW, Beschl. v. 03.02.2006 - 4 A 3132/04.A -; auch BVerwG, Urt. v. 16.08.1993 - 9 C 7.93 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 163), sodass daraus - ungeachtet einer möglichen anderweitigen Unterstützung elternloser Kinder - jedenfalls noch kein Abschiebungsverbot folgt. Der Senat verkennt nicht, dass gegenseitiger Beistand aufgrund knapper gewordenen Ressourcen heute nicht mehr denselben Stellenwert wie früher haben mag (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, D.R. Kongo - Update - v. 06.08.2006) und Rückkehrer nach langer Auslandsabwesenheit mglw. nicht mehr ohne weiteres auf die Hilfeleistung Dritter, auch der erweiterten Familie, zurückgreifen können (vgl. Junghanss, Gutachten v. 09.02.2001 an VGH Bad.-Württ.). Eine solche kann allerdings nicht bereits mit der Erwägung in Frage gestellt werden, dass jedenfalls eine mehrköpfige Familie nicht unterstützt werden könnte. Dabei würde übersehen, dass es um gegenseitige bzw. wechselseitige (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage v. 14.05.2009) Unterstützung im Familienverband, zunächst im Wesentlichen um vorübergehende Hilfe zur Selbsthilfe durch die im Heimatland verbliebenen Familienmitglieder bei der Unterbringung, bei der Übernahme von Beschäftigungen im informellen Sektor sowie bei der Kinderbetreuung und nicht etwa um andauernde einseitige Unterstützung durch die im Heimatland Verbliebenen geht.
Ausgehend von diesen Feststellungen fehlt indes die Grundlage für die Prognose, gerade die Klägerin werde mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach ihrer Einreise in die D.R. Kongo der notwendigen Lebensgrundlage entbehren. Besondere auf eine entsprechende Gefährdung führende Umstände bzw. Risikofaktoren liegen bei ihr nicht vor. Insbesondere fehlt es nicht an jedem familiären Rückhalt in Kinshasa. Zwar will ihre Mutter keinerlei Kontakt mehr zu ihren zahlreichen Verwandten in Kinshasa haben, doch ist nicht zu erkennen, träfe ihre Behauptung zu, warum diese im Falle einer Rückkehr nicht wieder hergestellt werden könnten. Im Übrigen erscheint es in hohem Maße unwahrscheinlich, dass sie in der dortigen Region ansonsten keine weiteren, wenn auch entfernteren Verwandten mehr haben sollte (vgl. hierzu AA, Auskunft v. 16.06.2002 an BayVG München). Schließlich lebt auch ihr Vater wieder in Kinshasa, so dass sie mit der Unterstützung durch beide Elternteile rechnen kann (kritisch insoweit VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 20.20.2009 - 13 S 1887/09 -). Warum die Klägerin bzw. ihre Familie die erforderliche Unterstützung im oben verstandenen Sinne - durch Verwandte ihrer Eltern - entbehren sollte, obwohl ihre Mutter vor ihrer Ausreise bei ihrem Onkel hatte unterkommen können, vermag der Senat nicht zu erkennen. Kann ihre Mutter sonach mit einer Unterstützung bei der Kinderbetreuung rechnen, dürfte sie als gelernte und auch als solche tätige Schneiderin (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 04.02.2002 - 1 L 3320/00 - zur Qualifikation als Fliesenleger) grundsätzlich Zugang zum informellen Sektor finden und sich die in Kinshasa üblichen "Überlebensstrategien" nutzbar machen können. Anders mag es sich bei alleinstehenden Frauen mit minderjährigen Kindern darstellen (vgl. hierzu UNHCR, Stellungnahme v. 22.04.2002 an VG Gelsenkirchen), da sich diese dann vorrangig selbst um ihre Kinder kümmern müssten. [...]
Auch dafür, dass Rückkehrern bei ihrer Einreise die Ersparnisse abgenommen würden, lassen sich den dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen keine Hinweise entnehmen. So wussten Rückkehrer bei einer nachträglichen Befragung von keinen staatlichen Repressionen im Zusammenhang mit ihrer Wiedereinreise zu berichten (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage v. 14.05.2009). Auch dürfte es Rückkehrern möglich und zumutbar sein, Geldmittel ggf. in die D.R. Kongo zu überweisen. [...]
Das im Hinblick auf wahrscheinliche Erkrankungen voraussichtlich in Anspruch zu nehmende Gesundheitswesen (vgl. hierzu IZAM, D.R. Kongo - Gesundheitswesen -, 2006; Schweizerisches BAFl, Focus: D.R. Kongo - Medizin. Infrastruktur und Behandlung in Kinshasa -, 05.10.2001) steht nach Einschätzung im neuesten Lagebericht vom 14.05.2009 nach wie vor in einem sehr schlechten Zustand; zwar spricht das Auswärtige Amt selbst nicht mehr von einem "katastrophalen" bzw. "äußerst schlechten" Zustand, allerdings ist nunmehr von einer "völlig unzureichenden" Hygiene in den Krankenhäusern die Rede. Auch kann der Großteil der Bevölkerung weiterhin nicht hinreichend versorgt werden, wobei sich der Zugang zur medizinischen Versorgung in den - hier freilich nicht interessierenden - entlegenen Regionen im Landesinnern seit 2005 noch verschlechtert hat. Jedoch wird die Gesundheitsversorgung in einer Studie von Oktober 2005, die der Einschätzung der Botschaft entsprechen soll, im ganzen Land als katastrophal bezeichnet. Insofern dürfte sich an der medizinischen Versorgungslage im Wesentlichen nichts geändert haben (vgl. auch Junghanss, Ergänzungsgutachten v. 17.01.2010, S. 9). Von einer wesentlichen Verschlechterung dürfte freilich im Hinblick auf die gegenüber 2000 rückläufige Sterberate ebenso wenig auszugehen sein. Weiterhin existiert kein Krankenversicherungssystem und zahlen in der Regel die Arbeitgeber die Behandlungskosten. Verlässliche aktuelle Statistiken zu Armut und Arbeitslosigkeit gibt es zwar nicht, doch ist davon ausgehen, dass ein Großteil der Bevölkerung (ca. 90 %) im informellen Sektor oder in der Subsistenzwirtschaft beschäftigt ist (vgl. auch www.auswaertiges-amt.de; www.kongo-kinshasa.de). Insofern müssen die Behandlungskosten weiterhin regelmäßig unter erheblichen Anstrengungen von den Betroffenen selbst bzw. der Großfamilie aufgebracht werden. Das Fehlen jeglicher finanzieller Mittel und fehlende familiäre Bindungen erhöhen daher weiterhin das gesundheitliche Risiko (vgl. amnesty international, Stellungnahme v. 12.02.2001 an BayVG München). Davon, dass eine ärztliche Erstversorgung auch mittellosen Patienten gewährt wird, die keine Unterstützung durch die eigene Familie erlangen können, und ggf. auch die Möglichkeit der Kostenübernahme durch kirchliche oder sonstige karitativ tätige Organisationen besteht - 70% der Gesundheitszentren in Kinshasa gehören den Kirchen - kann nach wie vor ausgegangen werden (vgl. IZAM, a.a.O., sowie Schweizer. BAFl., a.a.O.).
Das Gesundheitsrisiko wird dabei wesentlich von dem jeweiligen sozialen Milieu bzw. den Wohnverhältnissen (normales Wohnviertel oder Slumviertel in Kinshasa oder in anderen Landesteilen) mitbestimmt (vgl. Ochel, Gutachten v. 27.06.2002 vor VG Frankfurt/M., S. 11 f.), insbesondere davon, inwieweit Zugang zum Trinkwasser und ein Anschluss an eine Abwasserkanalisation besteht. Ohne entsprechenden Zugang bzw. Anschluss erhöht sich das Risiko einer Malariainfektion und von Durchfallerkrankungen beträchtlich (vgl. Ochel, a.a.O., S. 3, 7 und 11; auch Institut für Afrika-Kunde vom 19.3.2002 an VG München). Nach Schätzungen eines Mitarbeiters der Abteilung für Sozialwesen der Universität Kinshasa (UNIKIN) sollen zwar nur etwa 60 % der Haushalte in Kinshasa direkten Zugang zum Trinkwasser haben und lediglich 10 der Haushalte an eine Abwasserkanalisation angeschlossen sein. Doch haben die meisten Haushalte - auch in den eher ländlichen Stadtteilen - immerhin noch "leichten" Zugang zum Trinkwasser, d.h. eine Trinkwasserquelle ist fußläufig in weniger als 15 Minuten zu erreichen (vgl. AA, Auskunft v. 14.04.2005 an OVG NW). Nach den Erhebungen der Weltgesundheitsorganisation hatten im Jahre 2006 gar 82 % der städtischen Bevölkerung Zugang zu verbesserten Trinkwasserquellen (vgl. World Health Statistics 2009, S. 84) und immerhin 42 % Zugang zu einer verbesserten Abwasser-/Abfallbeseitigung. Die Qualität der konkret verfügbaren Wohnung hängt dabei nicht zuletzt von der Finanzkraft der Wohnungssuchenden ab, wobei es für eine nach mehrjährigem Auslandsaufenthalt zurückkehrende Familie jedenfalls hilfreich sein wird, wenn bereits Familienangehörige oder Freunde bzw. Bekannte in Kinshasa wohnen.
Von einiger Bedeutung für das Ausmaß der gesundheitlichen Gefährdung ist schließlich das Lebensalter. Insofern besteht ein erhöhtes Risiko bei Kindern, insbesondere von solchen unter fünf Jahren (vgl. Institut für Afrika-Kunde, Stellungnahme v. 19.03.2002 an BayVG München; Deutsche Botschaft Kinshasa, Auskunft v. 09.02.2001 an Nds.OVG). [...]
Ausgehend von diesen Feststellungen kann für die Klägerin gleichwohl nicht von einer "Extremgefahr" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausgegangen werden. Dass sie nach Einreise in die D.R. Kongo mangels jeglicher familiärer Unterstützung oder finanzieller Mittel in gegenüber dem Durchschnitt der Bevölkerung Kinshasas hygienisch problematischeren Wohnverhältnissen - etwa in einem Slumviertel - leben müsste und von der gesundheitlichen Versorgung ausgeschlossen wäre, lässt sich nicht feststellen. Vielmehr dürfte es ihrer Mutter schon mit Rücksicht auf den wieder in Kinshasa lebenden Vater der Klägerin und ihrer anderweitigen Verbindungen gelingen, mit ihren Kindern zumindest in einer Wohnung mit "leichtem" Zugang zum Trinkwasser unterzukommen, mag diese mglw. auch über keinen Anschluss an die öffentliche Abwasserkanalisation verfügen.
Allerdings ist bei der Klägerin auch im Hinblick auf eine ihr in der D.R. Kongo drohende Malariaerkrankung von einer erheblich gesteigerten Gefährdung auszugehen. [...]
Davon, dass eine Malaria-Erkrankung gerade bei Rückkehrern nicht adäquat behandelt würde, weil in den Gesundheitseinrichtungen irrig davon ausgegangen würde, die Betroffenen verfügten über eine "Semi"-Immunität, kann schließlich nicht ausgegangen werden. Abgesehen davon, dass dieser Gesichtspunkt schon deshalb von nur eingeschränktem Gewicht wäre, weil Diagnose und Therapie einer Malaria in der D.R. Kongo ohnehin als "komplett inadäquat" anzusehen sind (vgl. Junghanss, Niederschrift, a.a.O., S. 4; anders wohl Dietrich, a.a.O., und Ochel, a.a.O.), ist es Rückkehrern zumutbar, offen zu legen, sich längere Zeit im Ausland aufgehalten zu haben und daher möglicherweise nicht mehr über den Schutz einer "Semi"-Immunität zu verfügen; da hiervon das Überleben abhängen kann, steht dem nicht entgegen, dass die behandelnden Ärzte den Rückkehrer dann möglicherweise als vermögend ansehen (vgl. dazu Ochel, a.a.O., S. 15; zur Obliegenheit des Ausländers, drohende Gefahren durch zumutbares eigenes Verhalten abzuwenden BVerwG, Urt, v. 02.09.1997 - 9 C 40.96 - , BVerwGE 105, 187 194>). [...]
Danach kann aber auch bei der Klägerin ungeachtet dessen, dass sie sich mit 4 3/4 Jahren gerade noch im Kleinkindalter befindet, zunächst nicht davon ausgegangen werden, gerade sie werde im Falle ihrer Abschiebung alsbald mit hoher Wahrscheinlichkeit an Malaria sterben. [...] Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass sie malariabedingt zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit schwerste Verletzungen erleiden würde. Zwar verkennt auch der Senat nicht, dass auch die nicht "semi"-immune Klägerin durchaus innerhalb der ersten Wochen ihres Aufenthalts in der D.R. Kongo mit einer mglw. sogar schweren Malaria rechnen muss (vgl. Junghanss, Niederschrift, a.a.O., S. 6; ebenso Dietrich, S. 2; Swiss Tropical Institute, a.a.O.), welche ggf. auch bleibende Schäden zur Folge haben kann; insofern kann durchaus ein Stich genügen. Indessen liegt das Risiko von Spätschäden infolge einer schweren Malaria lediglich bei etwa 10 bis 20 %, wobei es sich keineswegs stets um schwerwiegende Schäden wie etwa Erblindung und Lähmung handelt, zumal wenn man berücksichtigt, dass in einem Malaria-Gebiet jedes Kind einmal eine schwere Malaria durchmacht (vgl. Junghanss, Niederschrift, a.a.O., S. 5 u. 7). Sollte der nachträgliche Aufbau einer stabilen "Semi"-Immunität nicht zu erreichen sein, könnte dies zwar mglw. zur Folge haben, dass die Betroffenen weiterhin und immer wieder mit schweren Malariaerkrankungen zu rechnen hätten, doch kann davon, sollte darin eine schwerste Verletzung zu sehen sein, jedenfalls nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden, nachdem hierzu keine Erkenntnisse vorliegen und teilweise ohne weiteres von einem nachträglichen (Wieder-)Aufbau einer (stabilen) "Semi"-Immunität ausgegangen wird (vgl. Ochel, a.a.O., S. 4 und 8 f.; Dietrich, a.a.O., S. 2; zweifelnd lediglich Junghanss, Gutachten v. 09.02.2001, S. 10, Niederschrift, a.a.O., S. 5, Ergänzungsgutachten v. 17.01.2010, S. 11). [...]