VG Braunschweig

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Zitieren als:
VG Braunschweig, Urteil vom 14.01.2010 - 7 A 147/08 - asyl.net: M16647
https://www.asyl.net/rsdb/M16647
Leitsatz:

Kein Widerruf der Flüchtlingsanerkennung, da auf absehbare Zeit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine erneute Verfolgung des Klägers in der Elfenbeinküste ausgeschlossen werden kann.

Schlagwörter: Widerrufsverfahren, Widerruf, Côte D'Ivoire
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Folgt man diesen Grundsätzen, ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig. Zwar geht das Gericht mit dem VG Oldenburg (Urt. vom 18.06.2008 - 7 A 248/08 -, juris) davon aus, dass sich die Lage in der Elfenbeinküste langsam stabilisiert (a.a.O. Rn. 31, 32). Für die hier zu treffende Prognoseentscheidung, dass sich die Verfolgung des vorverfolgt ausgereisten Klägers auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, reicht die Erkenntnismittellage derzeit indes nicht. So hat auch die von der Beklagten in Bezug genommene Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 19.01.2007 ausgeführt, dass Aktivisten, Mitglieder oder Sympathisanten der RDR weiterhin von Drohungen oder gewalttätigen Aktionen durch staatliche Sicherheitskräfte oder regierungsnahe Milizen gefährdet sein könnten. Die zunächst für Oktober 2005 angesetzten Präsidentschaftswahlen sind mittlerweile fünf Mal verschoben worden (Länderbericht der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. vom August 2009). Diese Wahlen bergen für die Hauptbeteiligten große Risiken. Die beiden Oppositionsparteien sind derzeit an der Regierung mit Ministerposten beteiligt und haben so zumindest Teil an der Macht und der Verteilung der Ressourcen. Sollte die Wahl erneut verschoben werden, könnte es zu massiven Protesten kommen (Konrad-Adenauer-Stiftung, a.a.O.). Die Vorbereitung der Wahlen wird bereits von Unregelmäßigkeiten behindert. Es werden auf beiden Seiten neue Waffen ins Land geschmuggelt, es gibt weiterhin Meinungsverschiedenheiten zwischen Gruppierungen innerhalb der Rebellenbewegung, von denen längst nicht alle mit dem Friedenskurs von Gauillaume Soro einverstanden sind. Für viele Akteure, besonders für Mitglieder der Rebellen und Pro-Regierungsmilizen hat sich die Schwebe zwischen Krieg und Frieden zu einem profitablen Zustand entwickelt, den es sich scheinbar zu erhalten lohnt. Darüber hinaus hat jeder der drei "großen" Präsidentschaftskandidaten (Laurent Gbagbo, Alassa Ouattara und Henri Konan Bedie) junge und gewaltbereite Unterstützer, die nach einer Wahlentscheidung nur schwerlich eine Niederlage des eigenen Favoriten akzeptieren werden. Die möglichen Szenarien für die Zukunft der Elfenbeinküste reichen von Demokratie und einer Rückkehr zum Frieden über eine kenianische Lösung der Machtteilung bis hin zu einem Rückfall in Gewalt und Bürgerkrieg (Konrad-Adenauer-Stiftung, Bürgerkrieg in Cote D'lvoire vom 18.11.2008, www.kas.de/wf-de71.6544/). Nach einem Bericht der AFP vom 12.03.2009 sind die Wahlen nunmehr zum sechsten Mal auf das Frühjahr 2010 verschoben. Angesichts dieser Lage geht das Gericht davon aus, dass die politische Zukunft der Elfenbeinküste, die Menschenrechtslage und damit auch die Prognose, dass eine Verfolgung des Klägers auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist, erst nach dem Ergebnis der Wahlen bzw. ihren Auswirkungen getroffen werden kann. [...]