VG Stuttgart

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Zitieren als:
VG Stuttgart, Urteil vom 25.01.2010 - 11 K 3543 - asyl.net: M16648
https://www.asyl.net/rsdb/M16648
Leitsatz:

1. Der Begriff des Terrorismus ist im Aufenthaltsgesetz nicht definiert. Auch an einer völkerrechtlich anerkannten Definition, aus der sich abschließend ergibt, welche Handlungen als terroristisch einzustufen sind, fehlt es bislang.

2. Dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus kommt eine rechtliche Bindungswirkung nicht zu.

3. Die Aufnahme einer Vereinigung in die EU-Terrorliste entbindet die Behörden und Gerichte nicht von einer eigenständigen Prüfung anhand der vorliegenden Erkenntnismittel, ob die betreffende Vereinigung zum maßgeblichen Zeitpunkt eine terroristische Organisation war.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Ausweisung, Aufenthaltsbeschränkung, Meldeauflage, türkischer Staatsangehöriger, PKK, CDK, Sektorverantwortlicher, Rädelsführer, kriminelle Vereinigung, Freiheitsstrafe, Exilpolitik, Verwurzelung, Integration, Achtung des Privatlebens, Verhältnismäßigkeit, Gemeinsamer Standpunkt des Rates der EU, terroristische Vereinigung, Funktionär, Sicherheit, freiheitliche demokratische Grundordnung, Wiederholungsgefahr, EU-Terrorliste, DVO (EU) Nr. 1285/2009
Normen: AufenthG § 53 Nr. 1, AufenthG § 54 Nr. 5, AufenthG § 54 Nr. 5a, AufenthG § 54 Nr. 7, ARB 1/80 Art. 6, EMRK Art. 8 Abs. 1, EMRK Art. 8 Abs. 2, AufenthG § 60 Abs. 5, AufenthG § 54a
Auszüge:

[...]

Der Begriff des Terrorismus ist im Aufenthaltsgesetz nicht definiert. Auch an einer völkerrechtlich anerkannten Definition, aus der sich abschließend ergibt, welche Handlungen als terroristisch einzustufen sind, fehlt es bislang (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - BVerwGE 132, 79). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist der Terrorismus die politisch motivierte Form der Gewaltkriminalität, die Androhung und Anwendung von Gewalt gegen staatliche oder gesellschaftliche Funktionsträger im Rahmen längerfristiger Strategien, um mit der Verbreitung von Furcht und Schrecken bestehende Herrschaftsverhältnisse zu erschüttern (vgl. VGH München, Beschluss v. 18.07.2006 - 19 C 06.1496 - juris - unter Verweis auf Brockhaus). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts werden als terroristisch jedenfalls der Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder Angriffe auf das Leben Unbeteiligter zur Verfolgung politischer Ziele angesehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 23/98 - BVerwGE 109, 12; Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114; Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - a.a.O. und Urt. v. . 30.04.2009 - 1 C 6/08 - a.a.O.). Auch aus der Sicht der Vereinten Nationen gehören jedenfalls Angriffe auf das Leben unschuldiger Menschen (d.h. solcher Personen, die sich weder als Kombattanten an einem bewaffneten Konflikt beteiligen noch als Repräsentanten eines staatlichen oder gesellschaftlichen Systems verstanden werden können) zum gesicherten Kernbereich der Verhaltensmodalitäten, die als terroristisch eingestuft werden müssen (vgl. VGH München, Urt. v. 21.10.2008 - 11 B 06.30084 - juris - m.w.N.). Auf Gemeinschaftsebene kann bei der Abgrenzung einer terroristischen von einer politischen Straftat zudem auf die Definition zurückgegriffen werden, auf die sich die Mitgliedstaaten im Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus geeinigt haben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - a.a.O.). Danach werden bestimmte vorsätzliche Handlungen (etwa Anschläge auf das Leben oder die körperliche Unversehrtheit einer Person) dadurch zu "terroristischen Handlungen", dass sie - erstens - durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen können und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert sind und sie - zweitens - mit dem Ziel begangen werden, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigter Weise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören (vgl. Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunkts vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2001/931/GASP - ABl EG Nr. L 344 v. 28.12.2001 S. 93).

In Anwendung dieser Grundsätze war die PKK jedenfalls in dem hier maßgeblichen Zeitraum 2005 und 2006 eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt hat. Diese Einschätzung wird in Bezug auf weiter zurückliegende Aktivitäten der PKK in der Rechtsprechung überwiegend geteilt (vgl. für den Zeitraum zwischen 1987 und 2005 BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 23/98 - BVerwGE 109, 12; Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114 und Beschl. v. 25.11.2008 - 10 C 46/07 - NVwZ 2009, 592; VGH München, Urt. v. 21.10.2008 - 11 B 06.30084 - juris -). Die PKK ist seit dem Jahr 2002 im Verzeichnis der Personen, Vereinigungen und Körperschaften im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus ("EU-Terrorliste") aufgeführt (vgl. Anhang zu Art. 1 Gemeinsamer Standpunkt 2002/340/GASP des Europäischen Rates vom 17.06.2002, ABl. EG Nr. L 160 S. 32). Hieran hat der Europäische Rat trotz der Beanstandung durch den EuGH (vgl. Urt. v. 18.01.2007 - C - 229/05 - juris -) festgehalten (vgl. Anhang zu Art. 1 Gemeinsamer Standpunkt 2009/1004/GASP des Europäischen Rates vom 22.12.2009, ABl. L 346 v. 23.12.2009, S. 58). Der Gemeinsame Standpunkt ist allerdings nur an die Mitgliedstaaten gerichtet; eine rechtliche Bindungswirkung kommt ihm nicht zu (vgl. VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 - juris -; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.03.2008 - 9 K 2513/05 - juris -). Hinzu kommt Folgendes: Die EU-Terrorliste wird von einem geheim tagenden Gremium des Ministerrats erstellt; eine unabhängige Beurteilung der Fälle auf der Grundlage gesicherter Beweise findet nicht statt (vgl. www.schattenblick.net/infopool/europool/recht/eurst047.html). Weiter sind die Kriterien, nach denen die Listen erstellt werden, undurchsichtig; die Einstufung hängt nicht selten von politischen, ökonomischen und militärischen Interessen ab (vgl. www.kriminologie.unihamburg.de/wiki/ index.php/ Terrorliste_der_EU). So wurden die iranischen Volksmudschaheddin im Jahre 2002 auf Druck des Iran in die EU-Terrorliste aufgenommen, um mit dem Iran lukrative Handelsbeziehungen aufzubauen und das iranische Regime zum Verzicht auf sein Atomprogramm zu bewegen (vgl. www.schattenblick.net/infopool europool/recht/eurst047.html). Andererseits ist die libanesische Hisbollah in der EU-Terrorliste nicht enthalten, obwohl das Europäische Parlament dies wegen nachgewiesener terroristischer Aktivitäten in einer Entschließung vom 08.03.2005 gefordert hat; der EU-Rat kam dieser Forderung gleichwohl aus politischen, diplomatischen und taktischen Gründen nicht nach (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 30.03.2009 - 11 K 18/09 m.w.N.). Schließlich fällt auf, dass die baskische Gruppierung ETA nicht mehr auf der aktuellen EU-Terrorliste erscheint, obwohl diese Organisation bekanntermaßen nach wie vor durch Bombenanschläge in Erscheinung tritt.

Die Aufnahme der PKK in die EU-Terrorliste besagt somit nur, dass die PKK nach Auffassung des Europäischen Rates auch noch gegenwärtig eine terroristische Organisation ist. Auch wenn einer solchen Feststellung nicht unerhebliches Gewicht zukommt, ist dieser Umstand gleichwohl nicht geeignet, eine eigenständige Prüfung seitens der Gerichte (und Behörden) anhand der vorliegenden Erkenntnismittel entbehrlich zu machen (vgl. VGH München, Beschluss v. 08.05.2009 - 19 CS 09.268 - juris -; VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 - juris -; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.03.2008 - 9 K 2513/05 - juris -).

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates vom 22.12.2009 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2009 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 501/2009 (ABl. L 346 v. 23.12.2009 S. 39). Zwar ist eine EG-Verordnung verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. An dieser Geltung nimmt auch die Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, die im Anhang zur Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 v. 22.12.2009 aufgeführt sind, teil. Die Verbindlichkeit der Einordnung der PKK als terroristische Bereinigung beschränkt sich aber auf die Maßnahmen, die nach der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 (ABl. L 344 v. 28.12.2001, S. 70) zu ergreifen sind. Ausländerrechtliche Maßnahmen wie beispielsweise die Ausweisung sind in dieser Verordnung indes nicht geregelt (vgl. VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 - juris -). Da die Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, die im Anhang zur Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 v. 22.12.2009 aufgeführt sind, mit der im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt 2009/1004/GASP des Rates vom 22.12.2009 (ABl. L 346 v. 23.12.2009, S. 58) enthaltenen Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften völlig identisch ist, gelten die oben dargelegten Widersprüchlichkeiten zum Inhalt der EU-Terrorliste gleichermaßen für die im Anhang zur Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 v. 22.12.2009 aufgeführte Liste. Auch im Hinblick auf die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 v. 22.12.2009 verbleibt es somit bei der Verpflichtung der Behörden und Gerichte, anhand der allgemeinen Erkenntnismittel eigenständig zu entscheiden, ob die betreffende Organisation im maßgeblichen Zeitraum eine terroristische Organisation war/ist.

Eine solche eigenständige Prüfung hat der Beklagte im angefochtenen Bescheid nicht vorgenommen. Auch die vom Beklagten zitierten Urteile anderer Kammern des VG Stuttgart (Urt. v. 11.09.2008 - 1 K 3165/07; Urt. v. 18.12.2009 - 2 K 210/09 und Urt. v. 16.12.2009 - 2 K 435/09) beschränken sich ausschließlich auf die Feststellung, dass die PKK in der EU-Terrorliste aufgeführt ist und enthalten keine eigenständige Prüfung anhand der zugänglichen Erkenntnisquellen; diese Entscheidungen können somit nicht überzeugen.

Die danach gebotene eigenständige Prüfung anhand der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass die PKK zu terroristischen Handlungen in dem maßgeblichen Zeitraum 2005 und 2006 angestiftet bzw. diese gefördert hat. Terroristische Handlungen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland durch die PKK im maßgeblichen Zeitraum 2005 und 2006 vermag das Gericht indes nicht festzustellen. Zwar kam es im Bundesgebiet zu Spendengelderpressungen und Bestrafungsaktionen durch die PKK auch in den Jahren 2005 und 2006 (vgl. die umfangreiche Darstellung im Urteil des OLG Frankfurt/Main vom 10.04.2008 - 5 - 2 StE 8/06 - 6 - 1/07). Diese Straftaten erfüllen jedoch eindeutig nicht die oben genannten Kriterien des Terrorismus. In den Jahren 2005 und 2006 hat die PKK aber nach langer Zeit wieder Bombenattentate gegen touristische Ziele in der Türkei verübt: am 16.07.2005 in Kusadasi mit 5 Todesopfern, am 02.04.2006 in Istanbul und bei einer Anschlagsserie am 27. und 28.08.2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, die drei Todesopfer und zahlreiche Verletzte forderte (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 11.01.2007 S. 21). Diese terroristischen Handlungen haben sich in der Folgezeit fortgesetzt. Am 22.05.2007 hat ein der PKK zugerechneter Bombenanschlag im Zentrum Ankaras zu mehreren Todesopfern und zahlreichen Verletzten unter der Zivilbevölkerung geführt (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 25.10.2007 S. 18). Bei einem der PKK zugerechneten Autobombenanschlag in Diyarbakir am 03.01.2008 wurden 7 Personen getötet und 67 weitere Personen zum Teil schwer verletzt. Daneben setzt die PKK auch Selbstmordattentäter ein. Bei einem solchen Anschlag im Stadtzentrum von Ankara starben am 22.05.2007 9 Personen, 88 weitere Personen wurden teilweise schwer verletzt. Schließlich hat die PKK am 08.07.2008 drei deutsche Staatsangehörige am Berg Ararat entführt (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 11.09.2008 S. 16). Bei diesen dargelegten Anschlägen und Übergriffen handelt es sich unzweifelhaft um Praktiken des Terrorismus. Auch wenn die politische Motivation und teilweise das militärische Vorgehen der PKK derjenigen einer Bürgerkriegspartei entspricht (vgl. schweiz. BVerwG, Urt. v. 17.10.2008 - E - 4286/2008/frk Ziff. 4.1), so steht gleichwohl aufgrund der dargelegten terroristischen Handlungen auf dem Gebiet der Türkei fest, dass die PKK im maßgeblichen Zeitraum 2005 und 2006 eine zumindest auch mit terroristischen Mitteln agierende Organisation war.

Dass die strafgerichtliche Rechtsprechung - wie auch im Falle des Klägers - die PKK (einschließlich ihrer Nachfolgeorganisationen), soweit sie im Bundesgebiet agiert, mit Blick auf ihre politisch-strategische Neuausrichtung nicht mehr als terroristische Vereinigung ansieht und sogar die Einordnung als kriminelle Vereinigung nur noch in Bezug auf den engeren Führungszirkel bejaht (vgl. BGH, Urt. v. 21.10.2004 - 3 StR 94/04 - NJW 2005, 80; KG Berlin, Urt. v. 23.01.2008 - 2 StE 6/07- 6 - juris -; OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 10.04.2008 - 5 - 2 StE 8/06 - 6 -1/07), ändert hieran nichts (a.A. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.03.2008 - 9 K 2513/05 - juris -). Denn § 54 Nr. 5 AufenthG stellt weniger strenge tatbestandliche Anforderungen an das Vorliegen einer terroristischen Vereinigung als die §§ 129 a, 129 b StGB (vgl. Discher in: GK-AufenthG II - § 54 RdNr. 462). Im Rahmen des § 54 Nr. 5 AufenthG ist zudem unerheblich, ob es sich um Terrorismus im Bundesgebiet oder im Ausland handelt (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 27.03.2008 - 11 LB 203/06 - InfAuslR 2009, 54).

Der Kläger hat der PKK von Juni 2005 bis August 2006 als führender Funktionär angehört. In dieser Zeit war er verantwortlicher Leiter des PKK-Sektors Süd in Deutschland. Als Sektorverantwortlicher hat der Kläger die typischen Leitungsaufgaben erledigt und die organisatorischen, finanziellen, persönlichen sowie propagandistischen Angelegenheiten in seinem Zuständigkeitsbereich geregelt. Den Weisungen der Mitglieder der Europaführung ist der Kläger pflichtgemäß und dem hierarchischen Aufbau der Organisation entsprechend nachgekommen. Als Verantwortlicher eines Sektors ist er über die Ziele der Partei und über deren interne Strukturen, Vorhaben und Arbeitsmethoden in Deutschland und Europa unterrichtet gewesen. Dies ist im Einzelnen im rechtskräftigen Urteil des OLG Frankfurt/Main vom 10.04.2008 - 5 - 2 StE 8/06 - 6 - 1/07 - dargelegt; zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf verwiesen. Der Kläger war somit über ein Jahr in die zentralistischautoritär geführte Organisation der PKK eingegliedert und hat sich mit deren Billigung bzw. nach deren Weisung für ihre Ziele und Interessen engagiert (vgl. Discher a.a.O., RdNr. 489). Gleichzeitig hat der Kläger die Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Insoweit reicht jede Tätigkeit aus, die sich in irgendeiner Weise positiv auf deren Aktionsmöglichkeiten auswirkt; ein darüber hinausgehender Nachweis, dass eine bestimmte terroristische Aktion konkret gefördert wird oder der eines messbaren Nutzens ist ebenso wenig erforderlich wie eine subjektive Vorwerfbarkeit (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114). [...]

Der Kläger erfüllt darüber hinaus auch den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 a AufenthG. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht.

Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst entsprechend der Legaldefinition des § 92 Abs. 3 Nr. 2 StGB die innere und äußere Sicherheit des Staates. Die hier allein betroffene innere Sicherheit beinhaltet Bestand und Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 31/98 - BVerwGE 109, 1). Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein. Bereits die Anwesenheit möglicher ausländischer Helfer terroristischer Gewalttäter beeinträchtigt die Fähigkeit des Staates, sich nach innen und nach außen gegen Angriffe und Störungen zur Wehr zu setzen und gefährdet damit seine Sicherheit (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114).

Für die Feststellung einer Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland reicht die bloße Zugehörigkeit zu einer Vereinigung, die ihrerseits wegen Gefährdung der inneren Sicherheit nach Art. 9 Abs. 2 GG oder § 14 Abs. 2 VereinsG verboten werden kann oder verboten ist, für sich genommen nicht aus; vielmehr muss sich bei einer Betätigung für einen Verein der vereinsrechtliche Verbotsgrund nach polizeirechtlichen Grundsätzen in der Person des Ausländers konkretisiert haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - a.a.O.). Dies schließt eine andere Beurteilung bei Vorliegen besonderer Umstände nicht aus. Derartige Umstände können sich im Einzelfall etwa aus der Art und der Gefährlichkeit der verbotenen Vereinigung ergeben, etwa im Fall eines besonders hartnäckigen Zuwiderhandelns gegen die Verbotsverfügung (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.01.2009 - 1 C 2/08 - NVwZ 2009, 727). Maßgebend ist ausschließlich das äußere tatsächliche, nach weltlichen Kriterien zu beurteilende Verhalten der Akteure, nicht aber deren weltanschauliche (oder religiöse) Überzeugung, die zu bewerten dem Staat aufgrund seiner Verpflichtung zur weltanschaulichen Neutralität verwehrt ist (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 08.10.2009 - 7 A 10165/09 - juris -; VGH München, Beschl. v. 17.07.2009 - 19 CS 08.2512 - juris -).

Bei Anlegung dieser Maßstäbe stellt die PKK nach wie vor eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar. Das Bundesministerium des Innern hat durch Verfügung vom 22.11.1993 festgestellt, dass die PKK und andere kurdische Vereinigungen und Institutionen u.a. die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Gleichzeitig wurden die Bildung von Ersatzorganisationen und die Fortführung bestehender Organisationen als Ersatzorganisationen verboten. Trotz dieses Verbotes ist die PKK im Bundesgebiet nach wie vor aktiv (vgl. im Einzelnen OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 10.04.2008 - 5 - 2 StE 8/06 - 6 - 1/07 S. 13 ff.). Die PKK wendet sich in Deutschland weiterhin gewalttätig gegen "Verräter" in den eigenen Reihen und schreckt nicht davor zurück, in Deutschland Parteiabweichler und sonstige "Verräter" zu verfolgen und zu töten (vgl. auch hierzu OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 10.04.2008 - 5 - 2 StE 8/06 - 6 - 1/07 S. 21 ff.). Durch dieses Verhalten maßt sich die PKK eine eigene Strafgewalt in Deutschland an und verletzt und gefährdet dadurch die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.07.1994 - 1 VR 10/93 - NVwZ 1995, 587 und Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 31/98 - BVerwGE 109, 1).

Der Kläger ist auch persönlich als Gefahr für die Sicherheit des Staates anzusehen. Hierfür ist nicht notwendig die Teilnahme an terroristischen Bestrebungen erforderlich (a. A. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - a.a.O.). Vielmehr kann die Übernahme strukturell wesentlicher Funktionen innerhalb der die Sicherheit gefährdenden Organisation für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Staates genügen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 31/98 - BVerwGE 109, 1). Aufgrund seiner hochrangigen Funktionärstätigkeit im Zeitraum 2005 und 2006 trägt der Kläger eine qualifizierte Mitverantwortung an den kriminellen Aktivitäten der PKK in Deutschland. Mit seiner Tätigkeit als Sektorverantwortlicher für das Gebiet Süd in den Jahren 2005 und 2006 übte der Kläger ein für die Umsetzung der Ziele der PKK unerlässliche Funktion innerhalb der Organisation aus, ohne die es ihr nicht möglich wäre, ihre Aktionen in einer die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdenden Weise durchzuführen. Im vorliegenden Fall besteht auch noch eine gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers. Im Hinblick auf die hochrangige Funktionärstätigkeit des Klägers in der PKK und der sich hieraus ergebenden Identifizierung mit den Zielen und Zwecken dieser Vereinigung reicht für die Annahme einer fortbestehenden Gefahr aus, dass der Kläger sich von den kriminellen/terroristischen Handlungen der PKK bislang nicht distanziert hat (vgl. Discher a.a.O., RdNr. 606). [...]

Auch die vom Regierungspräsidium gegenüber dem Kläger nach § 54 a AufenthG getroffenen Überwachungsmaßnahmen sind rechtmäßig. Da es sich bei diesen Überwachungsmaßnahmen um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung handelt (vgl. VG München, Urt. v. 30.04.2008 - M 23 K 06.3252 - juris - ), müssen die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen.

Eine nach § 54 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erforderliche wirksame vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5 und Nr. 5 a AufenthG besteht.

Unmittelbare gesetzliche Folge der vollziehbaren Ausweisung ist die räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Klägers auf den Bezirk der Ausländerbehörde (§ 54 a Abs. 2 AufenthG). Ob es sich bei der in Ziffer 3 des Bescheids ausgesprochenen räumlichen Beschränkung lediglich um einen Hinweis auf die Rechtslage handelt (so VG München, Beschl. v. 20.04.2009 - M 24 S 09.29 - juris -) oder der Beklagte ein sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebendes Gebot für den Einzelfall konkretisiert und die Rechtslage nochmals in verbindlicher Weise klargestellt hat (so VG Ansbach, Urt. v. 29.01.2008 - AN 19 K 05.02515 - juris -), kann dahingestellt bleiben.

Die Meldeverpflichtung in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheids beruht auf § 54 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Nach dieser Bestimmung unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, Nr. 5 a AufenthG oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58 a AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Mit der Anordnung einer täglichen Meldepflicht beim Polizeirevier Stuttgart hat der Beklagte von der durch diese Vorschrift eröffneten Möglichkeit einer anderweitigen Bestimmung Gebrauch gemacht. Diese Festlegung eines kürzeren Meldeintervalls (täglich) ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat diese Anordnung rechtsfehlerfrei mit der nach wie vor bestehenden Notwendigkeit einer effektiven, engmaschigen Überwachung der Aufenthaltsbeschränkung des Klägers begründet und festgestellt, dass die staatlichen Sicherheitsinteressen die berücksichtigungswürdigen individuellen Belange des Klägers überwiegen. Angesichts der bislang fehlenden Auseinandersetzung des Klägers mit seinem strafbaren Verhalten und einer nicht feststellbaren Abwendung des Klägers zumindest von den kriminellen/terroristischen Handlungen der PKK ist die Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden (a. A. VG München, Beschl. v. 20.04.2009 - M 24 S 09.29 - juris -, wonach eine auferlegte tägliche Meldepflicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht entspricht). Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die angeordnete Meldeverpflichtung auf unbestimmte Zeit verfügt wurde. Da ein Wegfall der Gefährdung durch den Kläger nicht absehbar ist, konnte und kann eine begründete Entscheidung über die notwendige zeitliche Dauer noch nicht getroffen werden. Die tägliche Meldeverpflichtung stellt auch keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht des Klägers auf Achtung seines Privatlebens und in das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Das Gericht weist allerdings darauf hin, dass die Meldeverpflichtung im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz von der Behörde unter Kontrolle zu halten ist; insoweit hat ein regelmäßiger Abgleich mit den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden zu erfolgen (vgl. Schäfer in: GK-AufenthG II - § 54 a RdNr. 41). [...]