OLG Dresden

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Zitieren als:
OLG Dresden, Beschluss vom 30.05.2008 - 3 W 0414/08 - asyl.net: M16658
https://www.asyl.net/rsdb/M16658
Leitsatz:

Die Rechtsfolge einer Verletzung des Beschleunigungsgebots ist, dass "mit" der Verletzung die Fortdauer der Abschiebehaft grundsätzlich unzulässig wird. Die Bundespolizei hat das Beschleunigungsgebot verletzt, weil die Bestätigung der Flugbuchung aufgrund der Behörde zurechenbarer Umstände nicht binnen einer Woche erfolgte.

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Beschleunigungsgebot, Bundespolizei
Normen: FGG § 27 Abs. 1, FGG § 29 Abs. 1, FGG § 29 Abs. 2, FGG § 22 Abs. 1, FEVG § 3 S. 2, FEVG § 7 Abs. 1, AufenthG § 106
Auszüge:

[...]

Das Landgericht hat ausgeführt, soweit für das Verfahren der weiteren Beschwerde noch von Bedeutung, dass die Abschiebehaft ab dem 13.11.2007 als rechtswidrig anzusehen sei, weil der Betroffene sich die verzögerte Flugbuchung durch die Bundespolizeidirektion nicht zurechnen lassen müsse. Vor diesem Hintergrund hätte es bei normalem Verlauf dazu kommen müssen, dass spätestens eine Woche nach dem 24.09.2007 die Flugbuchung durch die Bundespolizeidirektion bestätigt worden wäre. Da nach den Erfahrungen mit den algerischen Behörden mindestens 6 Wochen erforderlich sind, um ein Passersatzpapier zu erhalten und bei Antragstellung für das Passersatzpapier darüber hinaus der Flugtermin mitzuteilen ist, hätte die Abschiebung spätestens am 13.11.2007 stattfinden können. Die darüber hinaus vollzogene Abschiebehaft sei daher rechtswidrig.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht im vollen Umfang stand.

Steht eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes in Rede, ist bei dessen Prüfung zwischen Voraussetzung und Rechtsfolge zu unterscheiden.

1. Das Beschleunigungsgebot ist verletzt, wenn die beteiligten Behörden die Abschiebung nicht mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung betreiben und dadurch die Abschiebehaft länger als unbedingt nötig dauert (vgl. den bereits in dieser Sache ergangenen Senatsbeschluss vom 13.12.2007). Voraussetzung ist mithin die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Haftdauer. Insofern bedarf es einer hypothetischen Betrachtungsweise wie auch sonst bei durch Unterlassen begangenen Pflichtverletzungen. Denn ergibt sich, dass ein Betroffener trotz Unterlassen der an sich gebotenen Beschleunigung ohnehin nicht hätte früher abgeschoben werden können, scheidet eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes aus (so etwa Senatsbeschluss vom 29.08.2007, Az. 3 W 847/07, n. ver.).

Das Landgericht hat hier, von der Beteiligten nicht beanstandet, festgestellt, dass der Betroffene bei einer frühzeitigeren Bestätigung der Flugbuchung durch die Bundespolizeidirektion hätte früher, also vor dem 28.11.2007, abgeschoben werden können. Diese Feststellung bindet den Senat als Rechtsbeschwerdegericht.

2. Die Rechtsfolge einer Verletzung des Beschleunigungsgebotes ist, dass mit der Verletzung die Fortdauer der Abschiebehaft grundsätzlich unzulässig wird (ebenso OLG Celle, Beschluss vom 21.10.2002, Az.: 17 W 59/02, juris Rn. 7 a.E.). Für die vom Landgericht angestellte hypothetische Betrachtung ist dagegen hier keinerlei Raum mehr. Diese würde darauf hinauslaufen, der Ausländerbehörde zu erlauben, an deren Haftantrag bis zum an sich früher möglichen, aber nicht mehr aufrecht zu erhaltenden und damit sinnlos gewordenen Abschiebetermin rechtmäßig festzuhalten. Richtigerweise hätte die Ausländerbehörde eine Beendigung der Abschiebehaft bereits Anfang Oktober veranlassen müssen. Dies zeigt im Übrigen auch die Kontrollüberlegung, dass einem Haftaufhebungsantrag des Betroffenen bereits ab diesem Zeitpunkt hätte entsprochen werden müssen. [...]