BlueSky

OLG Dresden

Merkliste
Zitieren als:
OLG Dresden, Beschluss vom 22.05.2008 - 3 W 0472/08 - asyl.net: M16660
https://www.asyl.net/rsdb/M16660
Leitsatz:

Stattgabe eines Wiedereinsetzungsantrags in die Beschwerdefrist, da in der Rechtsmittelbelehrung fehlerhaft eine Rechtsmittelfrist von einer Woche angegeben war (statt zwei Wochen).

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Sicherungshaft, Rechtsmittelbelehrung, Beschwerdefrist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Normen: FGG § 22 Abs. 2 S. 1
Auszüge:

[...]

3. Im Verfahren der weiteren Beschwerde trägt der Betroffene allerdings erstmals vor, er habe die Wochenfrist versäumt und sei daher irrig davon ausgegangen, dass er nicht mehr fristgerecht gegen den Beschluss des Amtsgerichts vorgehen könne.

a) Mit diesem neuen Vorbringen ist der Betroffene nicht durch den Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist ausgeschlossen. Denn anders als nach § 236 Abs. 2 ZPO muss der Wiedereinsetzungsantrag nach § 22 Abs. 2 FGG die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen nicht enthalten. Jene können daher noch nach Fristablauf dargelegt oder ergänzt werden (BGH NJW 1962, 202, 203).

b) Das Vorbringen ist auch nicht deshalb unbeachtlich, weil im Grundsatz im Verfahren der weiteren Beschwerde neue Tatsachen nicht berücksichtigungsfähig sind (vgl. § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). So ist anerkannt, dass das Rechtsbeschwerdegericht die tatsächlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit der Erstbeschwerde selbständig feststellt und würdigt (vgl. nur BGHZ 42, 223, 228). Über den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Erstbeschwerde entscheidet es deshalb in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht (BGH, a.a.O.).

c) Schließlich ist das Vorbringen des Betroffenen nicht deshalb ausgeschlossen, weil es neu ist. Denn eine entsprechende Präklusionsnorm findet sich im Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht.

d) Das neue Vorbringen des Betroffenen ist auch erheblich, sofern er tatsächlich glaubhaft machen kann, dass er nach Ablauf der fehlerhaft angegebenen Wochenfrist und vor dem Ablauf der Beschwerdefrist (19.03.) die innere Erwägung hatte, eine Beschwerde einzulegen, aufgrund der fehlerhaften Belehrung diese Erwägung jedoch wieder fallen ließ. Dabei kann ihm nicht zur Last fallen, dass er die erste Woche verstreichen lassen hat. Denn die zweiwöchige Einlegungsfrist durfte er vollständig ausschöpfen. Vermag daher der Betroffene neben der Fehlerhaftigkeit der Rechtsmittelbelehrung auch sein neues Vorbringen glaubhaft zu machen - dies lässt sich jedenfalls nicht unbesehen und von vornherein völlig ausschließen -, wäre das Wiedereinsetzungsgesuch begründet.

4. Das Wiedereinsetzungsgesuch wäre auch nicht von vornherein unzulässig. Dem Vorbringen des Betroffenen ist zu entnehmen, dass er nicht vor dem 01.04.2008 von der angeblichen Fehlerhaftigkeit der Rechtsmittelbelehrung erfahren haben will. Der am 14.04.2008 eingegangene Antrag war daher noch fristgemäß von den übrigen formellen Voraussetzungen eines Wiedereinsetzungsantrages fehlt es zwar noch an der Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsgründe. Eine abweisende Entscheidung lässt sich hierauf gleichwohl derzeit nicht stützen. Denn der Betroffene war und ist auch für die Glaubhaftmachung seines Vorbringens nicht an die Wiedereinsetzungsfrist gebunden (vgl. nur Sternal, a.a.O.). Er kann Entsprechendes folglich nachholen. Ihm ist daher zunächst Gelegenheit zu geben, gegebenenfalls unter Fristsetzung, sein Vorbringen zu konkretisieren und glaubhaft zu machen.

Der Senat hält es unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes für angezeigt, den Beschluss des Beschwerdegerichte aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückzuverweisen. Sollte nämlich das Beschwerdegericht dem derzeit in der Justizvollzugsanstalt am Sitz des Beschwerdegerichts aufhältigen Betroffenen glauben, könnte es letzteren sogleich in der Sache anhören. [...]