LG Leipzig

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Zitieren als:
LG Leipzig, Beschluss vom 17.02.2009 - 07 T 118/09 - asyl.net: M16661
https://www.asyl.net/rsdb/M16661
Leitsatz:

Die Dauer der Zurückschiebungshaft war unverhältnismäßig, da das BAMF für einen Zeitraum von fast 6 Wochen untätig geblieben ist. Bei der gebotenen zügigen Bearbeitung (Beschleunigungsgebot) hätte eine Zurückschiebung nach Italien wesentlich früher erfolgen können.

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Sicherungshaft, Bundespolizei, Beschleunigungsgebot, Italien, Bundesamt, Asylverfahren, Zurückschiebung, Aufgriffsfall, Asylantrag, Unbeachtlicher Asylantrag, Verhältnismäßigkeit
Normen: FEVG § 6 Abs. 2 Bst. c
Auszüge:

[...]

Die Aufrechterhaltung der Zurückschiebehaft gegen den Betroffenen ist unverhältnismäßig, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für einen Zeitraum von fast 6 Wochen untätig geblieben ist, obwohl die mit dem Wiederaufnahmeersuchen in Lauf gesetzte Frist bereits am 11.12.2008 abgelaufen war. Bereits am 12.12.2008 hätte daher die Möglichkeit bestanden, die später mit Schreiben vom 21.01.2009 in Lauf gesetzte 14-Tages-Frist zu setzen und damit endgültig die Voraussetzungen für eine Überstellung zu schaffen. Aus den weiteren Schilderungen zum zeitlichen Ablauf ergibt sich, dass der Betroffene bei der gebotenen zügigen Bearbeitung bereits Mitte Januar 2009 hätte nach Italien zurückgeschoben werden können. Bei dieser Sachlage war die Aufrechterhaltung der Zurückschiebungshaft jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Stellung des Haftaufhebungsantrages rechtswidrig weil unverhältnismäßig. In ständiger Rechtsprechung weist das Oberlandesgericht Dresden (Beschluss vom 08.01.2009, Az.: 3 W 1275/08 m.w.N.) darauf hin, dass im Hinblick auf das besondere Gewicht der Freiheit der Person deren Einschränkung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken sei. Dies bedeute, dass die Ausländerbehörde die Abschiebung (hier: Zurückschiebung) mit der notwendigen und größtmöglichen zumutbaren Beschleunigung, also ohne unnötige Verzögerung betreiben muss. Darüber hinaus sei die Anordnung auf den Zeitraum zu beschränken, der nach den vorliegenden Erfahrungen bei größtmöglicher Beschleunigung unbedingt erforderlich ist, um die Abschiebung vorzubereiten und durchzuführen. Nur durch eine solche Handhabung würden missverständliche Signale an die Ausländerbehörden vermieden.

Daraus ergibt sich, dass die Ausländerbehörden im Falle der Haftanordnung nicht stets die volle dort angeordnete Sicherungshaft bis zur Abschiebung ausschöpfen dürfen, sondern auf Grund des bestehenden verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebotes gehalten sind, jegliche Haftzeiten zu vermeiden, die über das unbedingt erforderliche Maß hinausgehen. [...]