Vorläufiger Rechtsschutz gegen eine Dublin-Überstellung in die Slowakische Republik, da der Ehemann und Vater der Antragsteller mit einer Duldung in Deutschland lebt. Es bestehen ernstliche Zweifel hinsichtlich einer Trennung der Familie mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK.
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Die gegen die Antragsgegnerin zu 1) gerichteten Anträge haben auch in der Sache Erfolg. Das Gericht hält es für geboten, die aufschiebende Wirkung der Klagen der Antragsteller gegen den kraft Gesetzes (siehe § 75 AsylVfG) sofort vollziehbaren Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 25. September 2006 anzuordnen. Denn es bestehen ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit.
Der angefochtene Bescheid ist zunächst formell an Art. 19 Abs. 1 S. 2 EG-AsylZustVO zu messen. Danach ist eine "Frist für die Durchführung der Überstellung […] anzugeben, und gegebenenfalls der Zeitpunkt und der Ort zu nennen, zu dem bzw. sich der Antragsteller zu melden hat, wenn er sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begibt".
Diesen Anforderungen dürfte der Bescheid nicht genügen. Materiell dürfte die Entscheidung des Bundesamt, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 EG-AsylZustVO auszuüben, an den humanitären Kriterien des Art. 15 EG-AsylZustVO zu messen und dabei maßgeblich auf dessen Absatz 2 abzustellen sein, wonach "in den Fällen, in denen die betroffene Person wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, einer schweren Krankheit, einer ernsthaften Behinderung oder des hohen Alters auf die Unterstützung durch die andere Person angewiesen ist", im Regelfall von einer Trennung der Familie abzusehen ist, wenn die familiäre Gemeinschaft bereits im Heimatstaat bestand.
Das Gericht hat im Lichte von Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK ernstliche Zweifel, ob die getroffene Entscheidung diesen Kriterien gerecht wird und insbesondere der Antragsteller zu 2) darauf verwiesen werden darf, dass seine Betreuung bisher auch ohne den Beistand insbesondere seiner Ehefrau möglich gewesen sei.
Aus den von den Antragstellern vorgelegten Attesten ergibt sich, dass der Antragsteller zu 2) zu 80 % schwerbehindert, psychisch erkrankt sowie nach einer Splitterbombenverletzung beidseitig unterschenkelamputiert ist und an inkorporierten multiplen Metallsplittern leidet, welche regelmäßig entfernt werden müssen. Die Antragstellerin zu 1) ist schwanger. Die Antragsteller dürften nach alledem die in Art. 15 Abs. 2 EG-AsylZustVO genannten materiellen Kriterien für eine Regelfall-Familienzusammenführung aus humanitären Gründen erfüllen und zugleich die weitergehenden Schutzwirkungen aus Art. 6 Abs. 1 GG genießen. Denn sie dürften i. S. der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auf gegenseitige Lebenshilfe angewiesen sein, und ihnen wird auch nicht entgegengehalten dürfen, dass die Lebenshilfe auch durch andere Personen außerhalb der Familie erbracht werden könne. Denn eine Familie erfüllt die Funktion einer Beistandsgemeinschaft nicht erst dann, wenn die Hilfe nur von einem bestimmten Familienmitglied, nicht dagegen auch von anderen Personen erbracht werden kann. Vielmehr entsteht eine Beistandsgemeinschaft, sobald ein Familienmitglied auf Lebenshilfe angewiesen ist und ein anderes Familienmitglied für diese Hilfe tatsächlich zur Verfügung steht (BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Dezember 1989 - 2 BvR 377/88 -, InfAuslR 1990, 74 = NJW 1990, 895 = FamRZ 1990, 363 = VBlBW 1990, 212). [...]