VG Halle

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Zitieren als:
VG Halle, Urteil vom 18.12.2009 - 1 A 27/09 HAL - asyl.net: M16676
https://www.asyl.net/rsdb/M16676
Leitsatz:

Zur Ausstellung eines Reiseausweises für Staatenlose (Palästinenser).

Schlagwörter: Reiseausweis für Staatenlose, Palästinenser, Israel, Ägypten, Jordanien, UNRWA, Registrierung
Normen: StaatenlÜbk Art. 1 Abs. 1, StaatenlÜbk Art. 1 Abs. 2, StaatenlÜbk Art. 28
Auszüge:

[...]

Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 13. Oktober 2006 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Diese haben einen Anspruch auf Ausstellung von Ausweisen für Staatenlose (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist Art. 28 Satz 1 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28. September 1976 (BGBl II 1976 S. 473/BGBl II 1977 S. 235), das mit Zustimmungsgesetz vom 12. April 1976 in innerstaatliches Recht transformiert wurde und damit unmittelbar anwendbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1992 - C 17.19 -, Juris; VG München, Gerichtsbescheid vom 15. Mai 2007 - M 7 K 05.159, M 7 K 06.545 -, Juris). Nach dieser Vorschrift haben Staatenlose, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, einen Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises. Diese Voraussetzungen erfüllen die Kläger.

Sie sind Staatenlose i.S. von Art. 1 Abs. 1 StaatenlÜbk, da sie kein Staat aufgrund seines Rechts als Staatsangehörige ansieht. Hierbei ist für Palästinenser, die keine andere Staatsangehörigkeit besitzen, geklärt, dass diese Staatenlose i.S. dieser Vorschrift sind (BVerwG, Beschluss vom 25. Mai 1993, 1 B 21.93 -, Juris). Dies trifft auch auf die Kläger zu, da ausweislich deren Bemühungen, einen Pass zu erlangen, die jeweils in Frage kommenden Länder mitgeteilt haben, dass sie die Kläger nicht als ihre Staatsangehörigen ansehen. Unschädlich ist insofern, dass sich die Kläger nicht um jordanische Pässe bemüht haben, da nicht ersichtlich ist, aus welchen Gründen sie jordanische Staatsangehörige sein sollten. Sämtliche sie betreffenden und von ihnen vorgelegten Originalunterlagen, deren Echtheit auch durch das Landeskriminalamt bestätigt worden ist, sprechen lediglich von einer palästinensischen Nationalität. Die Kläger haben ausweislich der vorgelegten Unterlagen zwar Bezug zu Ägypten und Israel und haben sich bei diesen Ländern auch um die Klärung ihrer Staatsangehörigkeit bemüht. In Bezug auf Jordanien liegt dagegen lediglich eine Registrierungsbestätigung der UNRWA vom 12. Februar 1998 auf den Namen ... vor. Diese hat der Kläger bei der Anhörung im Bundesamt wohl auch gemeint, als er dort angab, er sei in Jordanien als palästinensischer Flüchtling registriert. Allerdings ist dies aus der Bescheinigung nicht ersichtlich, da diese auf einen anderen Namen als den des Klägers lautet und im Übrigen auch nicht der Familie des Klägers zuzuordnen ist. Insbesondere entspricht er nicht dem vom Kläger angegebenen Namen seines Vaters, der zudem 1991 und damit lange vor Ausstellung des Dokuments verstorben ist. Aber auch, wenn man dies anders sehen wollte, ist aufgrund der Registrierung festzustellen, dass der dort Benannte nicht die jordanische Staatsangehörigkeit besitzt.

Zwar findet nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. i) das Staatenlosen-Übereinkommen keine Anwendung auf "Personen, denen gegenwärtig ein Organ oder eine Organisation der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen Schutz oder Beistand gewährt, solange sie diesen Schutz oder Beistand genießen". Dies ist aber im Hinblick auf die Kläger nicht der Fall. Zu den Schutz oder Beistand gewährenden, gegenüber dem Hohen Flüchtlingskommissar (UNHCR) selbständigen Organisationen und Institutionen gehört die von deren Generalversammlung mit Hilfeleistungen und Hilfsprogrammen für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten beauftragte "United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East" (UNRWA). Wer dort registriert ist, genießt deren Schutz und kann sich dann nicht auf das Staatenlosen-Übereinkommen berufen. Diese Ausschlussklausel findet aber auf die Kläger keine Anwendung. Diese sind gerade nicht als Palästina-Flüchtlinge bei der UNRWA registriert. Der Nachweis der Registrierung erfolgt durch die Registrierungskarten, wonach alle Personen erfasst werden, die dort registriert sind. Dies ist bei den Klägern aber - wie oben bereits ausgeführt - nicht der Fall.

Auch die weiteren Voraussetzungen des Art. 28 StaatenlÜbk sind erfüllt, insbesondere halten sich die Kläger rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Rechtmäßiger Aufenthalt beinhaltet eine besondere Beziehung des Betroffenen zu dem Vertragsstaat durch eine mit seiner Zustimmung erfolgte Aufenthaltsverfestigung. Diese Voraussetzung ist in der Bundesrepublik dann erfüllt, wenn der Aufenthalt von der zuständigen Ausländerbehörde erlaubt worden ist. Dies ist hier der Fall. Nachdem das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 7. Februar 2007 festgestellt hat, dass zugunsten des Klägers zu 1) ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt, hat der Beklagte dem Kläger zu 1) eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt, die Kläger zu 2) bis 4) haben nunmehr Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG erhalten. Dies genügt bei dem hier vorliegenden Verpflichtungsbegehren, in dem es im Hinblick auf die Begründetheit der Klage auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Gerichts ankommt. [...]