Ausweisungsgrund nach § 54 Nr. 6 AufenthG wegen falscher und unvollständiger Angaben zu wesentlichen Punkten im Sicherheitsgespräch.
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Vorliegend hat der Kläger allerdings Ausweisungsgründe im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG gesetzt, weshalb die Aufenthaltserlaubnis zu versagen ist. Der Kläger hat den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 6 AufenthG für erfüllt. Nach dieser Vorschrift wird in der Regel ein Ausländer ausgewiesen, der in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der Ausländerbehörde gegenüber in wesentlichen Punkten falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des internationalen Terrorismus verdächtig sind.
Der Kläger hat Verbindungen zur IGD (Islamische Gemeinde Deutschlands), das IKEZ (Islamisches Kultur- und Erziehungszentrum Berlin) - ehemals "Islamisches Zentrum Berlin" (IZB) und zum IZDB (Interkulturelles Zentrum für Dialog und Bildung), die nach den Angaben im angefochtenen Bescheid, denen der Kläger nicht - auch nicht mit Nichtwissen - entgegengetreten ist, Verbindungen zur Hamas aufweisen. Bei der Hamas handelt es sich um eine terroristische Vereinigung (vgl. BVerwG, U. vom 3. Dezember 2004 - 6 A 10/02, juris). Sie wurde als islamistische Widerstandsorganisation von Mitgliedern der Muslimbruderschaft (MB) gegründet. Sie leugnet das Existenzrecht Israels und übt (terroristische) Gewalttaten gegenüber Israel und israelischen Staatsbürgern aus. Auch die MB (Muslimbruderschaft) befürwortet im israelisch-palästinensischen Konflikt Gewaltanwendung. Die IGD ist die in Deutschland mitgliedstärkste Organisation von Anhängern der Muslimbruderschaft. Das IKEZ in Berlin-Neukölln gilt als Berliner Treffpunkt von Hamas-Anhängern. Es ist Mitglied der Delegiertenversammlung der IGD. In der Satzung der IKEZ wird für den Fall seiner Auflösung festgelegt, dass das Vereinsvermögen u.a. der "Islamischen Gemeinschaft München'", dem Sitz der IGD in Deutschland zu überlassen sei. Auch das IZDB (Interkulturelles Zentrum für Dialog und Bildung) im Wedding gab bis 2007 in der Satzung im Falle seiner Auflösung die IGB als Begünstigte des Vereinsvermögens an.
Ob eine Angabe über Verbindungen zu Personen oder Organisationen, die der Unterstützung des internationalen Terrorismus verdächtig sind falsch oder unvollständig ist, richtet sich nach dem Erkenntnis- und Verständnishorizont des befragten Ausländers (vgl. Discher, in GK - AufenthG, Stand: August 2009, § 54 Rdnr. 742). Denn die Annahme eines die Ausweisung rechtfertigenden spezial- oder generalpräventiven Ausweisungsinteresses setzt voraus, dass der falsche oder unvollständige Angaben machende Ausländer selbst vollständige Kenntnis vom wahren Sachverhalt hat und auch versteht, wie seine Antwort aufgefasst wird. Nur bewusst falsche oder unvollständige Angaben zu sicherheitsrelevanten Sachverhalten können den Verdacht begründen, der Ausländer wolle aus unlauteren, sicherheitsrelevanten Motiven heraus etwas verbergen (vgl. Discher, in GK - AufenthG, Stand: August 2009, § 54 Rdnr. 718). Im Rahmen der Beurteilung kann nicht jede Unvollständigkeit oder Unklarheit der Ausweisung entgegenstehende private Interessen des betroffenen Ausländers zurücktreten lassen. Dies ergibt sich zum einen aus dem in der Vorschrift verwendeten Begriff der "wesentlichen Punkte" und auch dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift, der einen vergleichbaren Unrechtsgehalt unrichtiger oder unvollständiger Angaben mit den sonstigen Fällen des § 54 AufenthG erfordert (vgl. Bayrischer VGH, U. vom 19. Februar 2009 - 19 Cs 08.1175 -, juris).
Vorliegend hat der Kläger falsche oder unvollständige Angaben gemacht, indem er versucht hat, seine Funktion in beiden Zentren zu verschleiern. Obwohl er bei Einladung zum Sicherheitsgespräch ausführlich über dessen Zweck, insbesondere die Ausweisungsgründe nach § 54 Nr. 5, 5 a, 6 und 7 AufenthG unterrichtet wurde, hat er der Wahrheit zuwider versucht, seine Verbindungen zu den genannten Zentren und deren Verantwortlichen, sofern er sie überhaupt einräumte, zu bagatellisieren. Entgegen den Einlassungen des Klägers in dem Sicherheitsgespräch und in der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger sehr wohl in das IKEZ und das IZDB eingebunden ist. Von 1995 bis 2003 besuchte er regelmäßig, bis heute ab und zu das IKEZ, seit dessen Gründung im Jahr 2004 besucht er regelmäßig ein bis zweimal die Woche das IZDB. Er hat an Mitgliederversammlungen beider Zentren, in denen der jeweilige Vorstand gewählt wurde, teilgenommen. Er war als "Moderator" in herausgehobener Stellung für beide Zentren tätig, hat für das IZDB architektonische Arbeiten ausgeführt, seine Ehefrau ist dort als - ehrenamtliche - Arabischlehrerin tätig und seine Kinder nehmen an diesem Unterricht teil. Darüber hinaus hat er in beiden Zentren am "Tag der offenen Moschee" Besucher durch die Moscheen geführt. Den Mitbegründer des IZB (jetzt IKEZ) und langjähriges Mitglied der IGD ... kennt er seit Jahren und war bei ihm polizeilich gemeldet. Im Sicherheitsgespräch hat der Kläger seine Kontakte zu den genannten Einrichtungen nicht abgestritten. Er versucht jedoch, seine Funktion dort zu marginalisieren, indem er den Eindruck zu erwecken versucht, er sei nicht mehr als ein einfacher Besucher der Zentren. Kontakte zu maßgeblichen Personen dieser Einrichtungen seien oberflächlich und rein privater Natur. Seine Äußerung in der mündlichen Verhandlung, er sei nun mal ein hilfsbereiter Mensch und werde - weil er Hocharabisch spreche - gerne zu bestimmten Tätigkeiten herangezogen, soll offensichtlich den Eindruck erwecken, er sei nur zu einzelnen Anlässen in den Zentren, ohne in deren Strukturen eingebunden zu sein. Dementsprechend streitet er auch ab, die Namen verantwortlicher Personen in diesen Zentren, insbesondere der Vorstände, zu kennen. Dies entspricht jedoch offensichtlich der Unwahrheit. Bereits der Umstand, dass er an Veranstaltungen in den Zentren teilnahm, an denen Vorstände gewählt wurden, belegt das Gegenteil. Dass sich der Kläger als gebildeter Mensch mit einer akademischen Ausbildung dort einerseits auf vielfältige Weise engagiert, andererseits die Namen der dort verantwortlichen Personen nicht kennen will, erschiene aber auch ansonsten äußerst unglaubwürdig.
Das Gericht geht auch davon aus, dass der Kläger von der Eingebundenheit des IZDB und des IKEZ in die IGD wusste. Er wusste auch von deren Beziehungen zur Hamas. Es ist nicht glaubhaft, dass er als religiöser Mensch einerseits die Nähe zu den genannten Zentren sucht, andererseits davon nichts mitbekommen haben will, dass das IKEZ, in dem er seit Gründung verkehrt, als Berliner Treffpunkt von Hamas-Anhängern gilt. Dies gilt insbesondere deshalb, weil er mehrfach Veranstaltungen der IGD - u.a. in München - und des Islamischen Bundes Palästina, dem erklärten Sprachrohr der Hamas in Deutschland, besuchte. Er wusste nach der Überzeugung des Gerichts auch von der politischen Ausrichtung der Hamas und deren Verhältnis zur Gewalt. Das Bestreben des Klägers, sein Wissen über die Hamas, die zu einer Zeit gegründet und zu einer maßgeblichen politischen Macht aufstieg, als er noch im Gaza lebte, zu marginalisieren, wirkt insoweit unglaubhaft. Wenn er auf die Frage nach der Geschichte der Entstehung und Entwicklung der Hamas angibt, er habe für sie, als er wegzog aus dem Gaza, kein Interesse gehabt und habe das auch jetzt nicht, so ist dies unglaubwürdig. Der Kläger war zwanzig Jahre alt, als er den Gaza im Februar ... verließ. Zu dieser Zeit fand bereits seit vier Jahren die Erste Intifada statt, unter Beteiligung der Hamas, die zu Beginn der Intifada gegründet worden war. Dass ihn diese Entwicklung unberührt gelassen haben soll, kann kaum angenommen werden. Noch weniger kann ihm geglaubt werden, dass er in der Zeit danach, auch wenn er in Deutschland lebte, nicht an den weiteren Geschehnissen im faktisch von der Hamas beherrschten Gaza, wo nach wie vor seine Familie lebt, Anteil genommen hat.
Damit hat der Kläger im Sinne von § 54 Nr. 6 AufenthG "zu wesentlichen Punkten" falsche oder unvollständige Angaben gemacht. Bei Einladung zum Sicherheitsgespräch war er ausführlich über dessen Zweck, nämlich die Klärung seines Verhältnisses zur IGD und zum IBP (Islamischer Bund Palästina), die Vorwürfe des Verfassungsschutzes gegen die genannten Organisationen und die Ausweisungsgründe nach § 54 Nr. 5, 5 a, 6 und 7 AufenthG unterrichtet worden. Hierzu hat der Kläger bewusst getäuscht. [...]