VG Karlsruhe

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Zitieren als:
VG Karlsruhe, Urteil vom 01.12.2009 - A 8 K 942/09 - asyl.net: M16688
https://www.asyl.net/rsdb/M16688
Leitsatz:

Abschiebungsverbot hinsichtlich Kameruns nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG bei insulinpflichtiger Diabetes mellitus und Hypertonie, da eine Versorgung in Notfällen in Kamerun nicht gewährleistet ist.

Schlagwörter: Kamerun, Diabetes mellitus, Hypertonie, Abschiebungsverbot, Asylfolgeantrag, medizinische Versorgung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
Auszüge:

[...]

Gemessen an diesen Grundsätzen steht der Klägerin bei Würdigung aller im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erkennbaren Umstände ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs.7 S.1 AufenthG zu. Aufgrund des bei ihr bestehenden Diabetes mellitus wäre sie in absehbarer Zeit nach ihrer Rückkehr in ihr Heimatland mit hoher Wahrscheinlichkeit unmittelbar einer lebensbedrohlichen Situation ausgesetzt.

Nach der ärztlichen Stellungnahmen Ihres behandelnden Arztes vom 24.02.09 (in den Akten der Beklagten) leidet die Klägerin seit Juli 2008 an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus. Nach der vom Gericht angeforderten Äußerung ihres Arztes (vom 21.07.09) wurde bei der Klägerin erstmals im Mai 2009 ein Diabetes mellitus festgestellt, und zwar bei ihrer Aufnahme im Krankenhaus in Form eines erheblich entgleisten Diabetes mellitus. Die Klägerin wurde deshalb mit einer intensivierten Insulin-Therapie eingestellt. Ein Akutinsulin mit schnellem Wirkungseintritt spritzt die Klägerin nach einem ihr ausgehändigten Plan je nach Blutzuckerwert. Darüber hinaus benötigt sie ein Verzögerungsinsulin, auf das sie eingestellt ist. Trotzdem muss mit Entgleisungen gerechnet werden, die notfallmäßig behandelt werden müssen. Eine Folge einer akuten Stoffwechselentgleisung wäre ein potenziell lebensbedrohliches ketoazidotisches Koma. Es besteht deswegen eine zwingende Notwendigkeit einer regelmäßigen medizinischen Betreuung auch bei eigener Blutzuckerkontrolle und regelmäßigen Verwendung von Insulinspritzen. Gegebenenfalls ist eine notfallmäßige Versorgung erforderlich.

Nach der vom Gericht eingeholten Auskunft der deutschen Botschaft in Yaounde sind in Kamerun alle gängigen Insulin-Präparate erhältlich. Jedenfalls in den großen Städten Yaounde und Douala sind sie immer zu beziehen, auf dem Lande ggf. mit etwas zeitlicher Verzögerung. Jedoch ist eine notfallmäßige Versorgung in ... nicht gewährleistet.

Aufgrund der Schwere der Erkrankung der Klägerin und der Notwendigkeit, bei einer Entgleisung sofort notfallmäßig medizinisch versorgt zu werden, geht das Gericht deshalb von einer konkreten Gefahr für die Klägerin im Falle der Rückkehr in ihre Heimat aus. Es besteht die Gefahr, dass sich der Gesundheitszustand aufgrund einer erneuten Entgleisung jederzeit kurzfristig lebensbedrohlich verschlechtert und die erforderliche notfallmäßige Versorgung nicht gewährleistet ist.

Auf die Frage, ob die Klägerin nach Rückkehr in ihrer Heimat in der Lage ist, die Kosten für die Diabetes-Medikamente aufzubringen, kam es danach nicht an. Eine insoweit zu ergänzende Beweiserhebung war deswegen nicht erforderlich. [...]