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VG Stuttgart

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Zitieren als:
VG Stuttgart, Urteil vom 21.09.2009 - 11 K 3612/09 [= ASYLMAGAZIN 2010, S. 173] - asyl.net: M16711
https://www.asyl.net/rsdb/M16711
Leitsatz:

Einbürgerung einer 14 Jahre alten türkischen Staatsangehörigen unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit, da der türkische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Einbürgerung, Hinnahme von Mehrstaatigkeit, Türkei, Zumutbarkeit, Entlassungsantrag, Entlassung aus der Staatsangehörigkeit, türkisches Staatsangehörigkeitsgesetz,
Normen: StAG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4,
Auszüge:

[...] Zwar erfüllt die Klägerin die in § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG normierte Voraussetzung nicht, da sie mit der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband weder ihre türkische Staatsangehörigkeit verliert noch diese aufgeben kann. Die Einbürgerung der Klägerin ist jedoch unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit möglich, da der türkische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht (§ 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 2. Alt. StAG). Diese zweite Alternative des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StAG setzt die Stellung eines Entlassungsantrages nicht voraus; sie erfasst vornehmlich die Fälle erkennbar aussichtsloser Anträge (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.05.2007 - 5 C 3.06 - BVerwGE 129, 20). Der Klägerin ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit nicht in zumutbarer Weise möglich.

Nach Art. 20 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes (abgedruckt in Ferid/Bergmann, Abschnitt Türkei) kann nur ein geschäftsfähiger türkischer Staatsangehöriger die Genehmigung zum Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit erhalten. Dies wäre im Falle der Klägerin erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres der Fall. Da bereits mehrjährige Verfahrenslaufzeiten für sich allein schon die Unzumutbarkeit begründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.05.2007 - 5 C 3.06 a.a.O.), ist der Klägerin nicht zumutbar zuzuwarten, bis sie das 18. Lebensjahr vollendet hat. Schließlich sieht Art. 32 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes einen Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit bei minderjährigen Kindern nur vor, wenn die Mutter ihre türkische Staatsangehörigkeit verliert und der Vater verstorben, unbekannt oder Ausländer ist. Der Vater der Klägerin ist jedoch weiterhin türkischer Staatsangehöriger und die Mutter der Klägerin erfüllt die Einbürgerungsvoraussetzungen nach § 8, § 9 oder § 10 StAG nicht (vgl. Urteil vom 22.09.2009 - 11 K 1519/09 -). [...]