VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Beschluss vom 26.01.2010 - 21 L 1964/09.A - asyl.net: M16720
https://www.asyl.net/rsdb/M16720
Leitsatz:

Vorläufiger Rechtsschutz gegen Abschiebung nach Syrien wegen neuer allgemeiner Berichte über Verfolgungsgefahr.

Schlagwörter: vorläufiger Rechtsschutz, Asylfolgeantrag, Syrien, Abänderungsantrag
Normen: AsylVfG § 71 Abs. 5 S. 2, VwGO § 123, VwVfG § 51
Auszüge:

[...]

Das Europäische Zentrum für Kurdische Studien hat in einem Gutachten vom 25. Oktober 2009 ausgeführt, dass es in letzter Zeit zu vermehrten Festnahmen und Inhaftierungen bei der Rückführung nach Syrien oder in engem Zusammenhang damit gekommen sei.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat mit Schreiben vom 18. November 2009 beim Auswärtigen Amt (AA) angefragt, ob hierüber nähere Informationen vorliegen und welche Umstände bei einer Rückführung nach Syrien zu einer Gefährdung führen können:

"Im Zusammenhang mit Asylverfahren syrischer Staatsangehöriger bitten wir um die Beantwortung folgender Fragen:

Kann das Auswärtige Amt der Beobachtung des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien in seinem Gutachten vom 25.10.2009 zustimmen, wonach es gerade in letzter Zeit zu vermehrten Festnahmen/Inhaftierungen von Rückkehrern bei der Einreise in Syrien oder in engem Zusammenhang mit dieser gekommen ist?

Wenn ja, liegen dem Auswärtigen Amt Informationen über mögliche Motive vor? Insbesondere, wird ein Zusammenhang mit dem deutsch-syrischen Rückübernahmeabkommen gesehen?

Eine Zugehörigkeit zu welchen Personengruppen bzw. welche Umstände können für den einzelnen Rückkehrer möglicherweise das Risiko erhöhen, bei der Wiedereinreise festgenommen/inhaftiert zu werden (z.B. längerer Auslandsaufenthalt, Asylverfahren im Ausland, Rückkehr im Wege zwangsweiser Rückführung, noch ausstehender Wehrdienst, exilpolitische Betätigung, ...)?

Liegen dem Auswärtigen Amt Erkenntnisse darüber vor, dass staatenlose Personen mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien unter Geltung des Rückübernahmeabkommens abgeschoben wurden?

Wie lange hatten diese sich vor ihrer Abschiebung im Ausland aufgehalten?

Wie wurden sie bei ihrer Ankunft behandelt?

Sind dem Auswärtigen Amt insbesondere die in der Presse zitierten Fälle: Familie ... (auch ... bzw. ...) und ... bekannt, die jeweils nach einer Abschiebung aus Deutschland festgenommen worden sein sollen? Liegen dem Auswärtigen Amt genauere Erkenntnisse zu diesen Fällen vor? Wir bitten um Monitoring in den angegebenen Fällen."

Das Bundesministerium des Innern hat mit Erlass vom 16. Dezember 2009 zum deutsch-syrischen Rückführungsabkommen folgendes verfügt:

"Aufgrund der derzeit unklaren Lage bei der Rückkehr abgelehnter Asylbewerber wurde das BAMF gebeten, vorerst keine Ablehnungen von Asylanträgen als offensichtlich unbegründet auszusprechen und Entscheidungen über Folgeanträge vorerst zurückzustellen. In diesen Fällen haben Rechtsbehelfe regelmäßig keine aufschiebende Wirkung. Die Betroffenen könnten daher ohne Weiteres nach Syrien abgeschoben werden, was angesichts der derzeitigen Situation problematisch erscheint. Eine Entscheidung über diese Fälle soll erst nach einer aktualisierten Lagebewertung durch das AA erfolgen. Positive Entscheidungen sowie (nicht sofort vollziehbare) Ablehnungen von Asylanträgen als einfach unbegründet erfolgen weiterhin.

Unabhängig davon werden die Länder gebeten, bis zu einer abschließenden Klärung (u.a.: aktueller Lagebericht AA) anstehende Abschiebungen nach Syrien mit besonderer Sorgfalt zu prüfen und mit Blick auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse sich im Einzelfall ggf. mit dem BAMF abzustimmen."

Das Auswärtige Amt hat in seinem Ad-hoc-Ergänzungsbericht zum Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien vom 28. Dezember 2009 wie folgt ausgeführt:

"II. Neuere Erkenntnisse zur Behandlung von Rückkehrern

Im ersten Halbjahr 2009 wurden 28 Personen mit syrischer Staatsangehörigkeit von Deutschland nach Syrien zurückgeführt. Wie bereits im o.g. Lagebericht dargestellt, erfolgt in der Regel nach der Einreise zurückgeführter Personen eine Befragung durch die syrische Einwanderungsbehörde und die Sicherheitsdienste. In manchen Fällen werden die Betroffenen für die folgenden Tage nochmals zu einer Befragung einbestellt. In Einzelfällen werden Personen für die Dauer einer Identitätsüberprüfung durch die Einreisebehörden festgehalten.

In drei Fällen sind Inhaftierungen unmittelbar bzw. kurz nach der Rückführung bekanntgeworden. In einem Fall konnte bestätigt werden, dass eine Inhaftierung über die übliche Befragung durch syrische Behörden nach der Ankunft hinausgegangen ist. In allen drei Fällen hat das Auswärtige Amt die syrischen Behörden offiziell um Auskunft über den Verbleib und zu den Haftgründen gestellt. Die syrische Seite hat bisher auf diese Anfragen nicht reagiert und ist dazu auch nicht verpflichtet, da es sich nicht um deutsche Staatsangehörige handelt. Daher bemüht sich das Auswärtige Amt auch um Aufklärung der Sachverhalte durch zivilgesellschaftliche Kontakte. Die Informationen beruhen überwiegend auf Angaben von Nichtregierungsorganisationen bzw. Anwälten oder Familienangehörigen der Betroffenen."

Die Kammer möchte vor diesem Hintergrund nähere Informationen zur Situation zurückgeführter Asylbewerber erhalten. Da das Bundesamt trotz gerichtlicher Aufforderung nicht hinreichend dargelegt hat, dass die seitens des BMI geforderte sorgfältige Prüfung des hier vorliegenden Folgeantrages nach Erlass des Bescheides vom 23. Oktober 2009 erfolgt wäre, war die hier begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen. Eine endgültige Entscheidung bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. [...]