Wem es in über sechseinhalb Jahren seines Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht gelingt, ausreichende Deutschkenntnisse zu erwerben, die ihn befähigen, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, mit der der Lebensunterhalt sichergestellt werden kann, hat das Privileg des § 31 Abs. 4 S. 1 AufenthG regelmäßig verloren.
(Amtlicher Leitsatz)
[...]
Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers beurteilt sich nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen Ehefrau nach § 28 Abs. 3 i.V. mit § 31 AufenthG. Zu Recht hat die Behörde hervorgehoben, dass im Falle der Erwerbs eines eheunabhängigen Aufenthaltsrechts nach § 31 AufenthG Vergünstigungen hinsichtlich der grundsätzlich geforderten Lebensunterhaltssicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) gewährt werden. Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch steht der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht grundsätzlich entgegen (§ 31 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Anders ist es jedoch, wenn der Ehegatte aus einem von ihm zu vertretenden Grund auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. In diesem Fall kann die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagt werden (§ 31 Abs. 4 Satz 1 i. V. mit § 31 Abs. 2 Satz 3 AufenthG).
Mit den herabgesetzten Anforderungen an die eigene Lebensunterhaltssicherung berücksichtigt der Gesetzgeber die teilweise schwierige Lage des ins Bundesgebiet nachgereisten Ausländers, der seinen familiären Bezugspunkt – den bereits im Bundesgebiet integrierten Familienangehörigen – und damit den "Integrationshelfer" verliert und nun plötzlich auf sich selbst gestellt ist. Die infolge kurzen Aufenthalts zuweilen noch nicht vollzogene Integration in die deutschen Lebens- und Gesellschaftsverhältnisse und in das Erwerbsleben wird dem Ausländer nicht erlassen. Er erhält aber ausreichend Zeit und Gelegenheit, seine Integration zu erreichen. Aus diesem Grunde führt ein Leistungsbezug nach dem SGB II oder XII nur dann zum Verlust des Aufenthaltsrechts, wenn die Gründe hierfür von dem Ausländer zu vertreten sind. Gleiches gilt für alle späteren Verlängerungen (§ 31 Abs. 4 Satz 1 AufenthG).
Die Frage, welche Umstände der Ausländer zu vertreten hat, bedarf der Einzelfallwürdigung. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller nach gut zweijähriger Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen kaum Integrationsbemühungen, insbesondere das Erlernen der deutschen Sprache, gezeigt hat. In allen Bewerbungen um einen Arbeitsplatz, die er Anfang 2005 abschickte, wies er von selbst auf seine schlechten Deutschkenntnisse hin. Wörtlich heißt es in der Äußerung seiner Bevollmächtigten vom 04.02.2005 (Bl. 44 d. A.):
"Aufgrund seiner fehlenden Deutschkenntnisse sind diese Anfragen (sc. um einen Arbeitsplatz) gleich negativ beschieden worden; eine persönliche Vorstellung wurde seitens der Firmen nicht als erforderlich angesehen bzw. abgelehnt."
Das deutet darauf hin, dass der Antragsteller während seiner Ehe mit seiner deutschen Ehefrau offensichtlich kaum deutsch gesprochen hat, obwohl ihm schon zu dieser Zeit klar gewesen sein musste, dass fehlende Deutschkenntnisse sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch im privaten Umfeld ein Integrationshemmnis sind. Auch nach der Trennung von seiner Ehefrau hat der Antragsteller ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen getroffenen Feststellungen kaum Bemühungen unternommen, sein Deutsch zu verbessern. Im April 2005 nahm der Antragsteller an einem dreimonatigen Lehrgang des BAW mit dem Thema "Arbeits- und umweltorientiertes Deutsch für Aussiedlerinnen und Aussiedler" teil, ohne dass die erlernten Sprachkenntnisse wenigstens für einfache Tätigkeiten z. B. im Reinigungsgewerbe oder als Küchenkraft ausreichten. Fast zwei Jahre hat der Antragsteller trotz fortbestehender Arbeitslosigkeit ungenutzt gelassen, um seine Sprachdefizite zu bekämpfen. An einem im Juni 2007 begonnenen Integrationskurs nahm er zwar im Wesentlichen teil (Anwesenheit nachgewiesen bis April 2008), ohne dass jedoch mit den erworbenen Kenntnisse ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis begründet werden konnte. Zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit kam es stets nur kurzzeitig in der Phase der Aufenthaltserlaubnisverlängerung: [...]
Die von der Behörde angeführten Ermessenserwägungen sind zwar knapp, berücksichtigen jedoch die wesentlichen Umstände des Einzelfalls. Mangels erfolgter Integration in einem Zeitraum von mehr als fünf Jahren und fehlender persönlicher Bindungen zum Bundesgebiet erscheint die verfügte Aufenthaltsbeendigung angemessen. Anhaltspunkte dafür, dass die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 Satz 1 VwGO), bestehen nicht. [...]