Der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nach § 2 Abs. 1 AsylbLG kann nicht durch eine zwischenzeitliche Integration (hier § 104a AufenthG) ausgeräumt werden. Eine Beeinflussung der Aufenthaltsdauer liegt schon dann vor, wenn bei generell abstrakter Betrachtungsweise das rechtsmissbräuchliche Verhalten typischerweise die Aufenthaltsdauer verlängern kann, es sei denn, eine etwaige Ausreisepflicht des betroffenen Ausländers hätte unabhängig von seinem Verhalten ohnehin in dem gesamten Zeitraum des Rechtsmissbrauchs nicht vollzogen werden können.
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Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 30.11.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2005 (§ 95 SGG), mit dem der Beklagte Leistungen für den Monat Dezember 2005 bewilligt hat. Ob der Bescheid daneben als hoheitliche Vorabentscheidung über laufende Leistungen ab Dezember 2005 verstanden werden kann (vgl. dazu Senatsurteil vom 17.6.2008 - B 8 AY 13/07 R -, RdNr 10 f) , bedarf keiner Entscheidung, nachdem die Beteiligten über den Zeitraum vom 1.1.2006 bis 16.10.2007 einen Vergleich geschlossen haben. Gegen den Bescheid wehren sich die Kläger mit kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, § 56 SGG, weil der Beklagte in der Zeit vor Dezember 2005 Leistungen zeitabschnittsweise für den jeweiligen Kalendermonat bewilligt, also mit dem Bescheid vom 30.11.2005 keinen vorangegangenen (Dauer-)Verwaltungsakt mit der Folge abgeändert hat, dass es dann keiner Leistungsklage bedürfte. In der Sache handelt es sich um eine Klage auf höhere Leistungen, selbst wenn kein typischer Höhenstreit vorliegt, weil Analog-Leistungen regelmäßig in Form von Geldleistungen in entsprechender Anwendung des SGB XII erbracht werden und Leistungen nach §§ 3 ff AsylbLG grundsätzlich als Sachleistungen vorgesehen sind (BSGE 101, 49 ff RdNr. 14 = SozR 4-3520 § 2 Nr. 2) .
Ob - wie das LSG entschieden hat - die Kläger einen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem AsylbLG gegen den Beklagten als sachlich und örtlich zuständigen Leistungsträger (§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Aufnahme von ausländischen Flüchtlingen und zur Durchführung des AsylbLG vom 11.3.2004, Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 100) , insbesondere nach § 2 Abs. 1 AsylbLG iVm dem SGB XII, haben, kann der Senat nicht abschließend entscheiden, weil das LSG - ausgehend von seiner Rechtsansicht zu § 2 AsylbLG, die vom Senat nicht geteilt wird - keine ausreichenden Feststellungen zu den erforderlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG (hier in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern vom 30.7.2004 - BGBl I 1950 - erhalten hat) getroffen hat. Danach ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten (des § 1 AsylbLG) entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.
Die Kläger gehörten zwar im Dezember 2005 zum Kreis der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG, hielten sich als Ausländer tatsächlich im Bundesgebiet auf und waren in diesem Zeitraum im Besitz einer Duldung nach § 60 AufenthG; sie haben vor dem streitigen Zeitraum auch zumindest 36 Monate Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen. Ob sie allerdings ihre Aufenthaltsdauer in der Bundesrepublik Deutschland selbst rechtsmissbräuchlich beeinflusst haben, kann nicht beurteilt werden. Entgegen der Entscheidung des LSG, das der (früheren) Rechtsprechung des 9b-Senats des BSG (BSGE 98, 116 = SozR 4-3520 § 2 Nr. 1) gefolgt ist, handelt ein Leistungsempfänger nämlich nicht schon dann rechtsmissbräuchlich, wenn er trotz des auf Grund der Duldung bestehenden Abschiebeverbots nicht freiwillig ausreist und hierfür kein anerkennenswerter Grund vorliegt. Diese Rechtsprechung hat der Senat in seinem Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - (BSGE 101, 49 ff = SozR 4-3520 § 2 Nr. 2) aufgegeben und ein über das bloße Verbleiben und Stellen eines Asyl- bzw Asylfolgeantrags hinausgehendes vorsätzliches Verhalten gefordert. Ein sich hieraus ergebender Missbrauchsvorwurf kann dabei allerdings nicht durch eine zwischenzeitliche Integration, wie vom LSG angenommen, ausgeräumt werden. Ob das vorwerfbare Verhalten die Aufenthaltsdauer beeinflusst hat, ist vielmehr unter Berücksichtigung der gesamten Zeit zu beurteilen, die nach dem maßgeblichen Fehlverhalten verstrichen ist. Eine Beeinflussung der Aufenthaltsdauer liegt nach der Rechtsprechung des Senats dabei schon dann vor, wenn bei generell abstrakter Betrachtungsweise das rechtsmissbräuchliche Verhalten typischerweise die Aufenthaltsdauer verlängern kann, es sei denn, eine etwaige Ausreisepflicht des betroffenen Ausländers hätte unabhängig von seinem Verhalten ohnehin in dem gesamten Zeitraum ab dem Zeitpunkt des Rechtsmissbrauchs nicht vollzogen werden können.
Ob ein auf die Aufenthaltsverlängerung zielendes vorsätzliches sozialwidriges Verhalten bei den Klägern vorliegt, vermag der Senat nicht zu beurteilen. Nach den Feststellungen des LSG und nach Aktenlage kann dies hier wegen eventuell fehlerhafter Angaben der Kläger zu 1 und 2, albanische Volkszugehörige bzw Roma zu sein, der Fall sein. Es fehlen allerdings Feststellungen, ob die Kläger albanischer Volkszugehörigkeit oder der Volksgruppe der Roma zugehörig sind und insbesondere, ob insoweit überhaupt vorsätzlich falsche Angaben gemacht wurden, die auf die Aufenthaltsverlängerung zielten. Es ist schon nicht eindeutig, ob sich die Angaben gegenseitig zwingend ausschließen müssen. Denn "Volkszugehörigkeit" und "Staatsangehörigkeit" sind zwei rechtlich zu unterscheidende Begriffe. Ebenso wenig kann den Feststellungen des LSG entnommen werden, ob die Ausreisepflicht ab dem Zeitpunkt eines etwaigen Rechtsmissbrauchs nicht hätte vollzogen werden können oder etwa die Erlasslage des zuständigen Innenministeriums eine Abschiebung ohnehin nicht zugelassen hätte und es deshalb an der erforderlichen kausalen Verknüpfung zwischen dem Verhalten der Kläger und der Beeinflussung der Aufenthaltsdauer fehlen würde (BSGE 101, 49 ff RdNr. 44 = SozR 4-3520 § 2 Nr. 2). Ob die von dem Beklagten erhobenen Verfahrensrügen beachtlich sind, bedarf wegen der ohnedies erforderlichen Zurückverweisung der Sache an das LSG keiner Entscheidung. [...]