OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.03.2010 - 5 N 41.09 - asyl.net: M16810
https://www.asyl.net/rsdb/M16810
Leitsatz:

Keine Einbürgerung eines 59jährigen Ausländers mit unzureichenden Sprachkenntnissen, einem anerkannten Grad der Behinderung von 30 und vorübergehend eingeschränkter Arbeitsfähigkeit im Umfang von täglich weniger als drei Stunden. Nach dem Gutachten sei nach einer Reduktion des extremen Übergewichts und einer medikamentösen Behandlung mit einer deutlichen Besserung des Gesundheitszustands zu rechnen. Hält der Kläger es indes offenbar nicht für notwendig, dem ärztlichen Rat zu folgen und damit das ihm Zumutbare zur Besserung seiner Arbeitsfähigkeit beizutragen, hat er schon aus diesem Grund die Inanspruchnahme von staatlichen Sozialleistungen zu vertreten.

Schlagwörter: Einbürgerung, Sicherung des Lebensunterhalts, Erwerbstätigkeit, Behinderung
Normen: AuslG § 86 Abs. 1 S. 1
Auszüge:

[...]

Das Verwaltungsgericht hat zugunsten des Klägers unterstellt, dass er derzeit als 59jähriger Ausländer mit unzureichenden deutschen Sprachkenntnissen, einem anerkannten Grad der Behinderung von 30 sowie einer vom Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit zuletzt am 1. Juni 2009 festgestellten vorübergehend eingeschränkten Arbeitsfähigkeit im Umfang von täglich weniger als drei Stunden nur sehr geringe Möglichkeiten habe, einen Arbeitsplatz zu finden; gleichwohl habe er nicht das ihm in diesem Rahmen Zumutbare unternommen, um die Inanspruchnahme staatlicher Hilfe zum Lebensunterhalt (mindestens teilweise) zu vermeiden. Denn er habe sich ausschließlich im September 2007, sonst aber in den zwei Jahren vorher und nachher überhaupt nicht um Arbeit bemüht. Dem hält der Kläger entgegen, dass es ihm aufgrund seiner festgestellten Erkrankungen und seiner Schwerbehinderung nicht zuzumuten sei, sich "weiter um Arbeit zu bemühen"; das Gericht habe verkannt, dass das Gutachten des Ärztlichen Dienstes vom 1. Juni 2009 gegenüber dem anderthalb Jahre zuvor erstellten Gutachten keine anderslautenden Feststellungen enthalte, es somit nicht zu erwarten sei, dass sich sein Gesundheitszustand in Zukunft bessern werde.

Abgesehen davon, dass er mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 30 nicht schwerbehindert, sondern allenfalls "gleichgestellt behindert" ist (vgl. § 2 Abs. 2 und 3 SGB IX), zeigt der nach den insoweit nicht angegriffenen Rechtsausführungen der Vorinstanz darlegungs- und beweispflichtige Kläger auch im Zulassungsverfahren nicht auf, dass es auf dem Arbeitsmarkt für einen gelernten Bäcker unter den gegebenen Umständen keinerlei Arbeitsmöglichkeit, auch nicht als stundenweise Aushilfe, gäbe. Dass der Kläger dies selbst nicht anders sieht, folgt aus seiner Ankündigung im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13. Oktober 2009, er habe ab 2. Januar 2010 bei dem Lebensmittelhandel ... am ... eine Beschäftigung im Umfang von 5 mal 3 Stunden wöchentlich in Aussicht.

Zum anderen verkennt der Kläger - und nicht das Verwaltungsgericht - die Aussagen der Gutachten des Ärztlichen Dienstes zur erwarteten Dauer seiner gesundheitlichen Einschränkungen: Sowohl im Gutachten vom 19. Mai 2008, das der Kläger offenbar meint, wenn er von gleichlautenden Begutachtungen "innerhalb eines Zeitraumes von anderthalb Jahren" spricht, als auch in dem Gutachten vom 1. Juni 2009 ist vermerkt, dass nach einer Reduktion des extremen Übergewichts und einer medikamentösen Behandlung mit einer deutlichen Besserung der Wirbelsäulenbeschwerden, der Bluthochdruckwerte und der Asthmabeschwerden zu rechnen sei. Hält es der Kläger indes offenbar nicht für notwendig, dem ärztlichen Rat zu folgen und damit das ihm Zumutbare zur Besserung seiner Arbeitsfähigkeit beizutragen, hat er schon aus diesem Grund die Inanspruchnahme von staatlichen Sozialleistungen zu vertreten.

Die vom Kläger angeregte Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis seiner Leistungsunfähigkeit musste sich dem Gericht angesichts des erst rund vier Monate vor der Entscheidung erstellten Gutachtens des Ärztlichen Dienstes und der darin enthaltenen klaren Aussagen zum Gesundheitszustand des Klägers nicht aufdrängen.

Ein Ermessen, das der Kläger "auf Null reduziert" sieht, steht der Einbürgerungsbehörde bei der Feststellung der Tatbestandsvoraussetzung des nicht zu vertretenden Sozialleistungsbezugs nicht zu. Für eine besondere Härte im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich; substantielle Einwände dagegen lassen sich der Antragsbegründung nicht entnehmen. [...]