VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Urteil vom 21.01.2010 - 13a B 08.30304 - asyl.net: M16842
https://www.asyl.net/rsdb/M16842
Leitsatz:

1. Der Kläger hat auch nach der zwischenzeitlichen Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, da die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Art. 18 QRL dem Kläger eine zusätzliche Rechtsposition vermitteln kann.

2. Kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG mangels relevanter Verfolgungsdichte: Die statstische Wahrscheinlichkeit, in Tamim/Kirkuk Opfer eines tödlichen Anschlags zu werden, beträgt ca. 0,032% pro Jahr. Geht man wie der Kläger außerdem davon aus, dass auf einen Toten durchschnittlich drei Verletzte kommen, so beträgt die Wahrscheinlichkeit, durch einen Terroranschlag verletzt oder getötet zu werden, für 2009 ca 0,13% oder ca. 1:770 pro Jahr.

Schlagwörter: Abschiebungsverbot, Irak, Rechtsschutzinteresse, Niederlassungserlaubnis, Qualifikationsrichtlinie, subsidiärer Schutz, innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, erhebliche individuelle Gefahr, allgemeine Gefahr, Verfolgungsdichte, Kirkuk, Tamim, Sperrwirkung, Erlasslage
Normen: RL 2004/83/EG Art. 18, AufenthG § 60 Abs. 7 S. 2, RL 2004/83/EG Art. 15 Bst. c, AufenthG § 60 Abs. 7 S. 3
Auszüge:

[...]

Die Berufung ist zulässig. Für das auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gerichtete Klagebegehren besteht weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis, obwohl der Kläger mittlerweile im Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG ist. Die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach Art. 18 QualRL könnte dem Kläger eine zusätzliche Rechtsposition neben derjenigen durch die Aufenthaltsgewährung aus humanitären Gründen nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes vermitteln.

Die Berufung ist aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die vom Kläger geltend gemachten Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind nicht gegeben. Gemäß dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni 2008 (BVerwG 10 C 43.07 BVerwGE 131, 198 = NVwZ 2008, 1241 - Parallelsache zu BVerwG 10 C 45.07) dient das durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) neu in das Aufenthaltsgesetz eingefügte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG der Umsetzung der Regelung über den subsidiären Schutz nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (sog. Qualifikationsrichtlinie - QualRL). Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG setzt - wie die umgesetzte Vorschrift des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie - einen internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikt voraus. Erst wenn Konflikte eine solche Qualität erreicht haben, wird danach ein Schutzbedürfnis für die betroffenen Zivilpersonen anerkannt. Der Begriff des internationalen wie auch des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist unter Berücksichtigung der Bedeutung dieses Begriffs im humanitären Völkerrecht auszulegen. Dabei sind insbesondere die vier Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht vom 12. August 1949 heranzuziehen. In Art. 3 GK 1949 wird der innerstaatliche bewaffnete Konflikt beschrieben. Eine Präzisierung erfährt der Begriff durch das am 8. Juni 1977 abgeschlossene Zusatzprotokoll - ZP - II zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (BGBl 1990 II S. 1637). Das Zusatzprotokoll II definiert in Art. 1 Nr. 1 den Begriff des nicht internationalen bewaffneten Konflikts und grenzt ihn in Nr. 2 von Fällen "innerer Unruhen und Spannungen" ab, die nicht unter den Begriff fallen. Dieses Protokoll findet nicht auf Fälle wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen Anwendung. Danach liegt ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinn des humanitären Völkerrechts jedenfalls dann vor, wenn der Konflikt die Kriterien des Art. 1 Nr. 1 ZP II erfüllt. Er liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die Ausschlusstatbestände des Art. 1 Nr. 2 ZP II erfüllt sind, es sich also nur um innere Unruhen und Spannungen handelt, die nicht als bewaffnete Konflikte gelten. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinn von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss hierfür aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Der völkerrechtliche Begriff des "bewaffneten Konflikts" wurde gewählt, um klarzustellen, dass nur Auseinandersetzungen von einer bestimmten Größenordnung an in den Regelungsbereich der Vorschrift fallen. Es ist nicht anzunehmen, dass auch ein sog. "low intensity war" die Qualität eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinn von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie erfüllt, zumal der Begriff wenig präzise erscheint. Weitere Anhaltspunkte für die Auslegung des Begriffs des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts können sich aus dem Völkerstrafrecht ergeben, insbesondere aus der Rechtsprechung der Internationalen Strafgerichtshöfe. Kriminelle Gewalt dürfte bei der Feststellung, ob ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, jedenfalls dann keine Berücksichtigung finden, wenn sie nicht von einer der Konfliktparteien begangen wird. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt liegt auch dann vor, wenn die o.g. Voraussetzungen nur in einem Teil des Staatsgebiets erfüllt sind. Das ergibt sich schon daraus, dass gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG auch für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG die Regeln über den internen Schutz nach Art. 8 der Richtlinie gelten. Ein aus seinem Herkunftsstaat Geflohener kann nur auf eine landesinterne Schutzalternative verwiesen werden, wenn diese außerhalb des Gebiets eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts liegt. Damit wird anerkannt, dass sich ein innerstaatlicher Konflikt nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken muss. Auch nach Art. 1 ZP II genügt, dass die bewaffneten Gruppen Kampfhandlungen in einem "Teil des Hoheitsgebiets" durchführen.

Die nunmehr in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG getroffene Regelung, die Abschiebungsschutz suchende Ausländer im Fall allgemeiner Gefahren auf die Aussetzung von Abschiebungen durch ausländerbehördliche Erlasse verweist, ist richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass sie nicht die Fälle erfasst, in denen die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie erfüllt sind. Nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG sind Gefahren im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt sind, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG ermächtigt die oberste Landesbehörde zur Aussetzung der Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen für die Dauer von längstens sechs Monaten. Ein Ausländer, der die Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie erfüllt, hat nach Maßgabe des Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. Es widerspricht den Vorgaben der Richtlinie, wenn einem Ausländer, der Anspruch auf subsidiären Schutz nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie hat und nicht den Ausschlusstatbestand des Art. 24 Abs. 2 Halbsatz 2 der Richtlinie erfüllt, kein Aufenthaltstitel, sondern lediglich eine Duldung wegen Aussetzung der Abschiebung nach § 60a AufenthG erteilt würde. Deshalb ist § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG richtlinienkonform dahin auszulegen, dass er bei Vorliegen der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie keine Sperrwirkung entfaltet.

Die Tatbestandsvoraussetzungen der "erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben" entsprechen denen einer "ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit" im Sinn von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie. Hierbei ist zu prüfen, ob sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende - und damit allgemeine - Gefahr in der Person des Klägers so verdichtet hat, dass sie eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darstellt. Auch eine allgemeine Gefahr, die von einem bewaffneten Konflikt ausgeht, kann sich individuell verdichten und damit die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie erfüllen. Normalerweise hat ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt allerdings nicht eine solche Gefahrendichte, dass alle Bewohner des betroffenen Gebiets ernsthaft persönlich betroffen sein werden. Das ergibt sich u.a. aus dem 26. Erwägungsgrund der Richtlinie, nach dem Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre. Ausgeschlossen wird eine solche Betroffenheit der gesamten Bevölkerung oder einer ganzen Bevölkerungsgruppe allerdings nicht, was schon durch die im 26. Erwägungsgrund gewählte Formulierung "normalerweise" deutlich wird. Eine allgemeine Gefahr kann sich aber insbesondere durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzen. Solche Umstände können sich auch aus einer Gruppenzugehörigkeit ergeben. In Betracht kommt in diesem Zusammenhang für den Irak etwa die Zugehörigkeit zu einer der dortigen politischen Parteien sowie zur Berufsgruppe der Journalisten, Professoren, Ärzte und Künstler. Allgemeine Lebensgefahren, die lediglich Folge des bewaffneten Konflikts sind - etwa eine dadurch bedingte Verschlechterung der Versorgungslage -, können nicht in die Bemessung der Gefahrendichte einbezogen werden. Im Übrigen gelten für die Feststellung der Gefahrendichte ähnliche Kriterien wie im Bereich des Flüchtlingsrechts für den dort maßgeblichen Begriff der Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung. Hierfür müssen allerdings stichhaltige Gründe dargelegt werden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Gefahr infolge von "willkürlicher Gewalt" drohen muss.

Die Frage, ob die im Irak seit 2003 andauernden, durch staatliche Sicherheitskräfte (Polizei und Militär) bekämpften terroristischen Handlungen (Begriff s. Art. 4 Nr. 2 Buchst. d Zusatzprotokoll II) nach Intensität und Größenordnung als vereinzelt auftretende Gewalttaten im Sinn von Art. 1 Nr. 2 Zusatzprotokoll II oder aber als anhaltende Kampfhandlungen bewaffneter Gruppen im Sinn von Art. 1 Nr. 1 Zusatzprotokoll II zu qualifizieren sind, kann dahinstehen, weil nach der Überzeugung des Senats der Kläger keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wäre. Bezüglich der Gefahrendichte ist auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen, in die ein Kläger typischerweise zurückkehren wird (BVerwG vom 14.7.2009 - BVerwG 10 C 9.08 Rn. 17 AuAS 2010, 31 = NVwZ 2010, 196). Es ist nicht anzunehmen, dass die Gefahrendichte in Kirkuk so hoch ist, dass praktisch jede Zivilperson alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (vgl. BVerwG vom 14.7.2009 a.a.O. Rn. 15; EuGH vom 17.2.2009, NVwZ 2009, 705). Dies ergibt sich aus der Größenordnung der Anschläge und der Anzahl der Opfer im Verhältnis zur Einwohnerzahl (vgl. BVerwG vom 21.4.2009 NVwZ 2009, 1237 = BayVBl 2009, 605). Gemäß den von der britischen regierungsunabhängigen Organisation Iraq Body Count erhobenen Daten, auf die sich sowohl die Klägerseite als auch die Beklagtenseite stützt, ergibt sich folgendes Bild: Bezogen auf den Irak im Ganzen war 2009 mit 4644 getöteten Zivilpersonen (2008: 9217) das Jahr mit der niedrigsten Anzahl von Opfern seit dem Einmarsch der Koalitionsstreitkräfte im Jahr 2003. Bezogen auf die Provinz Tamim (0,9 Mio. Einwohner) mit der Provinzhauptstadt Kirkuk (0,75 Mio. Einwohner) wurden vom Iraq Body Count für das Jahr 2009 ca. 100 Anschläge mit ca. 290 getöteten Zivilpersonen verzeichnet (Zahlen ermittelt aus Iraq Body Count Database/Incidents/Records). Wenn man diese Zahlen zueinander ins Verhältnis setzt, beträgt die statistische Wahrscheinlichkeit, in Tamim/Kirkuk Opfer eines tödlichen Anschlags zu werden, ca. 0,032 % oder ca. 1:3100 pro Jahr. Für das Jahr 2008 wurden von Iraq Body Count ca. 100 Anschläge mit 265 getöteten Zivilpersonen verzeichnet (entspricht ca. 0,03 %). Geht man mit dem Kläger außerdem davon aus, dass auf einen Toten durchschnittlich drei Verletzte kommen (s. Schriftsatz vom 18.3.2009), so beträgt die Wahrscheinlichkeit, durch einen Terroranschlag verletzt oder getötet zu werden, für 2009 ca. 0,13 % oder ca. 1:770 pro Jahr. Bei Zugrundelegung der im United Nations Assistance Mission for Iraq - UNAMI - Human Rights Report vom 29. April 2009 (zitiert im Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe vom 5.11.2009) aufgeführten Opferzahlen für 2008 bezogen auf Tamim/Kirkuk bleibt die Größenordnung ungefähr die Gleiche. Gemäß der in diesem Report enthaltenen Statistik der irakischen Regierung betrug die Zahl der Toten 310 und die Zahl der Verletzten 760. Hiernach belief sich die Wahrscheinlichkeit, durch einen Terroranschlag verletzt oder getötet zu werden, im Jahr 2008 für Tamim/Kirkuk auf ca. 0,12 % oder 1:800. Der Hinweis des Klägers auf zwei verheerende Bombenanschläge im Juni 2009 mit insgesamt 115 Toten stellt die Risikoabschätzung des Senats nicht in Frage, weil die Anzahl von Massenanschlägen sowie deren Opfer in der Statistik des Iraq Body Count für 2009 enthalten sind. Für die Annahme, dass sich die Sicherheitslage wesentlich verschärfen werde, gibt es keine prognostisch gesicherten Anhaltspunkte. Die Erkenntnis im Lagebericht des UNHCR vom April 2009 (Eligiblility guidelines for assessing the international protection needs of Iraqi asylum-seekers; RdNr. 202), dass die gewalttätigen Machtkämpfe unter den konkurrierenden Volksgruppen anhalten und dass die Spannungen sowie die gelegentliche ("sporadic") Gewalt künftige Verhandlungen über den Status von Kirkuk erschweren, bestätigt die Befürchtungen des Klägers nicht. Die nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgebliche Sachlage beruht deshalb hauptsächlich auf den Zahlen von 2009. Die vom Kläger ohne konkrete Anhaltspunkte geltend gemachte hohe Dunkelziffer bei den Verletztenzahlen vermag keine andere Einschätzung zu rechtfertigen. [...]

Die Voraussetzungen des hilfsweise begehrten Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. [...]

Die Feststellung eines Abschiebungsverbots wegen der Gewaltkriminalität im Irak ist nicht geboten. Die vom Kläger befürchteten Raubüberfälle auf mutmaßlich oder vermeintlich wohlhabende Heimkehrer stellen wie das im Irak allgemein hohe Kriminalitätsniveau ein Sicherheitsproblem dar, das sich nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts (Lagebericht vom 12.8.2009, S. 30) nur sehr schwer bewerten lässt. Sollte es sich hierbei um Einzelfälle handeln, so bestünde für den Kläger keine erhebliche konkrete Gefahr im Sinn der genannten Vorschrift. Falls die Gefahr aber so groß ist, dass grundsätzlich jeder Heimkehrer mit einem Überfall rechnen muss (vgl. BVerwG vom 12.7.2001 - BVerwGE 115, 1), wäre ihr die Bevölkerungsgruppe der Heimkehrer allgemein ausgesetzt, so dass sie gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG (nur) bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen wäre. Da gemäß den Vollzugshinweisen des Bayerischen Staatsministenums des Innern (vgl. IMS vom 17.4.2007- Az. IA2-2082.40-72/Ri; IMS vom 3.7.2008 Az. IA2-2086.10-439) die Abschiebung irakischer Staatsangehöriger nach wie vor grundsätzlich ausgesetzt ist und Duldungen bis auf Weiteres grundsätzlich um jeweils sechs Monate verlängert werden, liegt eine sog. Erlasslage vor, die bezüglich der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Sperrwirkung hat (BVerwG vom 12.7.2001 BVerwGE 114, 379). Die richtlinienkonforme Auslegung, wonach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Vorliegen der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie keine Sperrwirkung entfaltet, kommt hier nicht zum Tragen. Da Art. 15 Buchst. c der Richtlinie auf willkürliche Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts abstellt, sind kriminelle Handlungen, die nicht im Rahmen eines solchen Konflikts begangen werden, von dieser Vorschrift nicht erfasst. [...]