OLG Köln

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Zitieren als:
OLG Köln, Urteil vom 19.01.2010 - 24 U 51/09 [= ASYLMAGAZIN 2010, S. 279 f.] - asyl.net: M16848
https://www.asyl.net/rsdb/M16848
Leitsatz:

Anspruch auf Geldentschädigung von 2.500,- EUR pro Person wegen Diskriminierung auf Grund der Hautfarbe bei der Wohnungssuche (Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes).

Schlagwörter: Diskriminierungsverbot, allgemeines Persönlichkeitsrecht, Schadensersatz, Schmerzensgeld, Wohnungssuche, Menschenwürde, Gleichheitsgrundsatz, Auskunftsanspruch
Normen: BGB § 823 Abs. 1, BGB § 831 Abs. 1 S. 1, GüSchlG NRW § 10 Abs. 1 Nr. 2, BGB § 253 Abs. 2, GG Art. 1, GG Art. 2 Abs. 1, AGG § 19
Auszüge:

[...]

Den Klägern stehen die geltend gemachten Zahlungsansprüche gegen den Beklagten aus § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Nach dieser Bestimmung ist, wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt.

Die Zeugin C. hat nach dem im Berufungsrechtszug unstreitig gewordenen Sachvortrag der Kläger diesen widerrechtlich einen Schaden zugefügt. Sie hat den Klägern eine zuvor mit der Zeugin I. telefonisch vereinbarte Wohnungsbesichtigung mit den Worten "Die Wohnung wird nicht an Neger, äh ... Schwarzafrikaner und Türken vermietet" verweigert und dies mit einer Anweisung der Hausverwaltung begründet. Der Beklagte hat mit Schriftsätzen vom 30.11.2009 und 1.12.2009 in Abweichung von seinem bisherigen Vortrag die Sachverhaltsdarstellung der Kläger insoweit zugestanden.

Durch diese Handlung hat die Zeugin C. die Menschenwürde der Kläger, die Teil ihres durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist, verletzt. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kläger liegt sowohl darin, dass die Zeugin C. sie als "Neger" bezeichnet hat, als auch darin, dass sie ihnen wegen ihrer Hautfarbe die Besichtigung und Vermietung der Wohnung verweigert hat. Die Bezeichnung einer Person als "Neger" ist nach inzwischen gefestigtem allgemeinen Sprachverständnis eindeutig diskriminierend und verletzt den Betroffenen, was der Beklagte auch nicht in Abrede stellt, in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Es stellt auch, wie der Beklagte ebenfalls nicht in Zweifel zieht, einen Angriff auf die Menschenwürde der Kläger dar, dass ihnen allein wegen ihrer Hautfarbe die Möglichkeit zur Besichtigung und etwaigen Anmietung der Wohnung verweigert worden ist.

Bei einem Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist, sofern nicht ein allgemeiner Rechtfertigungsgrund vorliegt, die Feststellung eines Eingriffs in die geschützte Persönlichkeitssphäre für sich genommen nicht ausreichend, um die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung zu bejahen. Vielmehr muss in jedem Einzelfall unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände, insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, festgestellt werden, ob der Eingriff befugt war oder nicht. Maßgeblich für die Abgrenzung ist das Prinzip der Güter- und Interessenabwägung (Palandt/Sprau, a.a.O., § 823 Rn. 95 ff. mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Die gebotene Güter- und Interessenabwägung führt hier dazu, den Eingriff der Zeugin C. in die Persönlichkeitssphäre der Kläger als unbefugt anzusehen.

Auf Seiten des Verletzten ist bei der Abwägung zunächst zu berücksichtigen, in welchen Teil der Persönlichkeitssphäre eingegriffen wurde. Vorliegend ist die Sozialsphäre der Kläger betroffen. Insoweit sind jedenfalls schwerwiegende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht, insbesondere Stigmatisierung und Ausgrenzung, verboten (BGH NJW 2005, 592). Einen solchen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Kläger in Form der Ausgrenzung hat die Zeugin C. nach dem unstreitig gewordenen Sachverhalt jedoch begangen. Weiterhin ist die Schwere des Eingriffs und seiner Folgen in die Abwägung einzubeziehen. Die Kläger, die ursprünglich nach B. umziehen wollten, sind durch den Eingriff in ihren Bemühungen um die Verwirklichung dieser Absicht beeinträchtigt worden. Das eigene vorherige Verhalten des Verletzten, weiteres Kriterium bei der Berücksichtigung der Interessen des Verletzten, bildet im vorliegenden Fall bei der Abwägung kein Gegengewicht, weil die Kläger sich wie jeder andere auf Wohnungssuche begeben und eine Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts nicht herausgefordert haben. Auf Seiten des Schädigers sind Motiv und Zweck des Eingriffs in die Abwägung einzubeziehen. Nach dem Vortrag der Kläger kam es dem Beklagten, nach dem Vortrag des Beklagten jedenfalls den Eigentümerinnen darauf an, keine farbigen Mieter im Objekt zuzulassen. Motiv und Zweck waren demnach auf eine Ausgrenzung solcher Mietinteressenten und damit auf eine nicht zulässige Diskriminierung wegen der Rasse ausgerichtet, was bei der Güter- und Interessenabwägung im Rahmen der Beurteilung der Rechtswidrigkeit der diskriminierenden Handlungen nicht zu Gunsten der Zeugin C. ins Gewicht fallen kann. Der Eingriff der Zeugin in die Persönlichkeitssphäre der Kläger ist insbesondere aufgrund der Schwere der begangenen Persönlichkeitsrechtsverletzung, die nicht von billigenswerten Motiven getragen ist, eindeutig rechtswidrig. [...]

Die Zeugin C. hat auch in Ausführung der Verrichtung des Beklagten gehandelt. Dies ist dann der Fall, wenn ein unmittelbarer innerer Zusammenhang zwischen aufgetragener Verrichtung und der schädigenden Handlung besteht (BGH NJW-RR 1989, 723). Ein solcher Zusammenhang ist vorliegend gegeben. Die Zeugin C. war mit der tatsächlichen Abwicklung der Wohnungsbesichtigung befasst, bei der es zu der Diskriminierung der Kläger gekommen ist.

Der Beklagte hat sich nicht gemäß § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB entlastet. Den Entlastungsbeweis hinsichtlich seiner Pflichtverletzung betreffend die Zeugin C. hat er nicht angetreten. Er hat - anders als hinsichtlich seiner eigenen Mitarbeiter, insbesondere der Zeugin I. - nicht vorgetragen, die Zeugin C. bei Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes geschult und anschließend regelmäßig überwacht zu haben. Vielmehr hat er im Schriftsatz vom 30.11.2009 ausdrücklich zugestanden, der Zeugin C. keine Vorgaben gemacht zu haben, in welcher Art und Weise die Wohnungsbesichtigungen durchgeführt werden sollten. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugin C. sich wie geschehen verhalten hätte, wenn der Beklagte sie zu nicht diskriminierendem Verhalten angehalten oder ihr Verhalten in Bezug hierauf überwacht hätte. Der Beklagte behauptet, seine Mitarbeiterin, die Zeugin I., habe auf Anweisung der Eigentümerinnen der Wohnung die Zeugin C. angewiesen, "schwarzhäutige Mitbürger als Mieter nicht mehr zuzulassen und diese abzuweisen". Wie die Zeugin C. darauf reagiert hätte, wenn sie zuvor von dem Beklagten zu nicht diskriminierendem Verhalten angehalten worden wäre, ist offen. Es spricht nach Auffassung des Senats ebenso viel dafür, dass sie in diesem Fall den Beklagten befragt und seine Entscheidung eingeholt hätte, wie dafür, dass sie die Weisung der Zeugin I. ohne Weiteres ausgeführt hätte. Zudem ist dem Beklagten mit der Ladungsverfügung vom 4.9.2009 unter anderem Gelegenheit gegeben worden, zu den Entlastungsmöglichkeiten gemäß § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB vorzutragen. Dass die Zeugin C. sich auch bei ausreichender Belehrung wie geschehen verhalten hätte, hat der Beklagte darauf hin nicht vorgetragen.

Die geltend gemachten Zahlungsansprüche sind auch der Höhe nach gerechtfertigt. Die Fahrtkosten zur Beratung im Antidiskriminierungsbüro sind materielle Schäden, die ohne die von der Zeugin begangene Diskriminierung nicht entstanden wären. Es handelt sich um vermögensrechtliche Folgen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Fahrtkosten zur Besichtigung der Wohnung sind den Klägern nach § 249 BGB zu ersetzende vergebliche Aufwendungen, weil die Zeugin C. die Absicht der Kläger, die vom Beklagten verwaltete Wohnung als Mietinteressenten zu besichtigen, durch ihr diskriminierendes Verhalten vereitelt hat. Die Höhe der den Klägern entstandenen Fahrtkosten hat der Beklagte nicht bestritten.

Die Kläger können auch eine Geldentschädigung für die ihnen entstandenen immateriellen Schäden verlangen. Ein Anspruch hierauf ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht aus § 253 Abs. 2 BGB, sondern unmittelbar aus §§ 831, 823 BGB. Für die Entschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist anerkannt, dass es sich im eigentlichen Sinne nicht um ein Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 2 BGB handelt, sondern um einen Rechtsbehelf, der auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG zurückgeht. Die Zubilligung einer Geldentschädigung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktionen blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Anders als beim Schmerzensgeldanspruch steht bei dem Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund (BGH NJW 1995, 861; 2000, 2195; 2005, 215; BVerfG, NJW 2000, 2187). Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass es sich um eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt, bei der die Beeinträchtigung nach Art und Weise der Verletzung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann (BGH a.a.O.; Palandt/Sprau, a.a.O., § 823 Rn. 124). Vorliegend handelt es sich um eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kläger, zumal bei Verstößen gegen die Menschenwürde geringere Anforderungen an die Intensität des Eingriffs gestellt werden müssen (BGH NJW 2005, 58). Die Beeinträchtigung kann auch nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden. Auch der Beklagte hat einen solchen anderweitigen Ausgleich nicht aufgezeigt oder angeboten.

Bemessungsfaktor für die Höhe der Geldentschädigung ist die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung. Diese bewertet der Senat als so schwerwiegend, dass ihm die von den Klägern jeweils geltend gemachten 2.500,- € angemessen erscheinen. Dass der Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten hat erklären lassen, er bedauere den zugrundeliegenden Vorfall, verschafft den Klägern keine Genugtuung in einem solchen Umfange, dass hierdurch die Höhe der Geldentschädigung zu reduzieren wäre. Der Beklagte hat bis zum vom Senat angesetzten Beweisaufnahmetermin die tatsächlichen Behauptungen der Kläger bestritten, seine Verantwortlichkeit für die von ihm bei der Besichtigung eingesetzte Zeugin C. bestreitet er weiterhin. [...]