VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 03.11.2009 - 11 K 6860/08.A - asyl.net: M16861
https://www.asyl.net/rsdb/M16861
Leitsatz:

PTBS ist in Algerien grundsätzlich behandelbar.

Schlagwörter: Abschiebungsverbot, Algerien, Kind, Posttraumatische Belastungsstörung, Retraumatisierung, medizinische Versorgung, inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1,
Auszüge:

[...]

Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht nicht. [...]

Die Frage des Eintritts einer Rechtsgutsverletzung ist dabei mit dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu prüfen (BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 BVerwGE 99, 324, 330).

Bei dem Kläger liegen gemäß der ärztlichen Stellungnahme vom 23. April 2008 eine posttraumatische Belastungsstörung, eine Störung der Grobmotorik, eine Störung der Feinmotorik und eine expressive Sprachstörung vor.

Soweit sich aus den ärztlichen Stellungnahmen ergibt, dass der Kläger für seine Therapie ein sicheres Umfeld ohne Bedrohung durch die Abschiebung benötigt und dass die Abschiebung selbst sowie der Abbruch der zu seinem Therapeuten entwickelten Beziehung je für sich genommen zu einer Retraumatisierung mit einer Verschlimmerung der Symptomatik führen würden, so begründet dies kein durch die Beklagte festzustellendes Abschiebungsverbot, insoweit handelt es sich um inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse. Denn die befürchteten negativen Auswirkungen treten allein durch die Abschiebung als solche und nicht wegen der spezifischen Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung ein (BVerwG, Urteil vom 21. September 1999 -, NVwZ 2000, 206, 207). [...]

Dass dem Kläger bei einer Ausreise nach Algerien wegen unzureichender Behandlungsmöglichkeiten dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben drohte, ist substantiiert nicht geltend gemacht worden. Das Krankheitsbild einer posttraumatischen Belastungsstörung ist in Algerien grundsätzlich behandelbar (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 27. März 2007 - 508-516.80/45192 -).

Dafür, dass der Kläger eine entsprechende Behandlung bei Rückkehr nicht erlangen könnte, ist nichts Konkretes vorgetragen. Da der Kläger in Deutschland geboren ist, haben die Gründe seiner Traumatisierung auch lediglich mittelbar - nämlich aufgrund der psychischen Erkrankungen seiner Mutter - mit dem Zielstaat der Abschiebung zu tun. Selbst wenn eine erhebliche Gefahr, also eine wesentliche Gesundheitsgefahr bei Rückkehr drohen sollte, lässt sich mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit jedenfalls nicht feststellen, dass diese alsbald nach Rückkehr eintreten würde. Insbesondere enthalten die vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen keine entsprechenden Aussagen. In Anbetracht des kindlichen Alters des Klägers dürfte dies auch schwer zu prognostizieren sein.

Eine - mittelbar - zielstaatsbezogene Gefahren ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger gemeinsam mit seiner Mutter zu einem Zeitpunkt nach Algerien zurückkehren muss, in dem diese aufgrund ihrer eigenen Erkrankung noch nicht in der Lage ist, dem Kläger eine verlässliche Bezugsperson zu sein und deshalb im Zielstaat der Abschiebung eine erhebliche Gesundheitsverschlechterung beim Kläger eintritt. Zwar ist nach den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen die Gesundung und weitere Entwicklung des Klägers vor allem auch davon abhängig, dass seine Mutter ihm einen stabilen und verlässlichen Rahmen bieten kann. Es ist bei der anzustellenden Prognose hinsichtlich der Rückkehr des Klägers jedoch nicht davon auszugehen, dass eine Rückkehr stattfinden wird, bevor die Mutter psychisch hinreichend stabilisiert ist. Denn in ihrer Person besteht ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (vgl. rechtskräftiges Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 25. September 2008 - 11 K 3392/07.A -).

Welche Folgen dem Kläger hypothetisch drohen könnten, sollte er ohne seine Mutter nach Algerien abgeschoben werden, ist weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Diese Frage ist auch rechtlich unerheblich. Denn es ist allein Aufgabe der Ausländerbehörde zu prüfen, ob trennungsbedingte mittelbare Gefahren im Abschiebezielstaat Vollstreckungshindernisse begründen (BVerwG, Urteil vom 21. September 1999 - 9 C 12.99 -, BVerwGE 109, 305 ff/juris Rdnr. 18; vgl. Auch BverwG, Urteil vom 8. September 1992 - 9 C 8.91 -, BVerwGE 90, 354 ff./juris). [...]