SG Augsburg

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Zitieren als:
SG Augsburg, Urteil vom 11.03.2010 - S 15 AY 3/09 - asyl.net: M16880
https://www.asyl.net/rsdb/M16880
Leitsatz:

Zur Erstattung von Unterkunftskosten der Gemeinschaftsunterkunft bei Erwerbseinkommen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Schlagwörter: Asylbewerberleistungsgesetz, Erstattungsforderung, Sozialamt, Sachleistungen, Unterkunftskosten, Gemeinschaftsunterkunft, SGB X, Anwendbarkeit, Zuweisung
Normen: AsylbLG § 7 Abs. 1 S. 3, AsylbLG § 3 Abs. 2 S. 2, SGB X § 45, SGB X § 50, AsylDV § 8, AsylDV § 13, AsylbLG § 7 Bst. b
Auszüge:

[...]

Grundlage für die Erstattungsforderung ist § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG. Danach haben Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG bei der Unterbringung in einer Einrichtung, in der Sachleistungen gewährt werden, für die erhaltenen Leistungen dem Kostenträger für sich und ihre Familienangehörigen die Kosten in entsprechender Höhe der in § 3 Abs. 2 Satz 2 genannten Leistungen sowie die Kosten der Unterkunft und Heizung zu erstatten, soweit Einkommen und Vermögen im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG vorhanden ist; für die Kosten der Unterkunft und Heizung können die Länder Pauschalbeträge festsetzen oder die zuständige Behörde dazu ermächtigen. [...]

Die Kammer teilt nicht die Auffassung des Klägers, dass die Grundsätze der §§ 45, 50 SGB X nicht beachtet worden wären. Denn tatsächlich sind diese Vorschriften im Rahmen der vorliegenden Erstattungsforderung nicht anzuwenden, da § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG insoweit eine vorrangig anzuwendende Erstattungsregelung für den Fall der Unterbringung in einer GU darstellt.

§ 45 SGB X ist bereits deshalb nicht anwendbar, weil die erbrachte Leistung (hier die Unterbringung in der GU einschließlich der Versorgung mit Haushaltsenergie) nicht rechtswidrig war und, worauf der Beklagte zu Recht verwiesen hat, auch bei rechtzeitiger Kenntnis der Einkünfte des Klägers hätte erbracht werden müssen.

Zum einen handelt es sich bei der Unterbringung um eine Sachleistung, die unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen zu erbringen ist. Zum anderen folgt die Pflicht zur Wohnungsnahme bei einem Asylbewerber bereits aus der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Behörde für die Verteilung von Asylbewerbern (§ 8 AsylDV). Die Verpflichtung des Beklagten in diesem Fall, den notwendigen Bedarf an Ernährung, Unterkunft und Heizung, Mittel zur Gesundheits- und Körperpflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts als Sachleistung zu gewähren, folgt dabei aus § 13 Abs. 1 AsylDV. Aus § 13 Abs. 3 AsylDV ergibt sich auch, dass die Wohnsitznahme in der Aufnahmeeinrichtung oder GU verpflichtend ist, solange nicht ausdrücklich der Auszug behördlich genehmigt worden ist. Entsprechend ist daher in § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG abweichend von der Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG über die Einkommensanrechnung bei der Unterbringung in einer GU ausdrücklich die nachträgliche Erstattung im Wert der erbrachten Leistungen und im Umfang der Leistungsfähigkeit vorgesehen.

Es handelt sich dabei um eine besondere Form der sog. erweiterten Hilfe, die das Sozialhilferecht auch an anderer Stelle kennt, nämlich in § 19 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) bzw. bis 31.12.2004 noch ausdrücklicher in § 29 Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Fälle der sog. erweiterten Hilfe oder auch unechte Sozialhilfe genannt sind dabei insbesondere Fälle, in denen eine Leistung insgesamt als Sachleistung zu erbringen ist (z.B. Heimunterbringung) und diese Hilfe nur erbracht werden kann, wenn bis zur abschließenden Klärung des Umfangs der eigenen Leistungsfähigkeit der Sozialhilfeträger insgesamt in Vorleistung tritt. Auch in diesen Fällen erfolgt der nachträgliche Aufwendungsersatz aufgrund der speziellen Regelung in § 19 Abs. 5 SGB XII, ohne dass die Vorschriften des SGB X ergänzend oder eingrenzend zu beachten wären. Insbesondere ist auch für die Geltendmachung des Aufwendungsersatzes gemäß § 19 Abs. 5 SGB XII keine Ermessensausübung erforderlich; es handelt sich um eine gebundene Entscheidung.

Abzugrenzen ist allerdings auch in diesem Fall von der Konstellation, dass die Leistung aufgrund des Einkommens oder Vermögens rechtswidrig erbracht worden ist, weil tatsächlich kein Fall vorgelegen hat, in dem die erweiterte Hilfegewährung angezeigt bzw. erforderlich war. In diesem Fall darf dann der Leistungsträger die Vorschriften des SGB X nicht dadurch umgehen, dass er seinen Rückforderungsanspruch als Aufwendungsersatz geltend macht. Dass vorliegend die Hilfegewährung durch den Beklagten nach Überzeugung der Kammer nicht rechtswidrig war, wurde bereits ausgeführt. Der Beklagte war daher verpflichtet, die Kosten für die in der Unterkunft erbrachten Sachleistungen (hier Unterkunftskosten) vom Kläger aus seinem Einkommen zu verlangen, ohne dass ihm vom Gesetz ein Ermessen eingeräumt wäre. Daher ist zwar die Begründung der streitgegenständlichen Bescheide insoweit fehlerhaft, als sie sich auf §§ 45, 50 SGB X beziehen, nicht aber die Erstattungsforderung selbst.

Die Kammer vertritt weiter die Auffassung, dass aus diesem Grund § 7b AsylbLG bereits in seinem Anwendungsbereich nicht eröffnet ist. Denn dabei handelt es sich ausdrücklich um eine Ergänzung zu § 50 SGB X, der vorliegend bereits nicht anwendbar ist. Abweichend von § 50 SGB X sind danach 56 v.H. der bei der Leistung nach den §§ 2 und 3 berücksichtigten Kosten für Unterkunft mit Ausnahme der Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung nicht zu erstatten.

Im Übrigen wären auch bei der grundsätzlichen Annahme einer Anwendbarkeit die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt.

Denn bei der Unterbringung in der GU handelt es sich nicht um einen Wohnraum im Sinne des § 4a des Wohngeldgesetzes. Hierbei müsste es sich nämlich um einen Raum handeln, der tatsächlich und (bau-) rechtlich zur dauernden Wohnnutzung geeignet und vom (Verfügungs-) Berechtigten dazu bestimmt ist. An einer Bestimmung zum dauernden Wohnen fehlt es, wenn ein Raum nach dem Willen des Verfügungsberechtigten dazu dienen soll, vorübergehend Abhilfe in einer Notsituation zu schaffen. Das ist der Fall, wenn er dem Benutzer - etwa aus Gründen der Fürsorge - als Zwischenstation bis zum Auffinden einer eigenen, auf eine längerfristige (Wohn-) Nutzung angelegten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird (Bundesverwaltungsgericht vom 14.08.1992 - 8 C 39/91). In dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht ein Wohnheim der Arbeiterwohlfahrt, das zur zeitlich begrenzten Unterbringung von Aussiedlern und Zuwanderern angemietet worden ist, ausdrücklich nicht als Wohnraum in diesem Sinn angesehen.

Um einen vergleichbaren Fall handelt es sich hier. Denn die Unterbringung in der GU stellt immer nur eine vorübergehende Zuweisung dar.

Für diese Annahme spricht auch, dass für diese Form der Unterbringung in keinem Fall Wohngeld beantragt werden könnte. Denn schließlich handelt es sich bei § 7b AsylbLG um eine Regelung, bei der sozusagen pauschaliert ein Wohngeldanspruch gegengerechnet wird, der bei rechtzeitiger Berücksichtigung des Einkommens unter Umständen bestanden hätte.

Im Übrigen wären vorliegend auch die Voraussetzungen des §§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X erfüllt, würde man grundsätzlich die Vorschriften des SGB X auf den vorliegenden Fall anwenden; denn der Kläger, der schon seit Jahren im Leistungsbezug nach dem AsylbLG stand und auch schon länger berufstätig war, konnte sich jedenfalls nicht gutgläubig darauf verlassen, dass er Leistungen nach dem AsylbLG ohne Anrechnung von Einkommen erhalten würde. [...]