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Zitieren als:
BAMF, Bescheid vom 03.11.2009 - 5376751-431 - asyl.net: M16918
https://www.asyl.net/rsdb/M16918
Leitsatz:

Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG für jungen männlichen Tamilen, da ihm bei einer Rückkehr nach Sri Lanka Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.

Schlagwörter: Abschiebungsverbot, Sri Lanka, Tamilen, subsidiärer Schutz
Normen: AufenthG § 60 Abs. 2
Auszüge:

[...]

Es liegt jedoch ein Verbot der Abschiebung gem. § 60 Abs. 2 AufenthG vor.

Bei der Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG sind zunächst § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG im Hinblick auf das Herkunftsland des Antragstellers zu prüfen. Diese bilden als Umsetzungsnormen der Regelungen der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (QualfRL) zum subsidiären Schutz einen eigenständigen, vorrangig zu prüfenden Verfahrensgegenstand (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 u.a.). Sie werden im Folgenden als "europarechtliche Abschiebungsverbote" bezeichnet.

Ein Ausländer darf gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG nicht in seinen Herkunftsstaat abgeschoben werden, wenn ihm dort Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht. Dies gilt gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 6 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (QalfRL) auch dann, wenn die Gefahr von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht und kein ausreichender staatlicher oder quasistaatlicher Schutz zur Verfügung steht. Zudem ist gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 QualfRL zu unterscheiden, ob der Ausländer der Gefahr im Herkunftsland bereits ausgesetzt war bzw. ihm entsprechende Misshandlungen unmittelbar bevor standen oder, ob er ohne derartige Bedrohung ausgereist ist. [...]

Dem Antragsteller droht bei einer Rückkehr nach Sri Lanka Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Selbst im Falle unbehelligter Einreise über den Flughafen Colombo ist der Antragsteller gezwungen, sich längere Zeit in Colombo aufzuhalten, weil es für ihn keine Möglichkeit gibt, sofort in seine Heimat im Krisengebiet im Norden Sri Lankas zurückzukehren.

So benötigt der Antragsteller z.B. eine neue Identitätskarte, die Voraussetzung zum Zugang von Sozialleistungen ist.

Die srilankische Regierung hatte nach dem Waffenstillstandsabkommen in Colombo mit norwegischer Unterstützung ein Beratungsbüro eingerichtet, an das sich tamilisch sprechende Personen zur Erledigung dieser oder ähnlicher notwendiger Formalitäten wenden konnten. Die Servicestelle ist 2006 wieder geschlossen worden. Die bürokratischen Angelegenheiten sind damit vor allem für Tamilen, die aus den östlichen Kampfgebieten oder der Jaffna Halbinsel stammen, oft sehr viel komplizierter geworden (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 06.10.2008).

Bei einem längeren Aufenthalt in Colombo droht dem Antragsteller eine willkürliche Verhaftung durch die Sicherheitskräfte. In Colombo gibt es über die ganze Stadt verteilt Kontrollpunkte, in denen verdächtige Personen - in erster Linie Tamilen - angehalten, kontrolliert und bei Vorliegen auch nur vager Verdachtsmomente willkürlich und ohne Rechtsgrundlage festgenommen werden. Es kommt wöchentlich zu Razzien mit meist hunderten von Festnahmen. Damit besteht für den Antragsteller auch eine erhebliche Gefahr, der Folter ausgesetzt zu werden. Denn mit dem im August 2005 wieder eingeführten und im Dezember 2006 nochmals verschärften Notstandsrechts haben auch die Vorwürfe über Folterungen durch Sicherheitskräfte erheblich zugenommen. Der Sonderberichtserstatter der Vereinten Nationen hat festgestellt, dass in Sri Lanka Folter als gängige Praxis der Terrorismusbekämpfung angewendet wird. Menschenrechtsverletzungen der Sicherheitskräfte werden nicht untersucht und nicht verfolgt (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 06.10.2008). [...]