VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Urteil vom 12.11.2009 - 1 K 1099/08.F.A (V) - asyl.net: M16928
https://www.asyl.net/rsdb/M16928
Leitsatz:

Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG wegen fehlender Behandlungsmöglichkeiten von Hepatitis C und psychischer Erkrankung in Tadschikistan.

Schlagwörter: Asylverfahren, Flughafenverfahren, Tadschikistan, Russische Föderation, Registrierung, anderweitige Sicherheit vor Verfolgung, Hepatitis C, Posttraumatische Belastungsstörung, medizinische Versorgung
Normen: AsylVfG § 27 Abs. 1, AsylVfG § 27 Abs. 3, AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
Auszüge:

[...]

Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet. Soweit die Kläger ihre Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16 a Abs. 1 GG bzw. die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz gem. § 60 Abs. 1 AufenthG begehren, hat die Klage keinen Erfolg.

Eine Anerkennung der Kläger als Asylberechtigte ist bereits nach § 27 Abs. 1, Abs. 3 AsylVfG wegen anderweitiger Sicherheit vor Verfolgung ausgeschlossen. Ein Ausländer, der bereits in einem sonstigen Drittstaat vor politischer Verfolgung sicher war, wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Hat sich ein Ausländer in einem sonstigen Drittstaat, in dem ihm keine politische Verfolgung droht, vor der Einreise in das Bundesgebiet länger als drei Monate aufgehalten, so wird nach § 27 Abs. 3 AsylVfG vermutet, dass er dort vor politischer Verfolgung sicher war. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Kläger haben nach eigenen Angaben nach ihrer Ausreise aus Tadschikistan sich zwei Jahre in der Russischen Föderation aufgehalten. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie von einer Abschiebung nach Tadschikistan bedroht waren, haben die Kläger nicht vorgebracht. Nach eigenen Angaben hatten die Kläger in Russland keine Probleme mit den staatlichen Behörden und der Polizei, Auch das Existenzminimum war gesichert, Der Kläger zu 1) war zeitweise als Bauarbeiter tätig. Wie sich aus der vom Gericht eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 01.09.2009 ergibt, war es seinerzeit auch für tadschikische Staatsangehörige möglich, sich in der Russischen Föderation registrieren zu lassen und damit ihren Aufenthalt zu legalisieren. Nach Angaben des föderalen Migrationsdienstes der Russischen Föderation lebten etwa 683.000 registrierte tadschikische Staatsangehörige in Russland. Nicht registrierten tadschikischen Staatsangehörigen droht allerdings in der Russischen Föderation grundsätzlich die Abschiebung in ihr Heimatland. Im Hinblick auf die gegebene Registrierungsmöglichkeit für tadschikische Staatsangehörige in der Russischen Föderation, die die Kläger nicht genutzt haben, ohne das es hierfür vertretbare Gründe gab, ist nach Überzeugung des Gerichtes davon auszugehen, dass die Kläger in der Russischen Föderation vor politischer Verfolgung sicher waren und sie sich nicht um die grundsätzlich mögliche Verfestigung ihres Aufenthaltsstatus in der Russischen Förderation bemüht haben. Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger auch in der Russischen Föderation von den behaupteten Verfolgungen in Tadschikistan betroffen waren, haben die Kläger nicht vorgebracht [...]

Nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Wie sich aus der ärztlichen Bescheinigung der Gemeinschaftspraxis für Innere Medizin Dres. ... ergibt, leidet der Kläger zu 1) an einer chronischen Hepatitis C und bedarf noch bis März 2010 einer Behandlung mittels Interferon und Ribaverin, beides Medikamente, die in Tadschikistan so nicht erhältlich sind. Insoweit wäre bei einer Abschiebung des Klägers zu 1) vor März 2010 wegen der nicht ausreichend behandelbaren Erkrankung in seinem Heimatland mit einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit des Klägers zu 1) zu rechnen.

Der Klager zu 2) leidet, wie sich aus der ärztlichen Stellungnahme von Dr. ... vom 16.12.2008 ergibt, an einer posttraumatische Belastungsstörung und bedarf dringend psychotherapeutischer Betreuung. Im Hinblick darauf, dass diese ärztliche Stellungnahme in sich nachvollziehbar ist, bestehen bei dem Gericht keine Zweifel an den ärztlichen Feststellungen. Da der Kläger zu 2) - wie sich aus der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 01.09.2009 ergibt - in seiner Heimat keine psychiatrische Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung erlangen kann, würde eine Rückführung des Klägers zu 2) zum derzeitigen Zeitpunkt wegen der mangelnden Behandlung seiner psychiatrischen Erkrankung ebenfalls zu einer erheblichen Gefährdung seiner Gesundheit führen. [...]