OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.04.2010 - 11 S 12.10 - asyl.net: M16961
https://www.asyl.net/rsdb/M16961
Leitsatz:

Fraglich ist, ob die Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 AufenthG nach der freiwilligen Ausreise des Antragstellers einem grundsätzlich für die (Wieder-)Einreise erforderlichen Aufenthaltstitel entspricht.

Schlagwörter: Fiktionswirkung, freiwillige Ausreise, Aufenthaltstitel, vorläufiger Rechtsschutz
Normen: AufenthG § 81 Abs. 3, AufenthG § 81 Abs. 4, AufenthG § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, AufenthG § 7 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Der Antragsteller, türkischer Staatsangehörigkeit, hat erstinstanzlich nach Darstellung des Verwaltungsgerichts den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gestellt, die aufschiebende Wirkung der Klage VG Berlin 19 K 16/10 gegen den Bescheid des Landesamts für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 11. Dezember 2009 anzuordnen und seine Abschiebung bis zu einer Entscheidung durch das angerufene Gericht in der Hauptsache zu untersagen. Es erscheint bereits fraglich, ob für eine gerichtliche Fortsetzung dieses vorläufigen Rechtsschutzbegehrens, das vom Verwaltungsgericht durch den angegriffenen Beschluss abgelehnt wurde, nach der unstreitigen freiwilligen Ausreise des Antragstellers noch ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Die Abschiebung droht nun nicht mehr. Es ist auch zweifelhaft, ob ein erneutes Einreisebegehren nunmehr nicht in einem Sichtvermerksverfahren geltend gemacht werden müsste. Zwar hatte der im Anschluss an die ihm zuletzt mit Gültigkeit bis zum 23. Oktober 2009 erteilte Aufenthaltserlaubnis gestellte Verlängerungsantrag vom 5. November 2009 wohl entsprechend der ihm erteilten Bescheinigung eine Fiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG ausgelöst. Fraglich ist jedoch, ob eine solche Fiktionsbescheinigung, die dem Rechtsinhaber gemäß § 81 Abs. 5 AufenthG auszustellen ist, dem in die Türkei ausgereisten Antragsteller ungeachtet der - auf der Grundlage des Vortrags des Antragstellers zur Rückkehrabsicht allerdings zu verneinenden - Frage, ob er die Erlaubnisfiktion bereits durch seine Ausreise verloren hat (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG), gegenwärtig eine im vorläufigen Rechtsschutzverfahren schützenswerte Rechtsposition noch verschaffen kann (so wohl eine verbreitet in der Literatur vertretene Auffassung, vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand August 2006, § 81 AufenthG Rn. 13; Funke-Kaiser in: GK- AufenthG, Stand April 2009, § 81 AufenthG Rn. 31; Jakober/Welte, AktAR, Stand April 2007, § 81 AufenthG Rn. 169, Westphal/Stoppa, Ausländerrecht der Polizei, 3. Auflage, S. 177). Die Fiktion dient dazu, einem Ausländer, der keinen Aufenthaltstitel (mehr) besitzt, im Anschluss an einen rechtmäßigen Aufenthalt für die Dauer eines auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichteten Verfahrens bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde einen rechtmäßigen Aufenthalt im Inland zu verschaffen. Damit soll im Gegensatz zu dem mit dem Aufenthaltsgesetz weiterhin verfolgten Prinzip, den ersten Aufenthaltstitel zu dem endgültig beabsichtigten Aufenthaltszweck grundsätzlich vom Ausland aus einzuholen (vgl. insbesondere § 5 Abs. 2 AufenthG), die Einholung des (weiteren) Aufenthaltstitels vom Bundesgebiet unter den Voraussetzungen von § 81 Abs. 3, 4 AufenthG aus ermöglicht werden. Für die Einreise bedarf ein Ausländer nach § 4 Abs. 1 AufenthG eines der in Abs. 1 Satz 2 aufgeführten Aufenthaltstitel. Ob die Fiktionen nach § 81 Abs. 3, 4 AufenthG einen solchen Titel in Form einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 7 Abs. 1 AufenthG darstellen, erscheint fraglich (vgl. zu § 81 Abs. 3 AufenthG: OVG Münster, Beschluss vom 11. Mai 2009 - 18 B 8/09 -, ZAR 2009, 278 f.; anders zu § 21 Abs. 3 S. 1 AuslG: BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 1978 - 1 ER 301/78 -, NJW 1979, 505 f.). [...]