VG Magdeburg

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Zitieren als:
VG Magdeburg, Urteil vom 12.01.2010 - 7 A 996/08 MD - asyl.net: M16975
https://www.asyl.net/rsdb/M16975
Leitsatz:

Kein Widerruf der Flüchtingsanerkennung, da kein dauerhafter Wegfall der Umstände, die zu Abschiebungsschutz geführt haben (aktives Mitglied der HADEP).

Schlagwörter: Widerruf, Türkei, Wegfall der Umstände, Änderung der Sachlage, PKK, HADEP
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1 S. 1
Auszüge:

[...]

Die Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 01. Dezember 2008 werden gemäß § 113 Abs. 1 VwGO aufgehoben, weil sie nicht durch § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gedeckt sind und die Rechte der Kläger verletzen.

Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG sind - vorbehaltlich des Satzes 3 - die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (früher § 51 Abs. 1 AuslG) vorliegen, unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen (Urteil des 1. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. November 2005, Aktenzeichen 1 C 21.04 BVerwGE 124, 276 ff.). [...]

Die Gründe, die dazu führten, dass den Klägern Abschiebungsschutz nach Maßgabe der § 51 Abs. 1 AuslG a.F. zugebilligt wurde, sind nicht dauerhaft entfallen. Die Kläger sind türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit. Der Kläger zu 1. war aktives Mitglied der HADEP. Er wurde festgenommen, zur Wache verbracht, körperlich misshandelt und zirka vier Wochen lang festgehalten, als sich der damalige Anführer der PKK in Rom aufhielt (Anhörungsprotokoll vom 03. Mai 2000). Auch die Klägerin zu 2. ist vorverfolgt ausgereist (Urteil der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 24.04.2001, Az.: 6 A 68/01 MD).

Da die Kläger als politisch Verfolgte ausgereist sind, darf der gewährte Abschiebungsschutz nur widerrufen werden, wenn sich die Wiederholung eines politisch motivierten Übergriffs in die körperliche Unversehrtheit oder Freiheit ausschließen ließe. Das ist aber nicht der Fall. Der politische Reformprozess stagniert. Die militärischen Auseinandersetzungen mit den "Soldaten" der PKK haben zugenommen. Dasselbe gilt - worauf die Kläger unter Bezugnahme auf glaubwürdige Quellen hingewiesen haben - für die Zahl der Folterbeschwerden und der Verhafteten. Nach wie vor bestraft wird, wer in der Öffentlichkeit Positives über die PKK und ihren (ehemaligen) Anführer Abdullah Öcalan sagt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 29. Juni 2009, Seite 8).

Aufgrund dieser Umstände steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass sich im Fall der Kläger eine Wiederholung eines politisch motivierten Übergriffs in ihre körperliche Unversehrtheit oder Freiheit nicht ausschließen lässt. [...]