KG Berlin

Merkliste
Zitieren als:
KG Berlin, Beschluss vom 22.12.2009 - (3) 1 Ss 410/08 (156/08) - asyl.net: M16980
https://www.asyl.net/rsdb/M16980
Leitsatz:

Der Gesetzgeber hat bewusst von einer Strafandrohung für das Erschleichen der Asylanerkennung sowohl im Asylverfahrensgesetz als auch im Ausländerrecht abgesehen. Daher keine Strafbarkeit bei falschen Angaben gegenüber der Asylbehörde nach § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG.

Schlagwörter: Ausländerstrafrecht, falsche Angaben, Strafbarkeit, Asylverfahren, Aufenthaltsgestattung
Normen: AufenthG § 95 Abs. 2 Nr. 2, AufenthG § 95 Abs. 1 Nr. 5, AufenthG § 49 Abs. 2, AufenthG § 71
Auszüge:

[...]

Ausweislich der landgerichtlichen Feststellungen hat der Angeklagte nach illegaler Einreise nach Deutschland aus dem Abschiebegewahrsam heraus einen Asylantrag unter Angabe falscher Personalien gestellt. Nach Ablehnung des Asylantrages gelang es der Ausländerbehörde wegen der falschen Personalien nicht, die für eine Abschiebung erforderlichen Papiere zu beschaffen. Aus diesem Grund erteilte das Landeseinwohneramt Berlin dem Angeklagten am 7. Januar 2004 eine Duldung und stellte ihm ein mit den falschen Personalien und dem Lichtbild des Angeklagten versehenes Ausweisersatzpapier aus.

Diese Feststellungen belegen ein strafbares Verhalten des Angeklagten nach § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG nicht. Der Senat teilt dabei die Auffassung der Strafkammer, dass allein diese Norm vorliegend Anwendung finden kann. Die zur Tatzeit geltende Strafvorschrift des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG ist mit Ablauf des 31. Dezember 2004 außer Kraft getreten. Die jetzt geltende Fassung des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG, die das dem Angeklagten vorgeworfene Erschleichen einer Duldung unter falschen Personalien unter Strafe stellt, ist jedoch erst am 1. November 2007 in Kraft getreten. Mithin kommt eine Strafbarkeit des Angeklagten nur nach der Auffangnorm des § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG in Betracht, deren Inkrafttreten sich an die Aufhebung der früheren Strafnorm des Ausländergesetzes unmittelbar anschloss. [...]

Damit stellt die Norm nur die unrichtigen Angaben unter Strafe, die auf Verlangen der Ausländerbehörde dieser gegenüber gemacht werden. Eine solche Aufforderung an den Angeklagten ist den Urteilsfeststellungen ebenso wenig zu entnehmen wie falsche Angaben des Angeklagten gegenüber der Ausländerbehörde. Die Feststellungen weisen lediglich aus, dass der Angeklagte im Rahmen des Asylverfahrens falsche Angaben zu seinen Personalien gemacht hat. Dieses Verhalten erfüllt jedoch keinen Straftatbestand. Die asylrechtliche Aufenthaltsgestattung ist kein Aufenthaltstitel im Sinne des Ausländergesetzes (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 95 AufenthG Rdn. 63 m.N.). Der Gesetzgeber hat bewusst von einer Strafandrohung für das Erschleichen der Asylanerkennung sowohl im Asylverfahrensgesetz als auch im Ausländerrecht abgesehen(vgl. KG, Urteil vom 15. Dezember 2008 – (4) 1 Ss 284/08 (222/08) – m.w.N. - juris, Rdn. 6). Falsche Angaben eines Ausländers gegenüber der Asylbehörde erfüllen daher als solche den Tatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG nicht, auch wenn die Ausländerbehörde diese ohne Nachfrage bei dem betroffenen Ausländer für ein sich an das Asylverfahren anschließendes ausländerrechtliches Verfahren übernimmt.

Der Tatbestand ist vielmehr nur dann erfüllt, wenn gegenüber den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden innerhalb deren Zuständigkeit nach § 71 AufenthG falsche oder unvollständige Angaben im Sinne von § 49 AufenthG gemacht werden (vgl. OLG Celle, Urteil vom 14. Februar 2007 – 21 Ss 84/06 – in Juris). [...]