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OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 27.04.2010 - 8 ME 76/10 - asyl.net: M16984
https://www.asyl.net/rsdb/M16984
Leitsatz:

Allein der durch eine nur rückwirkende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis mögliche Verlust von Ansprüchen auf Elterngeld, Kindergeld oder auf Unterhaltsvorschuss ist jedenfalls dann kein schwerer und unzumutbarer Nachteil, der ausnahmsweise die Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren rechtfertigen würde, wenn der Lebensunterhalt des Ausländers anderweitig gesichert und eine existenzielle Notlage deshalb nicht zu besorgen ist.

(Modifizierter amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: vorläufiger Rechtsschutz, Vorwegnahme der Hauptsache, schwerer und unzumutbarer Nachteil, Elterngeld, Kindergeld, Sicherung des Lebensunterhalts, Existenzgrundlage, Aufenthaltserlaubnis
Normen: BEEG § 1 Abs. 7, EStG § 62 Abs. 2, UVG § 1 Abs. 2a, VwGO § 123
Auszüge:

[...]

Soweit die Antragstellerin zum einen begehrt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, kann der Antrag schon deshalb keinen Erfolg haben, weil dies eine Vorwegnahme der Hauptsache darstellen würde, die nur unter engen Voraussetzungen zulässig ist (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 123 Rn. 13 ff.). Eine derartige Ausnahme kann geboten sein, wenn der Rechtsschutzsuchende eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr rechtzeitig erwirken kann oder für ihn ohne eine den geltend gemachten Anspruch vorab befriedigende Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage sein würde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.6.1984 - 1 ER 310.84 -, Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 57; Sächsisches OVG, Beschl. v. 8.1.2009 - 3 B 8/09 -, juris Rn. 3; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23.7.2007 - 2 M 172/07 -, juris Rn. 3; Hamburgisches OVG, Beschl. v. 25.11.2003 - 3 Bs 217/03 -, juris Rn. 19).

Derartige Umstände fehlen hier. Soweit die Antragstellerin auf den möglichen Verlust von Ansprüchen auf Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), auf Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) oder auf Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) verweist, trifft es zwar zu, dass eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin, wie hier die Antragstellerin, nur dann anspruchsberechtigt ist, wenn sie einen der in § 1 Abs. 7 BEEG, § 62 Abs. 2 EStG oder § 1 Abs. 2a UVG genannten Aufenthaltstitel besitzt. Es ist aber von der Antragstellerin trotz entsprechender Erwägungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Beschluss auch mit der Beschwerde nicht hinreichend glaubhaft gemacht und auch nicht ersichtlich, dass allein durch einen möglichen Verlust der genannten Ansprüche der Lebensunterhalt der Antragstellerin und ihres Kindes nicht hinreichend gesichert wäre und diese in existenzielle Not gerieten. Ein schwerer und unzumutbarer Nachteil für die Antragstellerin, der eine Ausnahme vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen könnte, wäre aber allenfalls dann gegeben, wenn die Sicherung ihres Lebensunterhalts ohne die vorläufige Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im Sinne einer wirtschaftlichen Notlage in existenzieller Weise gefährdet wäre (vgl. noch restriktiver VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 8.2.2006 - 13 S 18/06 -, juris Rn. 9 m.w.N.). Die Frage, ob das Zuwarten auf das Hauptsacheverfahren auch deshalb zumutbar ist, weil der Antragstellerin die begehrte Aufenthaltserlaubnis rückwirkend erteilt werden könnte und daran anknüpfend auch die begehrten Leistungen rückwirkend gewährt werden könnten (vgl. zur Rechtslage nach dem BErzGG: BSG, Urt. v. 2.10.1997 - 14 REg 1/97 -, NVwZ 1998, 1110), stellt sich daher hier nicht mehr. Soweit die Antragstellerin auf sonstige aus einer bloßen Duldung resultierende Folgen, insbesondere die Aufenthaltsbeschränkung, hinweist, rechtfertigt auch dies nicht die Annahme von Nachteilen, die für sie im Hinblick auf existenzielle oder wirtschaftliche Belange so bedeutsam sind, dass ausnahmsweise eine Vorwegnahme der Hauptsache gerechtfertigt wäre. [...]