VG Minden

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Zitieren als:
VG Minden, Urteil vom 08.02.2010 - 7 K 954/09.A - asyl.net: M17007
https://www.asyl.net/rsdb/M17007
Leitsatz:

Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Bosnien und Herzegowina wegen fehlender medizinischer Behandelbarkeit (multiple Erkrankungen).

Schlagwörter: Abschiebungsverbot, Bosnien-Herzegowina, Wiederaufnahme des Verfahrens, medizinische Versorgung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
Auszüge:

[...]

Die Kläger haben jedoch wegen der Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens und weiter einen Anspruch gegen die Beklagte auf Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG mit Blick auf Bosnien und Herzegowina. [...]

Die Kläger sind zur Überzeugung des Gerichts nach den von der Beklagten unwidersprochenen ärztlichen Attesten sowie Befundberichten in erheblichem Umfang erkrankt. Sie bedürfen deshalb einer umfangreichen Medikation, die sich aus den ebenfalls von der Beklagten unwidersprochenen Verordnungsplänen ergibt. Ebenso steht für das Gericht nach diesen Attesten fest, dass sie im Falle der Nichtbehandelbarkeit ihrer Erkrankungen sowie einer Unterbrechung der erforderlichen Medikation alsbald in eine lebensbedrohliche Lage geraten werden.

Auch wenn einzelne der Erkrankungen, unter denen die Kläger leiden, möglicherweise in der Republik Bosnien und Herzegowina vom Grundsatz her behandelbar sein dürften, so gilt dies angesichts des schlechten Zustandes vieler - insbesondere staatlicher - medizinischer Einrichtungen in Bosnien und Herzegowina, vor allem außerhalb von Sarajevo, nicht für die Gesamtheit der multiplen Erkrankungen der Kläger (vgl. dazu Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 21.09.2009 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Bosnien und Herzegowina).

In diesem Lagebericht wird zudem ausgeführt, dass zwar alle Arbeitstätigen, Rentner und als arbeitslos gemeldeten Personen gesetzlich krankenversichert sind. Dennoch gibt es insbesondere bei nicht arbeitsfähigen Flüchtlingen, die aus dem Ausland zurückkehrten und nie einer Beschäftigung nachgegangen sind, immer wieder Probleme bis hin zur Verweigerung der Gesundheitsfürsorge.

Ausgehend davon ergibt sich, dass die notwendige medizinische Versorgung der Kläger in Bosnien und Herzegowina jedenfalls in diesem speziellen Falle in finanzieller Hinsicht ausgeschlossen ist. Die Kläger sind mittellos und aufgrund ihrer Erkrankungen werden sie auch nicht in der Lage sein, ihren Lebensunterhalt in Bosnien und Herzegowina aus eigener Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Angesichts einer Arbeitslosenquote von 40 % und einer Höhe der Sozialhilfeleistungen zwischen umgerechnet 5 und 55 Euro pro Monat (so Auswärtiges Amt, a.a.O.) könnten die Kläger, selbst wenn man den Erhalt von Sozialleistungen ungeachtet der oben dargelegten Tatsachen unterstellt, die notwendige ärztliche Behandlung und Medikation in Bosnien-Herzegowina nicht bezahlen. [...]