VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Beschluss vom 23.04.2010 - VG 34 L 88.10 A - asyl.net: M17020
https://www.asyl.net/rsdb/M17020
Leitsatz:

Vorläufiger Rechtsschutz gegen eine Dublin-Überstellung vor dem Übernahmeersuchen des BAMF an Griechenland unzulässig. Ein Selbsteintritt kommt auch in Betracht, weil der Antragsteller in psychotherapeutischer Behandlung ist und nach ärztlicher Einschätzung des Beistands seines in Deutschland lebenden Bruders bedarf.

Schlagwörter: Dublin II-VO, Dublinverfahren, vorläufiger Rechtsschutz, Griechenland, Rechtsschutzinteresse, Anordnungsgrund, Selbsteintritt, Psychotherapie, Sonstige Familienangehörige
Normen: VO 343/2003 Art. 3 Abs. 2, VO 343/2003 Art. 18 Abs. 7, AsylVfG § 27a, AsylVfG § 34a Abs. 1, VwGO § 123 Abs. 1
Auszüge:

[...]

I. Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben ein im Februar 2010 aus Griechenland ins Bundesgebiet eingereister Palästinenser ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon. Zu den Gründen seines am 24. Februar 2010 gestellten Asylantrags wurde er am 9. März 2010 durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (- Bundesamt -) angehört. Am 11. März 2010 wurde behördenintern die Abgabe des Vorgangs an das "Dublinreferat 431" verfügt. Unter dem 1. April 2010, beim Bundesamt eingegangen am 6. April 2010, bat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers um Mitteilung bis zum 8. April 2010, ob "eine Zurückschiebung nach Griechenland" geplant sei. Die Anfrage blieb unbeantwortet. Am 14. April 2010 hat der Antragsteller beantragt, "der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, den Antragsteller bis zu einer Entscheidung über seinen Asylantrag nach Griechenland zurückzuschieben oder zurückschieben zu lassen."

II. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO hat keinen Erfolg, denn der Antragsteller, dem insoweit die Darlegung und Glaubhaftmachung obliegt, hat schon das Bestehen eines Anordnungsgrundes nicht dargetan und glaubhaft gemacht.

Es ist nämlich weder vorgetragen worden noch der beigezogenen Asylakte zu entnehmen, dass die Abschiebung des Antragstellers nach Griechenland unmittelbar bevorsteht oder zumindest in naher Zukunft zu erwarten ist. Statt dessen ergibt sich aus der Asylakte, dass das Bundesamt bislang überhaupt noch kein den Antragsteller betreffendes Aufnahmegesuch nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates der Europäischen Union vom 18. Februar 2003 (ABl. L vom 25.2.2003 - Dublin II-VO -) an Griechenland gerichtet hat. Demgemäß ist die Zustimmung zur (Wieder-)Aufnahme des Antragstellers durch Griechenland bisher auch weder ausdrücklich erteilt worden noch gilt sie nach Maßgabe des Artikels 18 Abs. 7 Dublin II-VO als erteilt. Ferner hat das Bundesamt in dieser Verfahrenssituation naturgemäß auch noch keinen Bescheid nach § 34a Abs. 1 AsylVfG betreffend die Anordnung der Abschiebung des Antragstellers nach Griechenland aktenkundig vorbereitet, geschweige denn dem Antragsteller bekannt gegeben.

Darüber hinaus ist der Asylakte sowie der substanzlosen Antragserwiderung vom 21. April 2010 noch nicht einmal zu entnehmen, ob das Bundesamt zukünftig überhaupt noch ein Aufnahmegesuch an Griechenland richten wird oder aber - etwa im Hinblick auf die in der Antragsschrift zitierten jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sowie mit Rücksicht auf den Umstand, dass sich der Antragsteller hier in psychotherapeutischer Behandlung befindet und nach ärztlicher Einschätzung des Beistands seines hier lebenden Bruders bedarf - darauf verzichten und z.B. von seinem Selbsteintrittsrecht nach Artikel 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch machen wird. Ebenso ist derzeit noch nicht sicher absehbar, wie ein etwaiges zukünftiges Aufnahmegesuch von Griechenland beschieden werden würde.

Daraus, dass ausweislich der Asylakte am 11. März 2010 behördenintern die Zuleitung des Vorgangs an das "Dublinreferat 431" verfügt und die Anfrage des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 1. April 2010 nach der beabsichtigten weiteren Verfahrensweise vom Bundesamt nicht beantwortet wurde, lässt sich nach alledem ein gegenwärtiges rechtlich geschütztes Bedürfnis für eine vorläufige gerichtliche Regelung nach § 123 Abs. 1 VwGO noch nicht ableiten. [...]