VG Hannover

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Zitieren als:
VG Hannover, Urteil vom 10.05.2010 - 13 A 649/09 - asyl.net: M17025
https://www.asyl.net/rsdb/M17025
Leitsatz:

Ablehnung der Verlängerung eines Reiseausweises für Staatenlose; dem Kläger ist es zuzumuten, einen Wiedereinbürgerungsantrag zu stellen und in der Türkei den Militärdienst abzuleisten. Der Einwand, er habe keine Beziehung mehr zur Türkei, ist unerheblich. Da der Kläger bereits einmal türkischer Staatsangehöriger war und dies zumindest durch seine Ausbürgerung wegen Nichtableistung des Militärdienstes belegen kann, dürfte es auf die Frage der Nachregistrierung nicht entscheidend ankommen. Weshalb eine libanesische Geburtsurkunde für den Wiedereinbürgerungsantrag grundsätzlich nicht ausreichend sein soll, hat der Kläger nicht dargelegt. Ggf. ist ihm auch zuzumuten, gegen etwaiges rechtswidriges Handeln des türkischen Generalkonsulats rechtliche Schritte einzuleiten und bei türkischen Gerichten um entsprechenden Rechtsschutz nachzusuchen.

Schlagwörter: Reiseausweis für Staatenlose, türkische Staatsangehörige, Militärdienst, Ausbürgerung, Wiedereinbürgerung, Zumutbarkeit, Ermessen
Normen: StlÜbk Art. 28
Auszüge:

[...]

Die zulässige Klage selbst ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ausstellung bzw. Verlängerung eines Staatenlosenausweises. Die vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbare Ermessensentscheidung des Beklagten, § 114 VwGO, ist nicht zu beanstanden. [...]

Der Beklagte hat hier seine Ablehnung darauf gestützt, das es dem Kläger zuzumuten sei, einen Antrag auf Wiedereinbürgerung zu stellen. Dies ist nicht zu beanstanden. Bei ihrer Entscheidung über die Erteilung eines Reiseausweises nach Art 28 S 2 StaatenlÜbk darf die Behörde ermessensfehlerfrei berücksichtigen, dass der abgelehnte ausreisepflichtige Asylbewerber seine Staatenlosigkeit selbst herbeigeführt hat und sie auch wieder beseitigen könnte (OVG Lüneburg, Urt. v. 30.09.1998 - 13 L 458/96 -, zit. n. juris). [...]

Dem Kläger ist ein Wiedereinbürgerungsantrag zuzumuten. Gründe, die einen Wiedereinbürgerungsantrag für den Kläger unzumutbar machen würden, sind nicht ersichtlich. Es ist insbesondere zumutbar, dass sich der Kläger grundsätzlich zur Ableistung des Wehrdienstes bereit erklärt. Dies gehört zur staatsbürgerlichen Pflicht eines jeden männlichen Staatsangehörigen. Auch in der Türkei gibt es Vorschriften über die Tauglichkeit. Erfüllt der Kläger wegen Alters oder gesundheitlicher Beeinträchtigungen diese Anforderungen nicht, braucht er auch keinen Militärdienst abzuleisten.

Auch der Vortrag, der Kläger habe keine Beziehung mehr zur Türkei, greift nicht durch. Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat hierzu ausgeführt:

"Auch der Einwand der Kläger, sie hätten noch nie in Rußland gelebt und deshalb sei es ihnen nicht zumutbar, die russische Staatsangehörigkeit zu beantragen, führt nicht auf einen Ermessensfehler oder eine Rechtsfrage, die der Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfte. Die Kläger sind russischer bzw. ukrainischer Volkszugehörigkeit und haben sich im Rahmen des Asylverfahrens auf ihre Zugehörigkeit zur russischen Minderheit in Litauen berufen. Wie erwähnt, halten sich die Kläger im Bundesgebiet nicht rechtmäßig auf. Es ist daher sachgerecht, die Kläger auf den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Landes ihrer Volkszugehörigkeit, hier der Russischen Föderation, zu verweisen."

Dies gilt entsprechend für Staatenlose türkischer Herkunft.

Es ist nicht ersichtlich, dass ein Antrag des Klägers auf Wiedereinbürgerung von vornherein aussichtslos ist. Zwar trägt der Kläger vor, er habe ernsthaft alles ihm Zumutbare getan, um eine Wiedereinbürgerung zu erreichen, letztendlich hätten die türkischen Behörden jedoch eine Widereinbürgerung des Klägers abgelehnt. Dies hat der Kläger zur Überzeugung des Gerichts jedoch nicht hinreichend dargelegt und nachgewiesen.

Im Schreiben vom 12.12.2009 fällt auf, dass sich der Anwalt zwar auch einen Wiedereinbürgerungsantrag erwähnt, sich ansonsten aber nur mit dem Problem einer Nachregistrierung auseinandersetzt.

Da der Kläger aber bereits einmal türkischer Staatsbürger war und dies zumindest durch seine Ausbürgerung belegen kann (nur ein Staatsbürger kann ausgebürgert werden), dürfte insoweit es nicht auf die Frage der Nachregistrierung entscheidend ankommen.

Der Kläger hat nicht dargetan, welchen Antrag (auf Nachregistrierung oder auf Wiedereinbürgerung) er denn nun eigentlich beim Generalkonsulat gestellt hat bzw. gestellt haben will. Sollte das Konsulat zur Bearbeitung des Antrages weitere Unterlagen fordern, so hätte er darlegen und nachweisen müssen, welche Unterlagen dies denn im Einzelnen sein sollen. Es mag durchaus sein, dass zum Antrag auch die Vorlage einer Geburtsurkunde gefordert wird. Weshalb eine libanesische Geburtsurkunde aber grundsätzlich nicht ausreichend sein soll, hat der Kläger ebenfalls nicht dargelegt. Liegt es möglicherweise daran, dass dort der Name "B" steht, wäre dies zwar zunächst einmal nachvollziehbar, es muss jedoch auch andere Möglichkeiten zur Identitätsfeststellung geben (zumal, wenn wie hier, der Kläger ja darlegen kann, dass er schon einmal türkischer Staatsbürger war). Dazu macht der Kläger keine Ausführungen. Ggf. ist es ihm auch zuzumuten, gegen etwaiges rechtswidriges Handeln des türkischen Generalkonsulats, welches nicht durch die Wiedereinbürgerungsvorschriften gedeckt ist, rechtliche Schritte einzuleiten und bei türkischen Gerichten um entsprechenden Rechtsschutz nachzusuchen.

Es ist jedenfalls aus dem bisherigen Vortrag des Klägers nicht ersichtlich geworden, dass er wirklich alles Zumutbare unternommen hat und sich tatsächlich ernsthaft um eine Wiedereinbürgerung bemüht hat. Der reine Vortrag, das Konsulat habe den Antrag nicht angenommen, reicht jedenfalls nicht aus. [...]