VG Darmstadt

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Zitieren als:
VG Darmstadt, Beschluss vom 28.01.2010 - 3 L 51/10.DA.A (2) - asyl.net: M17046
https://www.asyl.net/rsdb/M17046
Leitsatz:

Die Klage gegen den BAMF-Bescheid, mit welchem nunmehr die Abschiebung nach Armenien (und nicht mehr nach Aserbaidschan) angedroht wird, hat entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin aufschiebende Wirkung.

Schlagwörter: Suspensiveffekt, Wiederaufnahme des Verfahrens, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Zielstaatsbezeichnung, Armenien, Aserbaidschan, Rücknahme, Ausreisefrist
Normen: AsylVfG § 75 S. 1, VwVfG § 51 Abs. 5, AsylVfG § 38 Abs. 1, AsylVfG § 34
Auszüge:

[...]

Im vorliegenden Fall hat die vom Kläger erhobene Klage nach der von der Antragsgegnerin in der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides vom 16.11.2009 und im Schriftsatz vom 18.01.2010 vertretenen Ansicht keine aufschiebende Wirkung. Am 12.01.2010 ist auch versucht worden, den Antragsteller abzuschieben.

Im Gegensatz zur Ansicht der Antragsgegnerin hat die vom Kläger erhobene Klage aufschiebende Wirkung. Dies ergibt sich aus § 75 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Bestimmung hat die Klage gegen Entscheidungen nach dem AsylVfG nur in den Fällen der § 38 Abs. 1 und § 73 AsylVfG aufschiebende Wirkung. Gemäß den §§ 75 Satz 3 AsylVfG, 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO besteht die Möglichkeit, die sofortige Vollziehung des Bescheides anzuordnen. Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin von Amts wegen gemäß § 51 Abs. 5 VwVfG das durch den nach Klageabweisung bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 16.07.2002 abgeschlossene Asylverfahren wieder aufgegriffen und mit Bescheid vom 16.11.2009 entschieden, dass Abschiebungsverbote im Sinne des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (hinsichtlich Armeniens) nicht vorliegen. Es kann dahinstehen, ob darin zugleich auch eine konkludente Rücknahme der in dem Bescheid vom 16.07.2002 getroffenen Entscheidung, dass Abschiebungshindernisse im Sinne des § 53 AuslG (hinsichtlich Aserbaidschans) nicht vorliegen, liegt. Dafür spricht, dass ein Wiederaufgreifen des Verfahrens durch die Behörde gemäß § 51 Abs. 5 VwVfG nur nach den Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 VwVfG, d.h. durch Rücknahme oder Widerruf des Verwaltungsakts, möglich ist. Es liegt nämlich jedenfalls ein Fall des § 38 Abs. 1, AsylVfG vor. Nach § 38 Abs. 1 AsylVfG beträgt in sonstigen Fällen, in denen das Bundesamt den Ausländer nicht als Asylberechtigten anerkennt, in denen also das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Abschiebungsandrohung zu erlassen hat (§ 34 AsylVfG), die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist einen Monat. Im Falle der Klageerhebung endet die Ausreisefrist einen Monat nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens.

Im Bescheid vom 16.11.2009 wurde von der Antragsgegnerin in zutreffender Anwendung der Bestimmungen des AsylVfG dem Antragsteller unter teilweiser Abänderung des Bescheides vom 16.07.2002 eine Ausreisefrist von einem Monat, die im Falle der Klageerhebung einem Monat nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens endet, gesetzt. Durch Ziffer 2 des Bescheides vom 16.11.2009 wurde nämlich Ziffer 4 des Bescheides 16.07.2002 nur insoweit abgeändert, als die Abschiebung nach Armenien (und nicht mehr nach Aserbaidschan) angedroht wurde. Im Übrigen blieb Ziffer 4 des Bescheides vom 16.07.2002 unverändert.

Das Vorgehen der Antragsgegnerin entspricht den Bestimmungen des AsylVfG. Die Antragsgegnerin hat in dem Bescheid vom 16.11.2009 erneut über das Bestehen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (nunmehr bezüglich Armeniens) befunden. Die Antragsgegnerin hat damit ihre Entscheidung vom 16.07.2002 ergänzt. Es bleibt dadurch aber dabei, dass ein "sonstiger Fall" im Sinne des § 38 Abs. 1AsylVfG vorliegt. Das AsylVfG enthält - anders als dies in § 71 Abs. 4 AsylVfG durch die Verweisung auf § 36 AsylVfG für den Fall, dass der Ausländer einen Folgeantrag stellt, der Fall ist - für das Wiederaufgreifen des Verfahrens durch die Behörde nach § 51 Abs. 5 VwVfG keine Sonderregelung. Ursprünglich lag kein Fall eines unbeachtlichen Asylantrags (§ 29 AsylVfG) und auch kein Fall eines offensichtlich unbegründeten Asylantrags (§ 30 AsylVfG) vor. Die Ausreisefrist betrug deshalb gemäß § 38 Abs. 1 AsylVfG einen Monat. Daran hat sich durch den Bescheid vom 16.11.2009, mit dem die Antragsgegnerin durch die erneute Prüfung des Bestehens von Abschiebungsverboten es dem Antragsteller erneut ermöglicht hat zu klagen, nichts geändert. Auch nach Ergehen des Bescheides vom 16.11.2009 liegt weder ein Fall des § 29 AsylVfG noch ein Fall des § 30 AsylVfG vor, in denen gemäß § 36 Abs. 1 AsylVfG die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche beträgt. Ebensowenig liegt ein Fall des § 27a AsylVfG vor, in dem ein Asylantrag unzulässig ist, weil ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, und in dem keine Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylVfG ergeht, sondern eine Abschiebungsanordnung nach § 34 a AsylVfG. Die gegen die Entscheidung nach Wiederaufgreifen des Verfahrens erhobene Klage hat somit ebenso wie die Klage gegen den ursprünglichen Bescheid aufschiebende Wirkung. Die Rechtsposition des Antragstellers, zu dessen Lasten das Asylverfahren wieder aufgegriffen wurde, ist somit die gleiche wie im vorausgegangenen Asylverfahren. [...]