VG Schwerin

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Zitieren als:
VG Schwerin, Urteil vom 26.06.2009 - 5A 40/05 As - asyl.net: M17052
https://www.asyl.net/rsdb/M17052
Leitsatz:

Krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot hinsichtlich Armeniens, da der Kläger die Medikamente und die ärztliche Behandlung überwiegend aus eigenen - nicht in erforderlichem Umfang vorhandenen - Mitteln finanzieren müsste. Dies ergibt sich aus dem vom Auswärtigen Amt übersandten vertrauensärztlichen Gutachten.

Schlagwörter: Abschiebungsverbot, krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot, Armenien, medizinische Versorgung, Mittellosigkeit, Medikamente, Sperrwirkung, allgemeine Gefahr
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1, AufenthG § 60 Abs. 7 S. 3
Auszüge:

[...]

Die Klage hat Erfolg. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14. Juni 2004 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 VwGO). Die Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Abänderung des asylrechtlichen Erstbescheides vom 11. März 1997 bezüglich der Feststellung, dass die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen, zu Unrecht abgelehnt und dem Kläger die Abschiebung nach Armenien angedroht. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass in seinem Fall die Beklagte das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren zu § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG gem. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG wiederaufgreift und feststellt, dass die Voraussetzungen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes (bezogen auf die Republik Armenien) nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegen. Denn der Kläger kann nach dieser Vorschrift die Gewährung von Abschiebungsschutz beanspruchen. Ihm ... würden im Falle einer Rückkehr in die Republik Armenien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund der nach Abschluss des Erstverfahrens eingetretenen Verschlechterung seines gesundheitlichen Zustandes konkrete Gefahren für Leib und Leben drohen. [...]

Nach diesen Maßstäben hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Armenien alsbald eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten hat, so dass die Voraussetzungen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegen. Wie sich aus den ärztlichen Stellungnahmen von Dipl. med. ... vom 04. Januar und 01. Februar 2007 und vom 20. Februar und 25. April 2008 sowie aus dem Bericht des ... Klinikums ... - Klinik für Neurologie - vom 17. August 2007 sowie aus dem fachärztlichen Gutachten des Facharztes für Psychiatrie/Psychotherapie Dipl. med. ... vom 11. Mai 2009 ergibt, leidet der Kläger an einer Colitis ulcerosa mit rezidivierenden Schüben, conoraren Herzerkrankung mit Angina pectoris und Palpitationen, degenerativen Wirbelsäulenerkrankung mit Bandscheibenschädigung, Prostataadenom, chronischem Schmerzsymptomatik sowie an einer mittelschweren depressiven Erkrankung. Wie sich des Weiteren aus den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen ergibt, bedarf der Kläger insbesondere im Hinblick auf seine schwerwiegende chronische Colitis ulcerosa einer qualifizierten ärztlichen Behandlung und einer fortlaufenden medikamentösen Therapie. So können bei fehlender medikamentöser Behandlung akute Krankheitsschübe auftreten, die schwere bis schwerste Entzündungen in der Darmschleimhaut mit Geschwürbildung und Perforation des Darmes zur Folge haben können. Die Auswertung des vom Auswärtigen Amtes übersandten vertrauensärztlichen Gutachtens ergibt, dass zwar grundsätzlich eine Behandlung der Erkrankungen des Klägers - auch der Colitis ulcerosa - in seinem Heimatland möglich ist. Der weiteren Darstellung in dem vertrauensärztlichen Gutachtens ist jedoch zu entnehmen, dass der Kläger die fortlaufende medikamentöse Behandlung in seinem Heimatland nicht in dem erforderlichen Umfang erhalten kann. Denn der Kläger müsste die Medikamente und die ärztliche Behandlung überwiegend mit eigenen - aber nicht in dem erforderlichen Umfang vorhandenen - Mitteln finanzieren. Er gehört nicht zu den in der Auskunft genannten Personenkreis der sozial schwachen Gruppen. Es ist deshalb anzunehmen, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland alsbald der Gefahr schwerwiegender Gesundheitsbeeinträchtigungen ausgesetzt sein wird. [...]