BVerwG

Merkliste
Zitieren als:
BVerwG, Beschluss vom 30.01.2002 - 1 B 312.01 - asyl.net: M1708
https://www.asyl.net/rsdb/M1708
Leitsatz:

Verfahrensfehler durch Ablehnung des Beweisantrags des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den gesundheitlichen Risiken für den Fall seiner Rückkehr nach Angola. (Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Angola, Rechtliches Gehör, Verfahrensmangel, Beweisantrag, Sachverständigengutachten, Ablehnung, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Semi-Immunität, Malaria, Infektionsrisiko, Eigene Sachkunde
Normen: VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 3
Auszüge:

Zu Recht rügt die Beschwerde die Ablehnung des Beweisantrags des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den gesundheitlichen Risiken für den Fall seiner Rückkehr nach Angola als verfahrensfehlerhaft.

Der Kläger hat im vereinfachten Berufungsverfahren nach § 130 a VwGO schriftsätzlich beantragt, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis darüber zu erheben, dass er im Falle der Rückkehr wegen seiner nicht mehr vorhandenen Anpassungsmöglichkeit im Immunsystem an die dortigen Infektions- und Erkrankungsrisiken auf dem Hintergrund des heruntergewirtschafteten Gesundheits- und Sozialwesens in Angola in nahem zeitlichen Zusammenhang mit der Abschiebung bzw. bald danach schwerwiegend an einer der dort vorkommenden Tropenerkrankungen (wie Typhus, Hepatitis, Malaria usw.) mit der Folge schwerster gesundheitlicher Schäden bis hin zum Tod erkranken werde. Das Berufungsgericht ist dem Antrag nicht nachgekommen und hat dies in dem angefochtenen Beschluss damit begründet, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger, der immerhin bis zu seinem 27. Lebensjahr in seinem Heimatland gewohnt habe, bei einer Abschiebung nach Luanda sehenden Auges dem sicheren Tod entgegen ginge. Der Kläger sei nicht gesundheitlich vorbelastet, so dass erwartet werden könne, dass er sich den Lebensbedingungen in Angola und insbesondere auch den schwierigen gesundheitlichen Bedingungen wieder werde anpassen können (BA S. 8).

Die auf diese Erwägungen gestützte Ablehnung des Beweisbegehrens des Klägers ist verfahrensfehlerhaft. Zwar steht es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im tatrichterlichen Ermessen des Berufungsgerichts (§ 98 VwGO in Verbindung mit § 412 ZPO in entsprechender Anwendung), die Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens etwa wegen bereits vorhandener Erkenntnismittel oder im Hinblick auf die sonst ausreichend bestehende eigenen Sachkunde abzulehnen. Das Tatsachengericht muss eine Entscheidung allerdings für die Beteiligten und das Rechtsmittelgericht nachvollziehbar begründen und gegebenenfalls angeben, woher es seine Sachkunde hat (vgl. etwa Beschluss vom 27. März 2000 - BVerwG 9 B 518.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60; Beschluss vom 11. Februar 1999 - BVerwG 9 B 381.98 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 42). Hier hat sich das Berufungsgericht indes weder auf dieses Ermessen noch auf eine besondere eigene Sachkunde zu den vom Kläger aufgeworfenen Fragen berufen, ob und mit welchen Folgen sich das Immunsystem aus Afrika stammender Ausländer, die sich längere Zeit in Europa aufgehalten haben, zurückbilde. Es ist im Übrigen auch nichts dafür ersichtlich, und vom Berufungsbericht nicht dargelegt, dass hierzu ausreichende Erkenntnisse vorliegen. Vor diesem Hintergrund erweist sich, wie die Beschwerde zu Recht rügt, die Erwägung des Berufungsgerichts, es könne davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger auch den schwierigen Lebensbedingungen in Anogla wieder werde anpassen können, als spekulativ. Jedenfalls kann das Berufungsgericht damit, ebenso wenig wie mit dem Hinweis darauf, dass der Kläger gesundheitlich nicht vorbelastet sei, die insoweit fehlende oder jedenfalls nicht nachgewiesene eigene Sachkunde ersetzen.