Keine Reiseausweis für Staatenlosen nach Ausbürgerung wegen Nichtableistung des Militärdienstes in der Türkei, da der Aufenthalt nur geduldet ist und Anstrengungen zur Wiedereinbürgerung zumutbar sind.
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Die Weigerung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller nach Art. 28 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen - StlÜbk - einen Reiseausweis zu erteilen, lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
Der in Art. 28 S. 1 StlÜbk verankerte Anspruch auf Erteilung eines Reiseausweises setzt nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift voraus, dass der Staatenlose sich rechtmäßig in dem Vertragsstaat aufhält. Das ist beim Antragsteller nicht der Fall.
Der Antragsteller ist im Januar 2008 erneut - unerlaubt - in das Bundesgebiet eingereist. Sein Aufenthalt wird seitdem wegen Passlosigkeit geduldet. Ein geduldeter Aufenthalt ist nicht rechtmäßig i.S.v. Art. 28 S. 1 StlÜbk (st. Rspr., vgl. BVerwG, U. v. 16.07.1996 - 1 C 30/93 - juris; zuletzt OVG Schleswig-Holstein, B. v. 02.08.2007 - 4 O 30/07 - juris). Die Voraussetzungen, unter denen das Bundesverwaltungsgericht in besonders gelagerten Einzelfällen eine abweichende Beurteilung in Betracht gezogen hat (BVerwG, U. v. 16.10.1990 - 1 C 15/88 - juris) - etwa wenn eine wiederholt erteilte Duldung im Ergebnis eine "verkappte Aufenthaltserlaubnis" darstellt - sind im Falle des Antragstellers ersichtlich nicht erfüllt. Die Antragsgegnerin hat keine Zweifel an der nur vorübergehenden Natur der Anwesenheit des Antragstellers im Bundesgebiet gelassen.
Der Antragsteller kann sein Begehren auch nicht mit Erfolg auf Art. 28 S. 2 StlÜbk stützen. Nach dieser Vorschrift steht es im Ermessen des Vertragsstaats, ob einem sich nicht rechtmäßig aufhaltenden Staatenlosen ein Reiseausweis erteilt wird. Die Behörde übt ihr Ermessen nicht fehlerhaft aus, wenn sie dem Betreffenden keinen Reiseausweis ausstellt, solange er die Möglichkeit hat, in zumutbarer Weise seine Staatenlosigkeit zu beseitigen. Sie darf von einem Staatenlosen, der von seinem Heimatstaat ausgebürgert worden ist, im Rahmen des nach Art. 28 S. 2 StlÜbk eingeräumten Ermessens verlangen, dass er alle zumutbaren und möglichen Anstrengungen unternimmt, um seine Wiedereinbürgerung zu erreichen. An Staatenlose mit unrechtmäßigem Aufenthalt sind in dieser Hinsicht höhere Anforderungen zu stellen als an Staatenlose, deren Aufenthalt in dem Vertragsstaat rechtmäßig ist (vgl. BVerwG, B. v. 30.12.1997 - 1 B 223/97 - juris; BayVGH, B. v. 15.02.2001 - 24 ZB 00.515 - juris; Niedersächsisches OVG, B. v. 27.08.2002 - 11 PA 284/02 - juris).
Dem 1961 geborenen Antragsteller ist nach seinen Angaben 1999 die türkische Staatsangehörigkeit entzogen worden, weil er seiner Wehrpflicht nicht nachgekommen ist. Anstrengungen, diese Ausbürgerung wieder rückgängig zu machen, hat der Antragsteller bislang ersichtlich nicht unternommen; jedenfalls hat er dies nicht vorgetragen. Dass eine solche Wiedereinbürgerung von vornherein aussichtslos oder an unzumutbare Bedingungen geknüpft wäre, kann bei diesem Sachstand nicht angenommen werden. Dabei mag auf sich beruhen, ob, wie die Antragsgegnerin geltend macht, durch die am 22.06.2009 veröffentlichte Neufassung des türkischen Staatsangehörigkeitsrechts diesbezüglich Erleichterungen eingetreten sind. In jedem Fall ist es nicht fehlerhaft, im Rahmen des Ermessens nach Art. 28 S. 2 StlÜbk vom Antragsteller den Nachweis entsprechender konkreter und nachprüfbarer Anstrengungen zu verlangen. [...]