VG Regensburg

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Zitieren als:
VG Regensburg, Urteil vom 23.02.2010 - RO 6 K 10.30017 - asyl.net: M17131
https://www.asyl.net/rsdb/M17131
Leitsatz:

Keine Verfolgungsgefahr für Kurden yezidischen Glaubens in Syrien. Auch keine allgemeine Verfolgungsgefahr bei Rückführungen.

Schlagwörter: Abschiebungsverbot, Syrien, Yeziden, Kurden, Wiederaufnahme, Yezidisches Kulturforum, Deutsch-Syrisches Rückübernahmeabkommen, staatenlos, Gruppenverfolgung
Normen: AsylVfG § 71 Abs. 1, AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

[...]

1. Der Kläger hat bereits früher einen Asylantrag und einen Antrag auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses (nach altem Recht) gestellt, die unanfechtbar abgelehnt wurden. Sein jetziger Antrag stellt damit einen Folgeantrag i.S.d. § 71 Abs. 1 AsylVfG dar. Ein weiteres Verfahren, auch wenn dieses auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes beschränkt ist, wäre deshalb nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG vorliegen würden. Dies ist nicht der Fall.

Eine nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG erforderliche nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage liegt hier nicht vor. Nachträglich ist eine Änderung der Sach- oder Rechtslage dann, wenn sie im ursprünglichen Verfahren und in dem anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch nicht gegeben war oder jedenfalls in diesem noch nicht, auch nicht mit einem Rechtsbehelf (§ 51 Abs. 2 VwVfG), geltend gemacht werden konnte.

Eine in diesem Sinne nachträgliche Änderung der Sachlage hat der Kläger nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich.

a) Die Situation der Kurden yezidischen Glaubens hat sich seit dem Asylerstverfahren des Klägers und auch innerhalb der letzten drei Monate vor der Stellung des Folgeantrages nicht verschlechtert (Vergleich der Lageberichte des Auswärtigen Amtes Syrien vom 5.5.2008 und 9.7.2009). Soweit der Kläger mit Schreiben seiner Mutter im Verfahren RO 6 K 09.30150 auf die Stellungnahme des Yezidischen Forums vom 3.7.2009 verweist, wird im Zusammenhang mit der großen Zahl der ausgewanderten Yeziden zwar geltend gemacht, dass sich die Situation der Yeziden verschlechtere. Eine geänderte Sachlage liegt aber nur dann vor, wenn diese sich so verschlechtert hat, dass aufgrund dieser Änderung das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes zumindest in Betracht kommt. Da die Yeziden in einigen Landesteilen Syriens weiterhin in größeren Gruppen leben, ergibt sich hieraus allein keine geänderte Sachlage. Vielmehr sind sie in diesen Gruppen auch vor schwerwiegenden Benachteiligungen innerhalb der Gesellschaft geschützt. Hinsichtlich der Behandlung durch den laizistischen Staat teilen sie die Lage mit den kurdischen Muslimen (Auswärtiges Amt, Lagebericht Syrien vom 9.7.2009) und haben keine erheblichen Benachteiligungen zu befürchten.

b) Ein Abschiebungsverbot ist auch nicht hinsichtlich der Behandlung durch den Staat im Falle der Abschiebung gegeben. Zunächst stellt sich die Frage, ob die Behandlung zurückgeführter Yeziden durch den Staat überhaupt in diesem Verfahren berücksichtigt werden kann, da sich das Klageverfahren auf das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG beschränkt und Feststellungen hinsichtlich einer politischen Verfolgung nicht getroffen werden können. Das Vorliegen von Abschiebungsverboten kann deshalb nur insoweit geprüft werden, als alle zurückgeführten Syrer betroffen sind, wobei eine besondere Situation zurückgeführter Yeziden, d.h. politisch bedingte Maßnahmen, aber auch nicht erkennbar ist.

Soweit im Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 16.12.2009 und im Urteil des VG Osnabrück vom 7.10.2009 (5 B 94/09) darauf hingewiesen wurde, dass die Lage in Bezug auf das Rückübernahmeabkommen noch nicht hinreichend geklärt sei, ist dies durch den ad-hoc Ergänzungsbericht des Auswärtigen Amtes vom 28.12.2009 (der in die mit der Ladung versandte Auskunftsliste Syrien vom 20.1.2010 bereits aufgenommen wurde) im Wesentlichen überholt. Nach den Feststellungen des Auswärtigen Amtes sind von 28 zurückgeführten Syrern zwar drei inhaftiert worden. Nach den festgestellten Umständen konnte aber weder darauf geschlossen werden, dass sich diese staatlichen Maßnahmen allgemein gegen zurückgeführte Syrer richteten, da sie auch im Zusammenhang mit kriminellen Handlungen gestanden haben können. Davon abgesehen bezogen sich die staatlichen Maßnahmen nur auf einen kleinen Teil der Zurückgeführten. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger selbst etwas zu befürchten hat. Selbst wenn der vor der Ausreise erhobene Verdacht gegenüber den Familienmitgliedern weiterbestehen sollte, sie würden Schmuggler unterstützen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger und seinen Familienangehörigen strengere staatliche Maßnahmen drohen als vor der Ausreise. Die damalige Befragung des Vaters des Klägers stellt eine normale staatliche Reaktion dar, die weder für diesen (Urteil vom gleichen Tage im Verfahren RO 6 K 10.30013), noch für den Kläger zu einem Abschiebungsverbot führt. [...]

2. Auch eine nachträgliche Änderung der Rechtslage zugunsten des Klägers ist nicht ersichtlich. Eine solche wäre nur gegeben, wenn sich die allgemeine Rechtsauffassung zugunsten des Klägers geändert hätte (vgl. Kopp-Ramsauer, VwVfG § 51 RdNr. 19). Das ist im Hinblick auf die Frage der Gruppenverfolgung der Yeziden in Syrien nicht der Fall. Vielmehr wird in der Rechtsprechung auch unter Geltung des § 60 AufenthG davon ausgegangen, dass die Situation der Yeziden in Syrien nicht so schwierig ist, dass allgemein eine Rückführung nicht erfolgen könnte (OVG Lüneburg, Urt. v. 24.3.2009, 2 LB 643/07, OVG Saarbrücken, B. v. 8.12.2009, 3 A 354/09, zitiert nach juris). [...]