§ 50 Abs. 4 AufenthG stellt einen grundsätzlich visumpflichtigen Ausländer nicht von der Einholung eines Visums frei, wenn er sich seiner Abschiebung durch Ausreise in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union entzogen hat und nunmehr von dort ein Visum zur Familienzusammenführung beantragt.(Amtlicher Leitsatz)
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Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Nach der der Beurteilung des Senats zugrunde zu legenden aktuellen Sach- und Rechtslage (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. April 2009 - 1 C 17.08 -, InfAuslR 2009, 270, 271 u. 275 f.) kann der Kläger kein Visum zum Familiennachzug nach § 6 Abs. 4 AufenthG i.V.m. §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG beanspruchen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt sind. Der von ihm angefochtene Bescheid erweist sich als rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Allerdings ist der auf § 50 Abs. 4 AufenthG gestützten Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu folgen, der Kläger könne schon deswegen kein Visum beanspruchen, weil er sich rechtlich nicht im Ausland aufhalte. Mit § 50 Abs. 4 AufenthG soll ausgeschlossen werden, dass ein ausreisepflichtiger Ausländer durch illegale Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften seiner Ausreisepflicht nachkommt und daher für die Durchsetzung der Ausreisepflicht im Falle anschließender Wiedereinreise in das Bundesgebiet eine erneute Verfügung erforderlich wäre (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Oktober 2008, § 50 AufenthG Rz. 34 ff.). Damit hat der Gesetzgeber eine Regelung allein zum Ausreiseverfahren getroffen, deren Ziel die Vermeidung besonderen Verwaltungsaufwands bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht ist. Hingegen bestimmt die Vorschrift keine Ausnahme von §§ 4 Abs. 1, 6 Abs. 4 AufenthG dergestalt, dass ein von Deutschland aus illegal in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften eingereister Ausländer für eine anschließende Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland keines Visums bedürfte. Für das Einreiseverfahren hat § 50 Abs. 4 AufenthG (nur) insofern Bedeutung, als die Erteilung eines Aufenthaltstitels - und damit auch eines notwendigen Visums (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG) - an den Kläger, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist, gemäß § 10 Abs. 3 AufenthG von der vollständigen Erfüllung der Ausreisepflicht nach erfolglosem Asylverfahren abhängt (vgl. Discher in GK-AufenthG, Stand: Oktober 2005, § 10 Rz. 127 f.), falls nicht die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG vorliegen. Da die Erteilung eines Visums zum Zwecke der Familienzusammenführung mit der deutschen Ehefrau gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG als Anspruchsfall ausgestaltet und damit der in § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG vorgesehene Ausnahmefall gegeben ist, hat die vom Auswärtigen Amt gemäß § 71 Abs. 2 AufenthG ermächtigte Auslandsvertretung auf Antrag das begehrte Visum auszustellen, wenn die Erteilungsvoraussetzungen erfüllt sind. Letzteres ist indes - in zweifacher Hinsicht - nicht der Fall.
1. Nach § 27 Abs. 1 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG erteilt und verlängert, was eine tatsächliche Verbundenheit zwischen den Ehegatten voraussetzt (BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2005 - 2 BvR 1001/04 -, InfAuslR 2006, 122, 123; BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 2004 - 1 B 111/04 -, Buchholz 402.240 § 23 AuslG Nr. 10). Beide Ehegatten müssen ernsthaft beabsichtigen, im Bundesgebiet eine auf Dauer angelegte eheliche Lebensgemeinschaft zu führen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. -, BVerfGE 76, 1, 42 f.; Senatsbeschluss vom 19. Februar 2009 - OVG 3 N 40.07 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Februar 2007 - OVG 2 S 9.07 -, AuAS 2007, 98). Besteht insoweit berechtigter Anlass zu einer näheren Prüfung, so ist der Ausländer darlegungs- und beweisbelastet, weil es sich um eine ihm günstige Tatsache handelt (BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 2003 - 2 BvR 2042/02 -, NVwZ 2003, Beilage I, 73; BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 2004, a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. September 2005 - OVG 7 B 6.05 -, OVGE 26, 164, 165.). Daran hat sich durch die Einführung des § 27 Abs. 1 a Nr. 1 AufenthG durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 - Richtlinienumsetzungsgesetz - (BGBl. I, S. 1970) nichts geändert (OVG Berlin-Branden-burg, Urteil vom 29. Januar 2009 - OVG 2 B 11.08 -, juris, Rz. 31; Senatsbeschluss vom 8. April 2009 - OVG 3 N 130.08 -; VGH Kassel, Beschluss vom 3. September 2008 - 11 B 1690/08 -, NVwZ-RR 2009, 264).
Hiernach trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die Absicht beider Ehepartner zur Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft, nachdem die Beklagte zu Recht Anlass zu näherer Prüfung sah, weil zwischen der (konkludenten) Visumversagung durch das Schreiben der Deutschen Botschaft in Brüssel vom 1. September 2004 und den Einwendungen des Klägers vom 10. August 2005 nahezu ein Jahr vergangen war, ohne dass der Kläger seine Einreise in das Bundesgebiet zu der Zeugin K... weiter betrieben hätte. Dies lässt sich, anders als der Kläger meint, nicht nur mit Rechtsunkenntnis erklären. Zwar enthält das Schreiben der Deutschen Botschaft vom 1. September 2004 keine ausdrückliche Ablehnung des Visumantrags, sondern nur die Mitteilung, die Zustimmung zur Visumerteilung sei abgelehnt worden, der Kläger möge sich an die Deutsche Botschaft in Togo wenden. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass der Kläger wenigstens, wie ihm nahegelegt worden ist, Kontakt mit der Deutschen Botschaft in Togo aufgenommen hätte, um sich dort um ein Visum zu bemühen.
Seiner Darlegungs- und Beweislast vermochte der Kläger nicht zu entsprechen. Vielmehr verbleiben nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gewichtige Zweifel an seinem Willen und demjenigen der Zeugin K..., eine eheliche Lebensgemeinschaft miteinander zu führen. [...]
2. Überdies erfüllt der Kläger nicht die Nachzugsvoraussetzung der §§ 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG, 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Nach diesen Vorschriften ist dem Ehegatten eines Deutschen eine Aufenthaltserlaubnis nur zu erteilen, wenn der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann. Diese Voraussetzung muss der Kläger erfüllen, auch wenn die entsprechenden Regelungen erst durch das Richtlinienumsetzungsgesetz in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen worden sind und damit zum Zeitpunkt der Visumbeantragung im Juni 2004 noch nicht galten. Maßgebend für den Erfolg eines Verpflichtungsbegehrens auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels ist, wie bereits erwähnt, die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz. Eine Übergangsvorschrift, die bereits anhängige Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels von der Neuregelung ausnimmt, hat der Gesetzgeber nicht erlassen. Die zwischenzeitlich, d.h. nach der Beantragung des Visums eingetretene Veränderung der Rechtslage wirkt sich damit ohne weiteres auf den Kläger aus; er muss, sofern nicht ein Ausnahmetatbestand eingreift, das Spracherfordernis erfüllen, um das Visum erhalten zu können (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2009 - OVG 3 B 22.09 -; ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. April 2009 - OVG 2 B 6.08 -, juris, Rz. 62; Beschluss vom 3. März 2008 - OVG 12 M 120.07 -). Der Kläger kann sich demgegenüber nicht auf die den Senat nicht bindende Verwaltungspraxis gemäß der Weisung des Auswärtigen Amtes vom 30. August 2007 - 508-516.00 - berufen, wonach bei bis zum 27. Mai 2007 gestellten Visumanträgen, bei denen nach dem Aufenthaltsgesetz ein gesetzlicher Anspruch zum Ehegattennachzug vorgesehen ist, auf den Sprachnachweis verzichtet wird. Ob die in der Weisung genannten Voraussetzungen tatsächlich erfüllt wären, kann deshalb dahinstehen. [...]