1. Die Überstellungsfrist läuft frühestens mit Verkündung der vorliegenden Entscheidung (17.11.2009) ab; offen gelassen wird, ob zusätzlich auf die Rechtskraft des Urteils abgestellt werden müsste. Denn die der Entscheidung zugrunde liegenden Klage hatte aufschiebende Wirkung, weshalb nach Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO die Überstellung "spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab (...) der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat", erfolgt.
2. Verurteilung des BAMF zum Selbsteintritt in einem Dublin-Griechenland-Fall. Richtige Klageart ist die Verpflichtungsklage mit dem Antrag, das BAMF zu verpflichten, sich für die Durchführung des Asylverfahrens für zuständig zu erklären.
[...]
Die Verpflichtungsklage ist zulässig (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Da die Entscheidung der Beklagten über die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO gegenüber dem Asylbewerber Regelungswirkung entfaltet, kann ein entsprechender Anspruch isoliert im Wege der Verpflichtungsklage gegen die Beklagte verfolgt werden (a.M. VG Frankfurt am Main, Urteil vom 08.07.2009 - 7 K 4376/07.F.A(3), das unter Berufung auf Funke/Kaiser, GK-AsylVfG Stand: Oktober 2007, § 27 a Rdnr. 18 von einer Anfechtungsklage auch hinsichtlich der in dem Bescheid enthaltenen Abschiebungsandrohung nach § 34 a Abs. 1 AsylVfG ausgeht; vgl. zum Streitstand Bender in: Johlen (Hrsg.), Münchner Prozessformularbuch Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2009, A 11 4 Anmerkung 8).
Nicht erforderlich ist, dass das Gericht zugleich "durchentscheidet", also auch über die materiellen Rechtspositionen des Klägers befindet, d.h. insbesondere über einen etwaigen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter oder Flüchtling. Dies vernachlässigt die berechtigten Rechtsschutzinteressen des Asylbewerbers, da im Falle eines wirksamen, weil zugestellten Bescheides nach § 27 a AsylVfG eine Anfechtungsklage statthaft ist, um den "Weg für die Durchführung eines Asylverfahrens vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit voller inhaltlicher Sachprüfung des klägerischen Asylbegehrens" zu eröffnen (VG Frankfurt am Main, Urteil vom 08.07.2009 - 7 K 4376/07.F.A(3) - m.w.N.).
Die Klage ist auch begründet.
Die Zuständigkeit der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass die Beklagte nach Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO zuständig geworden wäre, da keine Überstellung des Klägers innerhalb der Sechs-Monats-Frist des Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO erfolgt ist. Nach dem Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 4.12.2008 hatte Griechenland am 21.01.2009 gem. Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO der Übernahme zugestimmt. Danach wäre die Frist am 21.07.2009 abgelaufen. Nach Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO erfolgt die Überstellung "spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat".
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat in seinem Urteil vom 29.01.2009 (C-19/08 = NVwZ 2009, 639 - Petrosian), das zwar die Auslegung von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) und Abs. 2 Dublin II-VO betrifft, die aber nahezu wortgleich mit den hier einschlägigen Bestimmungen sind, hierzu ausgeführt, dass in der ersten Konstellation, wenn kein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung vorgesehen ist, die Frist zur Durchführung der Überstellung ab der ausdrücklichen oder vermuteten Entscheidung laufe, durch die der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Betreffenden akzeptiert, unabhängig von den Unwägbarkeiten, denen der Rechtsbehelf unterliegt, den der Asylbewerber gegebenenfalls gegen die seine Überstellung anordnende Entscheidung vor den Gerichten des ersuchenden Mitgliedstaats erhoben hat. Etwas anders gelte jedoch in der zweiten Konstellation, wenn der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kenne und das Gericht dieses Mitgliedstaates seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilege. In diesen Fällen laufe die Frist nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden werde, und die dieser Durchführung nicht mehr entgegenstehen könne. Zwar ist im deutschen Recht kein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung "vorgesehen". Vielmehr ordnet § 34a Abs. 2 AsylVfG an, dass die Abschiebung nach Absatz 1 nicht nach § 80 oder § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung ausgesetzt werden darf. Dies entspricht den Vorgaben des Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG, wonach "aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden" können. Insoweit kommt Hruschka (EuGH-Rechtsprechung zur Überstellungsfrist in Dublin-Verfahren, Asylmagazin 3/2009, S. 6 ff.) zunächst in Interpretation des Urteils des EuGH in der Rechtssache Petrosian zu dem Ergebnis, dass auch in den Fällen, in denen deutsche Asylgerichte trotz § 34 a Abs. 2 AsylVfG in verfassungskonformer Auslegung die Abschiebungsanordnung gem. § 123 oder § 80 Abs. 5 VwGO aussetzen, kein Fall eines nach innerstaatlichem Recht zulässigen Rechtsbehelfs mit aufschiebender Wirkung vorliege (ebenso VG Ansbach, Urteil vom 16.04.2009 - AN 3 K 09.30012 -, juris; VG Neustadt, Urteil vom 16.06.2009 - 5 K 1166/08.NW - juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 26.03. 2009 - A 2 K 1221/08, juris - bezogen auf Entscheidungen nach § 123 VwGO; aA: VG Würzburg, Urteil vom 10.03.2009, Asylmagazin 6/09, S. 30 ff.). Er betont allerdings ausdrücklich, dass eine andere Deutung der deutschen Rechtslage möglich ist, wenn die Einbeziehung der Dublin-Fälle in den Anwendungsbereich des § 34a Abs.2 AsylVfG als europarechtswidrig eingestuft wird und damit auf Grund des Anwendungsvorrangs des Europarechts diese Vorschrift generell nicht angewandt wird. In diesem Fall wäre Raum für die Verlängerung der Überstellungsfrist im Falle einer gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Hiervon geht die erkennende Kammer aus.
So hat die Kammer durch den erkennenden Einzelrichter in ihrem Beschluss vom 26.5.2009 - 7 L 658/09.A (V) - hierzu ausgeführt:
"Der einstweilige Rechtsschutz ist nicht nach § 34a Abs. 2 AsylVfG ausgeschlossen. Zwar kann nach dem Wortlaut dieser Vorschrift der Vollzug einer Abschiebungsanordnung nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden. § 34a Abs. 2 AsylVfG ist aber im Rahmen des Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrag zuständig ist vom 18.02.2003 (ABl. L 50 S. 1) - Dublin II-VO -, nicht anwendbar. Eine Überstellungsentscheidung nach Art. 19 Abs. 1 der Dublin II-VO bedarf gem. Art. 19 Abs. 2 Satz 1 einer Begründung und kann gem. Satz 2 der Vorschrift mit einem Rechtsbehelf angegriffen werden. Zwar hat nach Satz 3 ein, gegen eine nach Art. 19 Abs. 1 der Verordnung getroffene Entscheidung eingelegter Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung, es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders, wenn es nach ihrem innerstaatlichen Recht zulässig ist. § 80 Abs. 5 VwGO ermöglicht es jedoch, in einem solchen Fall die aufschiebende Wirkung einer gegen eine Überstellungsentscheidung nach Art. 19 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 gerichteten Klage anzuordnen. Dies ergibt sich auch aus der Rechtswegegarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und dem rechtsstaatlichen Grundsatz eines effektiven Rechtsschutzes. Es ist bereits denkgesetzlich ausgeschlossen, § 34a Abs. 2 AsylVfG, der zum 01. Juli 1993 in Kraft getreten ist, auf die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 anzuwenden. Zwar gehört diese Vorschrift zum vom Gemeinschaftsgesetzgeber vorgefundenen Bestand des nationalen Asylverfahrensrechts. Es hat diese Vorschrift jedoch nicht in Bezug genommen und den Geltungsbereich der Verordnung für anwendbar erklärt. Einer solchen Anwendungsanordnung durch den Gemeinschaftsgesetzgeber hätte es jedoch zwingend bedurft, um § 34a Abs. 2 AsylVfG im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 Geltung zu verschaffen. Es ist auch gemeinschaftsrechtlich nicht zulässig, den von einer Verordnung der Europäischen Gemeinschaft vorgesehenen Rechtsbehelfen durch Rückgriff auf nationales Recht ihrer verfahrensrechtlichen Wirkung zu berauben. Im Übrigen gebietet es Art. 19 Abs. 4 GG, Betroffenen vor einer Überstellung in einen anderen Dublin-Staat die Möglichkeit zu eröffnen, in einem Eilverfahren überprüfen zu lassen, ob tatsächlich eine Zuständigkeit des betreffenden Staates gegeben ist bzw. ein Selbsteintrittsanspruch gegenüber der Bundesrepublik Deutschland aus humanitären oder familiären Gründen (vgl. Art. 3 Abs. 3 und Art. 15 Dublin II-VO) besteht. Es bedarf deshalb hier keiner Entscheidung, ob daneben eine verfassungskonforme Auslegung des § 34 a AsylVfG im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum sogenannten normativen Vergewisserungskonzept geboten ist (vgl. hierzu u. a. VG Gießen, Beschlüsse vom 25.04.2008 - 2 L 201/08.GI.A - und vom 22.04.2009 - 1 L 775/09.GI.A -; VG Frankfurt am Main, Beschluss vom 11.01.2008 - 7 G 3911/07.A -; VG Karlsruhe, Beschluss vom 23.06.2008 - A 3 K 1412/08 -; Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 16.06.2008 - 6 B 18/08 -; VG Weimar, Beschluss vom 24.07.2008 - 5 E 20094/08.WE -; VG Düsseldorf, Beschluss vom 22.12.2008 - 13 L 1993/08.A - jeweils unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938, 2315/93 -, BVerfGE 94, 49). Auch bedarf die Frage hier keiner Vertiefung, ob die auf ex-Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EGV (Art. 78 Abs. 2 Buchst. e) AEUV) gestützte Dublin II-VO überhaupt unter die Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 GG oder das "Vertragsasyl" nach Art. 16a Abs. 5 GG als lex specialis zu subsumieren ist. So beinhaltet Art. 16a Abs. 5 GG lediglich eine "völkervertragliche" Öffnungsklausel. Diese dürfte im Übrigen durch das auf ex-Art. 63 Abs. 1 EGV (Art. 78 Abs. 2 AEUV) beruhende gemeinsame europäische Asylsystem mit dem Ziel einer gesamteuropäischen "Lastenverteilung" zwischen den an einem solchen System beteiligten Staaten überholt sein."
Im vorliegenden Fall lief somit die Sechs-Monats-Frist frühestens ab dem Zeitpunkt der Verkündung des Urteils am 17.11.2009. Es kann hier deshalb offen bleiben, ob zusätzlich auf die Rechtskraft des Urteils abgestellt werden müsste.
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts. [...]
Der Kläger kann sich auch auf einen subjektiven öffentlich-rechtlichen Anspruch auf den Selbsteintritt der Beklagten gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO berufen. Diese Bestimmung ist - anders als die Vorgängerregelungen im Schengener Durchführungsübereinkommen und im völkerrechtlichen Dubliner Übereinkommen (vgl. hierzu Funke-Kaiser, a.a.O., § 27 a Rdnr. 25) - nicht allein im öffentlichen Interesse geschaffen worden, sondern verbürgt den von ihr Betroffenen ein subjektives Recht. [...]
Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren zwar keine Gründe im Einzelnen für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts geltend gemacht, die allein ihn betreffen. Solche sind auch für die Kammer nicht ersichtlich. Die Kammer geht jedoch aufgrund der ihr vorliegenden und ins Verfahren eingeführten bzw. der Beklagten auch hinreichend bekannten Erkenntnismittel davon aus, dass der Kläger im Falle einer Abschiebung nach Griechenland nicht dazu in der Lage wäre, ein Asylverfahren unter Wahrung der oben angegebenen allgemeinen europäischen Mindeststandards für den Flüchtlingsschutz zu durchlaufen. [...]
Insgesamt ist unter Berücksichtigung der Kammer vorliegenden Erkenntnisse somit festzustellen, dass der Kläger ein der Aufnahme- und Verfahrensrichtlinie gerecht werdendes Asylverfahren in Griechenland im Falle seiner Rückkehr nach dort nicht erfahren wird. Da der Kläger im Bezug auf seine Verfahrensrechte und die Aufnahmebedingungen schwerwiegende Beeinträchtigungen in Griechenland hinnehmen müsste, und ein faires, ergebnisoffenes und zügiges rechtsstaatliches Verfahren, eine menschenwürdige Unterbringung sowie eine Sicherung seiner notwendigen Lebensbedürfnisse bis zu einer Entscheidung über seinen Asylantrag nicht gewährleistet wäre, steht auch fest, dass sich das der Beklagten grundsätzlich zustehende Ermessen hinsichtlich des Selbsteintrittsrechts auf Null reduziert. [...]