OVG Berlin-Brandenburg

Merkliste
Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010 - 12 S 117.09; 12 M 82.09 - asyl.net: M17167
https://www.asyl.net/rsdb/M17167
Leitsatz:

Vorläufiger Rechtsschutz zum Schutz der Vater-Kind-Beziehung (Umgangsrecht). Einer Trennung entgegenstehende schutzwürdige familiäre Belange setzen nicht zwingend voraus, dass die Kinder auf den Antragsteller im Bundesgebiet angewiesen sind.

Schlagwörter: vorläufiger Rechtsschutz, Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, Verlängerungsantrag, Schutz von Ehe und Familie, Eltern-Kind-Verhältnis, Sicherung des Lebensunterhalts, Umgangsrecht,
Normen: VwGO § 80 Abs. 5, AufenthG § 31 Abs. 4 S. 2, GG Art. 6 Abs. 1, GG Art. 19 Abs. 4, AufenthG § 25 Abs. 5,
Auszüge:

[...]

Die Beschwerde ist begründet. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt eine Änderung des angegriffenen Beschlusses. Es ist bei der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO allein gebotenen summarischen Prüfung derzeit nicht ersichtlich, ob sich der Bescheid vom 17. Juli 2009, mit dem der Antragsgegner die nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG begehrte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis wegen mangelnder Sicherung des Lebensunterhaltes versagt hat, im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig oder als rechtswidrig erweisen wird. Bei der somit erforderlichen Interessenabwägung kommt dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Ausreise des Antragstellers geringeres Gewicht zu als seinem privaten Interesse an einem vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet (vgl. zur ausländerrechtlichen Interessenabwägung bei offenem Ausgang des Hauptsachevefahrens VGH München, Beschluss vom 3. Juni 2008 - 10 CS 08.940 -, juris). Eine Abschiebung des Antragstellers wäre im derzeitigen Stadium wegen Schaffung vollendeter Tatsachen weder mit Art. 6 Abs. 1 GG noch mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar.

Die Erfolgsaussichten des Klageverfahrens VG 19 K 231/09 sind offen. Es bedarf einer umfassenden Überprüfung im Hauptsacheverfahren, die eine mündliche Anhörung des Antragstellers und ggf. eine Beweisaufnahme voraussetzt, inwieweit die familiären Bindungen des Antragstellers zu seinen 1994 und 1999 geborenen, seitdem im Bundesgebiet lebenden Kindern im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG oder die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG rechtfertigen. Hierbei setzen einer Trennung entgegenstehende schutzwürdige familiäre Bindungen nicht zwingend voraus, dass die Kinder auf den Antragsteller im Bundesgebiet angewiesen sind (vgl. dazu im Einzelnen BVerfG, 1. Kammer des 2. Senats, Beschluss vom 9. Januar 2009, NVwZ 2009, 387 ff, m.w.N.).

Der 1956 geborene Antragsteller, der sich seit mehr als 20 Jahren erlaubt im Bundesgebiet aufhält, hat jedenfalls im Beschwerdeverfahren u.a. durch Vorlage der Bescheinigung eines Lehrers bzw. einer Erzieherin glaubhaft gemacht, dass er am Leben und Aufwachsen seiner minderjährigen Kinder Anteil nimmt, indem er in einem regelmäßigen Kontakt zu ihnen steht und sich auch um deren schulische Entwicklung kümmert. Ein regelmäßiger Umgang dürfte zudem auch in der Vergangenheit bestanden haben. So lässt sich der Entscheidung des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom ..., mit der das Sorgerecht wegen eines tiefgehenden Streites zwischen dem Antragsteller und seiner geschiedenen Ehefrau auf die Mutter der Kinder übertragen worden war, entnehmen, dass die Mutter einen regelmäßigen Umgang mit dem Antragsteller nicht nur zuließ, sondern förderte. Soweit das Verwaltungsgericht die im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Erklärung der Mutter der Kinder wegen der darin behaupteten Unterstützung durch den Antragsteller für nicht glaubhaft gehalten hat, kommt es darauf - auch angesichts der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Erklärungen - nicht vorrangig an. Es ist vielmehr entscheidend, ob die nach derzeitigem Sachstand glaubhaft gemachten persönlichen Beziehungen des Antragstellers insbesondere zu seinem erst 1999 geborenen Kind so ausgestaltet sind, dass weder dem Kind noch dem Antragsteller eine Trennung zugemutet werden kann. Hierbei wird ggf. auch zu berücksichtigen sein, dass die Versagung der begehrten Verlängerung wegen mangelnder Sicherung des Lebensunterhaltes hier vor allem dann unverhältnismäßig sein kann, wenn der Bedarf des Antragstellers zumindest zu einem erheblichen Teil durch eigenes Einkommen gedeckt wird. [...]