LG Frankfurt/Oder

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Zitieren als:
LG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 24.02.2010 - 15 T 82/09 - asyl.net: M17179
https://www.asyl.net/rsdb/M17179
Leitsatz:

Kein Haftgrund, wenn der Betroffene glaubhaft macht, seiner Ausreisepflicht freiwillig nachzukommen. Hier rechtswidrige Haft zur Sicherung der Zurückschiebung nach Frankreich, da die Betroffene ohnehin auf dem Weg von Polen nach Frankreich war und unstreitig nicht in Deutschland bleiben wollte.

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Zurückschiebungshaft, Frankreich, Polen, freiwillige Ausreise, Haftgründe
Normen: AufenthG § 106 Abs. 2 S. 1, FEVG § 7 Abs. 1, FGG § 22 Abs. 1, AufenthG § 57 Abs. 1, AufenthG § 57 Abs. 3, AufenthG § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Auszüge:

[...]

Die Anordnung von Sicherungshaft ist nicht zu Recht erfolgt.

Die Voraussetzungen für die Anordnung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung (§§ 57 Abs. 1 und 3, 62 Abs. 2 AufenthG) haben nicht vorgelegen.

Gemäß § 57 Abs. 1 AufenthG soll ein Ausländer, der, wie hier die Betroffene, unerlaubt eingereist ist, innerhalb von 6 Monaten nach dem Grenzübertritt zurückgeschoben werden. Diese Zurückschiebung ist obligatorisch. Ein Ausnahme besteht allerdings dann, wenn kein Zweifel besteht, dass der Betroffene freiwillig wieder ausreisen wird (Hailbronner, Ausländerrecht, Bearb. 2/2009, § 57 AufenthG Rn. 7; OLGR Schleswig 2006, 142; OLG München InfAuslR 2009, 2211).

So verhält es sich hier. Aufgrund der Umstände der Einreise der Betroffenen und ihrer unwiderlegten Einlassung sieht die Kammer keine Veranlassung zum Zweifel daran, dass sie die Absicht hatte, Deutschland freiwillig wieder zu verlassen. Die Lebensgrundlage der Betroffenen befindet sich in Frankreich. Für dieses Land hat sie ein Aufenthaltsrecht, weil über ihren dort gestellten Asylantrag noch keine behördliche Entscheidung ergangen ist. Dort besitzt sie auch eine Wohnung. Die dargelegten Umstände für die Reise nach Polen sind plausibel. Es sind jedenfalls keine Umstände dafür erkennbar, dass die Betroffene in Deutschland hat bleiben wollen. Davon geht schließlich auch die Antragstellerin nicht aus. Soweit diese allerdings befürchtet hat, dass die Betroffene sich dem förmlich vorgesehenen Verfahren nicht hat stellen wollen, begründet dies kein Zurückschiebungserfordernis. Wie oben dargelegt, besteht ein Zurückschiebungserfordernis im Falle freiwilliger Ausreiseabsicht nicht. Das Gesetz erachtet den Zweck der Zurückschiebung als mit der Ausreise des Ausländers erfüllt. Dieser muss nicht glaubhaft machen, sich einem hierfür vorgesehenen Verfahren stellen zu wollen. Es ist nicht Sinn und Zweck der Zurückschiebungshaft, die freiwillige Ausreise - sei sie legal oder illegal - in das Land zu verhindern, in das zurückgeschoben werden soll (OLGR Schleswig a.a.O.). Schließlich vertritt auch das OLG München in der von der Antragstellerin angeführten Entscheidung (a.a.O.) die Auffassung, dass zwar grundsätzlich ein Anspruch auf Ermöglichung einer freiwilligen Ausreise in einen Sehengen-Staat nicht bestehe, gleichwohl die Zurückschiebung auch in einem solchen Fall nur obligatorisch sei, wenn nicht feststehe, dass der Betroffene freiwillig ausreise.

Weiter reicht es auch für die Widerlegung des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG aus, dass der Betroffene glaubhaft macht, seiner Ausreisepflicht freiwillig nachzukommen (Hailbronner a.a.O., Bearb. 12/2008, § 62 Rn. 40; OLGR Schleswig a.a.O.). [...]