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Zitieren als:
BAMF, Bescheid vom 12.05.2010 - 5423106-150 [= ASYLMAGAZIN 2010, S. 246] - asyl.net: M17210
https://www.asyl.net/rsdb/M17210
Leitsatz:

Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG wegen fehlender Möglichkeit der Existenzsicherung im Kosovo. Angehörige der Minderheiten der Roma und Ashkali sind vom regulären Arbeitsmarkt im Kosovo praktisch ausgeschlossen, die Unterstützung durch NGOs ist sehr begrenzt und die Antragstellerin wäre als alleinerziehende Mutter (Ashkali) bei einer Rückkehr in die Republik Kosovo in besonderer Weise von Diskriminierung betroffen.

Schlagwörter: Abschiebungsverbot, Kosovo, Roma, Ashkali, Wiederaufnahme, alleinerziehend, Existenzgrundlage, Diskriminierung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
Auszüge:

[...]

Den Anträgen wird insofern entsprochen, als festgestellt wird, dass die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Kosovo vorliegen. [...]

Die Antragsteller tragen mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20.04.2010 eine Änderung der Sachlage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG vor. Diese beruht auf der nunmehr vorliegenden Trennung der Antragsteller vom Ehemann und Vater. Diese Sachlagenänderung ist möglicherweise geeignet, eine positive Entscheidung für die Antragsteller herbeizuführen.

Die für den Wiederaufgreifensantrag angegebene Begründung führt zu einer für die Antragsteller günstigeren Entscheidung, weil nunmehr vom Vorliegen der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Kosovo auszugehen ist. [...]

Die für den Wiederaufgreifensantrag angegebene Begründung führt zu einer für den Antragsteller günstigeren Entscheidung, weil nunmehr vom Vorliegen der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Kosovo auszugehen ist. [...]

Die Antragstellerin 1) trägt vor, nach der Trennung vom Ehemann als alleinerziehende Mutter in den Kosovo zurückkehren zu müssen und außerstande zu sein, eigenständig den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder sichern zu können.

Die Antragstellerin gehört zur Volksgruppe der Ashkali und muss als alleinerziehende Mutter bei einer Rückkehr in den Kosovo damit rechnen, in besonderer Weise von Diskriminierung betroffen zu sein. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.10.2009, AZ: 508-516.80/3 KOS, geraten alleinerziehende Frauen wegen der hohen Arbeitslosigkeit zumeist unmittelbar in Abhängigkeit von Sozialhilfe bzw. mildtätigen Organisationen und damit in eine untergeordnete soziale Stellung. Im Kosovo existieren zwar ca. 40 NROs, die hilfsbedürftigen Frauen und deren Kindern Unterstützung in verschiedener Form anbieten. Die Möglichkeiten dieser Organisationen, hilfsbedürftige Frauen zu unterstützen, sind sehr begrenzt. So ist die Unterbringung in Pristina auf 3 Wochen, in Djakove/Dakovica und Peje/Pec auf 3 Monate beschränkt.

Auch nach dem Bericht von Karsten Lüdtke "Perspektiven bei einer Rückkehr in das Kosovo, insbesondere für Angehörige ethnischer Minderheiten" vom Februar 2007, droht alleinerziehenden Frauen im Kosovo soziale und wirtschaftliche Isolation. Staatliche oder gesellschaftliche Institutionen, die dies dauerhaft auffangen könnten, gebe es praktisch nicht. Alleinstehende und insbesondere alleinerziehende Frauen hätten im Kosovo keine ausreichende Lebensbasis. Nach der vorgenannten Stellungnahme von Karsten Lüdtke leben sämtliche Angehörige der Volksgruppe der Roma im Kosovo am Rande des Existenzminimums. Angehörige der Minderheiten der Roma und Ashkali seien vom regulären Arbeitsmarkt praktisch ausgeschlossen. Die Arbeitslosenquote in Roma- und Ashkali-Gemeinden tendiere gegen 100 %. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragsteller bei einer Rückkehr ins Kosovo von dort lebenden Angehörigen in ausreichendem Maß unterstützt werden. Ebensowenig kann eine in diesem Fall finanzielle Unterstützung durch noch in Deutschland lebende Angehörige auf Dauer und in der für eine dreiköpfige Familie erforderlichen Höhe gewährleistet werden.

Das Fehlen einer gesicherten wirtschaftlichen Existenzgrundlage führt somit zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S.1 AufenthG. [...]