BAMF

Merkliste
Zitieren als:
BAMF, Bescheid vom 08.06.2010 - 5380190-160 - asyl.net: M17214
https://www.asyl.net/rsdb/M17214
Leitsatz:

Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG wegen fehlender Möglichkeit der Sicherung des Existenzminimums und Sicherstellung erforderlicher medizinischer Versorgung in der Russischen Föderation (schwere Störung der primären Blutgerinnung).

Schlagwörter: Abschiebungsverbot, krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot, Russische Föderation, "Von Willebrand-Jürgens-Syndrom", medizinische Versorgung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
Auszüge:

[...]

Dem Antrag wird insofern entsprochen, als dass nunmehr festgestellt wird, dass die Voraussetzungen gemäß § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG bezüglich der Russischen Föderation vorliegen.

Im Rahmen des formlos eingestellten Widerrufsverfahren ist es vom Bundesamt versäumt worden, Abschiebungshindernisse hinsichtlich des nunmehr feststehenden Herkunftslandes der Antragstellerin zu prüfen.

Die für den Wiederaufgreifensantrag angegebene Begründung führt zu einer für die Antragstellerin günstigeren Entscheidung, weil nunmehr vom Vorliegen der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich der Russischen Föderation auszugehen ist.

Den o.a. Schreiben des UKM ist zu entnehmen, dass die Antragstellerin nicht nur am Von Willebrand-Jürgens-Syndrom - Typ 3 erkrankt ist, sondern über die "Hämophilie-A-analoge Situation" hinaus sei die primäre Blutgerinnung durch die Blutplättchen schwer gestört ist, so dass es zu lebensgefährdenden Blutungen bei banalen äußeren Verletzungen kommen könne. Die Antragstellerin sei dauerhaft drei Mal wöchentlich mit einem Präparat, das den "Von Willebrand-Faktor und den Faktor VIII" enthalte, zu substituieren und benötige medizinische Einrichtungen, die dieses Blutprodukt griffbereit haben, falls es zu einem akuten Blutungsereignis kommen sollte, und sei dauerhaft an eine fachspezifische Gerinnungsambulanz einer Kinderklinik anzubinden.

Aus der Gesamtschau aller für die Antragstellerin vorgelegten medizinischen Äußerungen sowie den diagnostizierten Erkrankungen und den damit verbundenen erforderlichen Behandlungsmöglichkeiten ergibt sich letztendlich für diesen konkreten Einzelfall bei Rückkehr der Antragstellerin in ihr Heimatland, dass sich dort ihr Gesundheitszustand alsbald wesentlich, wenn nicht sogar lebensbedrohlich, verschlechtern würde. Hinzu kommt, dass die Mutter der Antragstellerin als nunmehr Alleinerziehende (die Eltern der Antragstellerin sind zwischenzeitlich geschieden und der Mutter wurde das alleinige Sorgerecht für die drei gemeinsamen Kinder zugesprochen, Urteil Amtsgericht Halle (Westfalen), 5a F 260/08, vom 02. Juni 2009) bei evtl. Rückkehr in ihr Heimatland nicht in der Lage sein wird, sich eine Existenz aufzubauen und für sich und ihre Kinder das Existenzminimum zu sichern und somit auch nicht in der Lage ist, die vom UKM im Schreiben vom 26. Januar 2009 für erforderlich gehaltenen medizinischen Maßnahmen sicherzustellen und zu finanzieren. [...]