VG Braunschweig

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Zitieren als:
VG Braunschweig, Beschluss vom 27.07.2010 - 2 B 188/10 - asyl.net: M17316
https://www.asyl.net/rsdb/M17316
Leitsatz:

Aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen sog. Dublin-Bescheid (Griechenland).

Schlagwörter: Dublin II-VO, Dublinverfahren, vorläufiger Rechtsschutz, Griechenland, Konzept der normativen Vergewisserung
Normen: VwGO § 80 Abs. 5, VO 343/2003 Art. 18 Abs. 7, AsylVfG § 34a Abs. 2, GG Art. 16a Abs. 2 S. 3
Auszüge:

[...]

1. Die aufschiebende Wirkung der am 14.07.2010 erhobenen Klage des Antragstellers (Az.: 1 A 187/10) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10.05.2010 wird angeordnet. Dabei ist der Antrag des Antragstellers auch als Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auszulegen, da der Bescheid der Antragsgegnerin vom 10.05.2010, der dem Antragsteller bei einem ersten Abschiebungsversuch am 12.07.2010 ausgehändigt wurde, eine sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung nach Griechenland enthält.

Nach Aktenlage ist Griechenland auch der für die Behandlung des Asylantrags des Antragstellers nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (sog. Dublin II-Verordnung) vom 17. Februar 2003 (ABl. EU Nr. L 50 S. 1) zuständige Mitgliedstaat der Eurupäischen Union. Das von der Antragsgegnerin am 30.11.2009 an Griechenland gerichtete Übernahmeersuchen gilt gemäß Art. 18 Abs. 7 Dublin II-Verordnung seit dem 31.01.2010 als angenommen, nachdem die griechischen Behörden auf das Übernahmeersuchen nicht reagiert haben. Obwohl Griechenland damit für die Behandlung des vom Antragsteller am 07.09.2008 gestellten Asylantrags zuständig ist, kommt eine Überstellung des Antragstellers dorthin derzeit nicht in Betracht. [...]

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO ist auch begründet. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist derzeit als offen anzusehen, in welchen Fällen die Bundesrepublik Deutschland einem Asylsuchenden, für dessen Asylantrag nach der Dublin II-Verordnung der griechische Staat zuständig ist, Schutz zu gewähren hat. Vor diesem Hintergrund ist im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auf der Grundlage einer von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache unabhängigen Interessenabwägung zu entscheiden (vgl. allg. etwa BVerwG, Beschl. vom 13.06.2007 - 6 VR 2/07 -, juris, m.w.N.). Diese ergibt bereits unter Berücksichtigung des vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 8. September 2009 (a.a.O.) angeführten Gesichtspunkts, dass Asylsuchende nach ernst zu nehmenden Quellen in Griechenland mangels staatlicher Registrierung möglicherweise von Obdachlosigkeit bedroht sind (vgl. dazu auch: Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Stuttgart vom 14.7.2009, S. 2; Österreichisches Rotes Kreuz & Caritas Österreich, Bericht "The Situation of Persons returned by Austria to Greece under the Dublin Regulation - Report on a joint Fact-Finding Mission to Greece" vom 17.8.2009, S. 9 f.) und die Erreichbarkeit des Antragstellers im weiteren Verfahren damit nicht gewährleistet wäre, ein Überwiegen der Interessen des Antragstellers. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass sich die Situation des Antragstellers in Griechenland besser darstellen würde als die Situation der Asylsuchenden in den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen, sind nicht erkennbar. [...]