VG Hamburg

Merkliste
Zitieren als:
VG Hamburg, Urteil vom 04.03.2010 - 13 K 2959/09 - asyl.net: M17344
https://www.asyl.net/rsdb/M17344
Leitsatz:

1. Ein Anspruch auf Prüfung nach § 7 Abs. 1 AdVermiG besteht auch dann, wenn die Kläger das Kind bereits vor der Vermittlung kannten.

2. Die Adoption ist insbesondere auch dann möglich, wenn die Adoption im Herkunftsland des Kinder verboten ist (hier: Algerien), den Adoptionsbewerbern aber in Algerien eine Kafala für das Kind übertragen wurde.

Schlagwörter: Kafala, Adoption, Algerien, Minderjährigenadoption, Adoptionsvermittlung, Kind, Kindeswohl, GZA, Gemeinsame Zentrale Adoptionsstelle, Adoptionsverfahren, deutsche Staatsangehörigkeit, Adoptionsverbot,
Normen: AdVermiG § 7 Abs. 1, EGBGB Art. 22 Abs. 1 S. 2, EGBGB Art. 14 Abs. 1 Nr. 1,
Auszüge:

[...]

Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die Kläger haben einen Anspruch auf Prüfung nach § 7 Abs. 1 AdVermiG, ob sie geeignet sind, das in ihrem Haushalt lebende Kind A. zu adoptieren. Das Adoptionsvermittlungsgesetz ist anwendbar, weil die Kläger eine Adoptionsvermittlung begehren (dazu 1.) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 AdVermiG sind erfüllt (dazu 2.). Der daraus folgende gebundene Anspruch auf Vermittlung, der vorliegend auf die Eignungsprüfung bezüglich des Kindes A. beschränkt ist, wandelt sich auch nicht in einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung um (dazu 3.).

1. Das Adoptionsvermittlungsgesetz ist anwendbar, weil die Kläger eine Adoptionsvermittlung begehren. Auch wenn sich typischerweise bei der Adoptionsvermittlung Adoptionsbewerber und Kinder vor der Vermittlung noch nicht kennen, kann eine Adoptionsvermittlung auch dann noch stattfinden, wenn die Adoptionsbewerber – wie hier – bereits mit dem Kind zusammenleben und sich damit die Auswahl des zu adoptierenden Kindes auf ein Kind konkretisiert hat (so auch OVG Berlin- Brandenburg, Urteil v. 21.4.2009, 3 B 8.07, juris, Rn. 50; VG Hamburg, Urteil v. 1.12.2005, 13 K 3059/05, juris, Rn. 18; Maurer, in: Münchener Kommentar, BGB, Band 8, 5. Auflage 2009, Anhang zu § 1744, Adoptionsvermittlungsgesetz, Rn. 20: …; Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter, Empfehlungen zur Adoptionsvermittlung, 6. Fassung 2009, Ziff. 11.2: ; a.A. OVG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2006, 4 Bf 34/06, unter Hinweis auf den Zweck des Adoptionsvermittlungsverfahrens, eine Vermittlung vorzubereiten). [...]

Das Gericht sieht … keine Anhaltspunkte dafür, die Vorschrift nur auf solche Fälle anzuwenden, in denen das Kind nicht durch die Adoptionsbewerber, sondern durch Dritte nach Deutschland gebracht wurde. Aus der Gesetzesbegründung lässt sich ableiten, dass auch die Fälle von der internationalen Adoptionsvermittlung erfasst sein sollen, in denen ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland von den Personen nach Deutschland gebracht wird, die es hier adoptieren wollen. Die Begründung weist darauf hin, dass zur Begriffsbestimmung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes angeknüpft werde und bezieht sich ausdrücklich auf Art. 2 Abs. 1 AdÜb. § 2a Abs. 1 AdVermiG habe lediglich einen Wortlaut gewählt, der auch Nicht-Vertragsstaaten des Adoptionsübereinkommens erfasst (BR-Drs. 16/01 v. 5.1.01, S. 114 = BT-Drs. 14/6011 v. 10.5.2001, S. 50). Ansonsten soll der Anwendungsbereich von Art. 2 Abs. 1 AdÜb und § 2a Abs. 1 AdVermiG deckungsgleich sein (siehe auch Oberloskamp, in: Wiesner, SGB VIII, 3. Auflage 2006, Anh. III, § 2a AdVermiG, Rn. 2). [...]

Zwar mag es der typische Fall sein, dass sich Adoptionsbewerber und Kind vor der Vermittlung noch nicht kennen und erst nach erfolgter Eignungsprüfung durch die Vermittlungsbehörden zusammen geführt werden. Es gibt jedoch aus Sicht des Kindeswohls keinen durchschlagenden Grund, weshalb die Eignungsprüfung nicht auch vorgenommen werden soll, nachdem sich die Adoptionsbewerber ein zu adoptierendes Kind ohne Mitwirkung der Behörden ausgesucht haben. Im Gegenteil: Leben Erwachsende bereits mit einem Kind zusammen, dass sie zu adoptieren gedenken, besteht aus Sicht dieses Kindes erst Recht ein Interesse daran zu überprüfen, ob diese Erwachsenen zur Adoption des Kindes geeignet sind und ob eine Adoptionspflege in Betracht kommt. Diese Prüfung sollte so früh wie möglich erfolgen und nicht erst im Rahmen des familiengerichtlichen Adoptionsverfahrens, zumal die Personen, die mit dem Kind zusammen leben und sich für geeignet halten, selbst den Zeitpunkt bestimmen, zu dem sie den Adoptionsantrag stellen und damit auch darüber befinden, wann eine Überprüfung durch das Jugendamt erfolgt. [...]

2. Der Anspruch der Kläger auf Erstellung eines Eignungsberichts ergibt sich § 7 Abs. 1 AdVermiG. Danach hat die Adoptionsvermittlungsstelle zur Vorbereitung der Vermittlung unverzüglich die sachdienlichen Ermittlungen bei den Adoptionsbewerbern, bei dem Kind und seiner Familie durchzuführen, wenn ihr bekannt wird, dass für ein Kind die Adoptionsvermittlung in Betracht kommt. Im Rahmen dieser Ermittlungen ist insbesondere zu prüfen, ob die Adoptionsbewerber unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Kindes und seiner besonderen Bedürfnisse für die Annahme des Kindes geeignet sind, § 7 Abs. 1 S. 2 AdVermiG. Das Ergebnis dieser Ermittlungen ist den Adoptionsbewerbern mitzuteilen (§ 7 Abs. 1 S. 4 AdVermiG).

Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 7 Abs. 1 AdVermiG sind erfüllt. Dabei kann offen bleiben, ob es sich vorliegend und eine nationale oder eine internationale Adoptionsvermittlung handelt (dazu 2.1). In beiden Fällen ist die GZA zuständig (dazu 2.2) und das Kind A. ist ein Kind, für das die Adoptionsvermittlung in Betracht kommt (dazu 2.3). Der zu erstellende Bericht dient auch noch der "Vorbereitung der Vermittlung" (dazu 2.4). [...]

2.3 Bei dem Kind A. handelt es sich um ein Kind, für das die Adoptionsvermittlung in Betracht kommt i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 AdVermiG. Eine Adoptionsvermittlung ist auch dergestalt möglich, dass die GZA feststellt, ob die Kläger zur Adoption eines bereits individualisierten Kindes geeignet sind (siehe oben 1.). Die Frage des Adoptionsbedarfs stellt sich auch unabhängig vom tatsächlichen Aufenthaltsort des Kindes. Die Adoption des Kindes A. ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Adoption in Algerien verboten ist. Eine Adoption durch die Kläger, die verheiratet sind und beide (mindestens) die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, würde sich nämlich gem. Art. 22 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB nach deutschem Recht richten. Danach ist die inländische Adoption von Kindern aus Ländern mit Adoptionsverbot nicht verboten (vgl. § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB). [...]