VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.07.2010 - 11 S 1504/10 - asyl.net: M17391
https://www.asyl.net/rsdb/M17391
Leitsatz:

1. Wendet sich ein ausreispflichtiger Ausländer, dessen Ausreisepflicht nicht vollzogen werden kann, weil er seinen Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung undloder der Klärung seiner Identität bzw. Staatsangehörigkeit nicht genügt, gegen verschiedene Nebenbestimmungen und sonstige den Aufenthalt regelnde Zusätze einer Duldung (wie auflösende Bedingungen, kurze Befristungen, räumliche Beschränkungen auf den Bezirk der Ausländerbehörde und ggf. Meldeauflagen), so ist der Streitwert der Höhe nach insgesamt auf den Streitwert für die Duldung selbst begrenzt und mit dem Auffangwert in Höhe von 5.000,- EUR zu bewerten.

2. Demgegenüber kommt einer begehrten Beschäftigungserlaubnis ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zu, der mit 5.000,- EUR zu bemessen ist.

3. Werden während des Klageverfahrens wegen Zeitablaufs die Folgeduldungen einbezogen, wird jedoch in der Sache um die gleichen Fragen gestritten, so erhöht sich der Streitwert nicht.

Schlagwörter: Streitwert, Gegenstandswert, Streitwertfestsetzung, Beschwerdeverfahren, Duldung, Nebenbestimmung, Auffangwert, Arbeitsgenehmigung
Normen: GKG § 52 Abs. 1, GKG § 39 Abs. 1, AufenthG § 61 Abs. 1, BeschVerfV § 1 S. 1 Nr. 3, GKG § 63 Abs. 3
Auszüge:

[...]

Nach der Rechtsprechung des ehemaligen 13. Senats des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. B.v. 12.02.2009 - 13 S 2863/08 - InfAuslR 2009, 195), der sich der Senat anschließt, begrenzt der Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG bei der Anwendung des § 39 Abs. 1 GKG den Streitwert, wenn mehrere Nebenbestimmungen oder sonstiger Zusätze einer Duldung angegriffen werden, ungeachtet der Frage, ob dies im Wege der Verpflichtungs- oder der Anfechtungsklage zu geschehen hat, und auch ungeachtet der Frage, welchen rechtlichen Charakter die Zusätze haben und auf welcher gesetzlichen Grundlage diese zu verfügen sind (vgl. zu alledem GK-AufenthG § 60a Rdn. 49).

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind einer Duldung beigefügte Nebenbestimmungen und sonstige Zusätze, mit denen die aufenthaltsrechtliche Situationen von Ausländern, die tatsächlich oder auch nur vermeintlich ihren gesetzlichen Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung und/oder der Klärung der Identität bzw. Staatsangehörigkeit nicht nachkommen, engmaschig zu Kontroll- und Überwachungszwecken reglementiert wird (wie auflösende Bedingungen, kurze Befristungen, räumliche Beschränkungen auf den Bezirk der Ausländerbehörde und ggf. Meldeauflagen). Diese Regelung sind für den hier infrage stehenden Personenkreis als typisch im Normprogramm des § 61 Abs. 1 AufenthG angelegt, weshalb es in Anwendung des § 39 Abs. 1 GKG nicht gerechtfertigt wäre, den vom Senat für richtig gehaltenen Auffangstreitwert für die Duldung selbst in Höhe von 5.000,- EUR (vgl. B. v. 20.11.2007 - 11 S 2364/07 - juris) zu überschreiten. Selbst wenn man davon ausgeht, dass jeder einzelnen Nebenbestimmung etc. nur der halbe Auffangwert zuzuordnen ist (vgl. etwa NiedersOVG, B.v. 02.02.2010 - 1 1 OA 586/09 - juris zur Wohnsitzauflage, aber str.), so wäre das wirtschaftliche Interesse des Betroffenen durch eine vollständige und einschränkungslose Zusammenrechnung überbewertet, sofern die zuständige Behörde nur das in § 61 Abs. 1 AufenthG vorgegebene Normprogramm mehr oder weniger vollständig abgearbeitet hat.

Soll jedoch, wie hier, nicht nur ein - aber regelmäßig gar nicht anfechtbarer (vgl. GK-AufenthG § 4 Rdn. 62 ff., § 60a Rdn. 73) - Zusatz "Erwerbstätigkeit nicht gestattet", angegriffen, sondern im Wege der Verpflichtungsklage eine Beschäftigungserlaubnis nach § 1 Satz 1 Nr. 3 BeschVerfV erstritten werden, so liegt ein weiterer selbstständiger Streitgegenstand vor, der eine eigenständige und erhebliche wirtschaftliche Bedeutung für den Ausländer hat und regelmäßig mit dem Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG zu bewerten ist (vgl. VGH Bad.-Württ., B.v. 12.10.2005 - 11 S 1011/05 - InfAuslR 2006, 131; v. 27.11.2006 - 1 S 2216/06 - AuAS 2007, 63; NiedersOVG, B.v. 17.06.2008 - 2 OA 312/98 - juris).

Wiederum keine Erhöhung ist dann vorzunehmen, wenn, wie hier, wegen der kurzen Geltungsdauer der Duldung (von nur einem Monat) die zunächst angegriffene Duldung sich wegen Zeitablauf erledigt hat und sodann jeweils sukzessive weitere Folgeduldungen wiederum zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht werden. Wenn hier in Bezug auf die Folgeduldungen weiter um die gleichen Fragen gestritten wird, kommt den Folgeduldungen kein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zu (vgl. § 39 Abs. 1 GKG). [...]