VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01.02.2002 - A 13 S 1729/97 - asyl.net: M1739
https://www.asyl.net/rsdb/M1739
Leitsatz:

Eine exilpolitische Betätigung für die UNITA, die sich in regional beschränkter propagandistischer Öffentlichkeitsarbeit erschöpft, begründet für angolanische Staatsangehörige keine Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1-4 AuslG. (Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Angola, Bakongo, Folgeantrag, Nachfluchtgründe, subjektive Nachfluchtgründe, Exilpolitische Betätigung, UNITA, MAKO, Illegale Ausreise, Antragstellung als Asylgrund, Auslandsaufenthalt, Aufenthaltsdauer, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, Krankheit, Psychische Erkrankung, Posttraumatische Belastungsstörung, Suizidgefahr, Medizinische Versorgung
Normen: AuslG § 53 Abs. 4; AuslG § 53 Abs. 6 S. 1; AsylVfG § 71
Auszüge:

Ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG liegt in der Sache nicht vor.

Insbesondere droht dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Angola weder wegen der Stellung seines Asylantrags und seines Auslandsaufenthalts, noch seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Bakongo, noch wegen seines exilpolitischen Engagements mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (zur Anwendbarkeit dieses Maßstabs vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.7.2001, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 46) eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung.

Schließlich lässt sich ein Abschiebungshindernis aus § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK auch nicht aus der exilpolitischen Betätigung des Klägers herleiten. Seine propagandistische Betätigung für die MAKO als (...) hat er ebenso wie seine Mitgliedschaft in dieser Organisation bereits (...) aufgegeben. Schon deshalb ist es wenig wahrscheinlich, dass er deswegen heute noch zur Rechenschaft gezogen würde, vielmehr ist davon auszugehen, dass sein damaliges Engagement, sollte es angolanischen staatlichen Stellen überhaupt bekannt geworden sein, in Vergessenheit geraten ist.

Im übrigen folgt der Senat der Einschätzung des Auswärtigen Amts (zuletzt im Lagebericht vom 18.12.2001), dass die Bewegung der Bakongo, soweit sie im europäischen Ausland aktiv ist, in Angola kein nennenswertes Echo findet (zur Frage einer Verfolgungsgefahr wegen exilpolitischer Betätigung für die MAKO vgl. im einzelnen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannte Urteil vom gleichen Tag im Verfahren A 13 S 1730/97).

Aber auch wegen seiner seit (...) bestehenden Mitgliedschaft in der UNITA und wegen seiner bereits seit (...) für diese Organisation entfalteten Tätigkeiten drohen dem Kläger zur Überzeugung des Senats keine Repressalien seitens des angolanischen Staates. Die vorliegenden Erkenntnisquellen geben insoweit folgendes Bild: ...

Bei zusammenfassender Würdigung rechtfertigen die vorliegenden Erkenntnisquellen nicht die Prognose, der Kläger werde wegen seiner Mitgliedschaft in der UNITA und wegen seiner glaubhaft dargelegten und deshalb nicht beweisbedürftigen Aktivitäten für diese Organisation im Falle seiner Rückkehr nach Angola mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit staatlicherseits menschenrechtswidrig behandelt werden. Dies gilt selbst bei Zugrundelegung der Annahme, dass seine Mitgliedschaft und seine Aktivitäten staatlichen angolanischen Stellen bekannt geworden sind. Der Senat folgt der Erkenntnis des Auswärtigen Amts, dass die angolanische Regierung bei den im Ausland agierenden UNITA-Vertretern ausschließlich auf die Führungspersönlichkeiten achtet; denn Referenzfälle, die eine Verfolgung von exilpolitisch aktiven UNITA-Mitgliedern unterhalb der Führungsebene belegen, sind in den vorliegenden Erkenntnisquellen nicht dokumentiert, was für die Einschätzung der Verfolgungsgefahr von umso größerem Gewicht ist, als in Anbetracht der nicht unerheblichen Zahl von Abschiebungen überhaupt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch Mitglieder und Aktivisten der Exil-UNITA in den letzten Jahren nach Angola abgeschoben worden sind. Die in den Lageberichten des Auswärtigen Amtes dokumentierte Amnestiepraxis der angolanischen Regierung bestätigt im übrigen die Einschätzung, dass staatliche Stellen gegen UNITA-Aktivisten nur vorgehen, wenn und so lange sie eine aktuelle militärische Bedrohung des Regimes darstellen. Dementsprechend ist nicht anzunehmen, dass die angolanische Regierung eine exilpolitische Betätigung wie die des Klägers, die sich in regional beschränkter propagandistischer Öffentlichkeitsarbeit erschöpft, als ernstliche Bedrohung ihrer Machtstellung empfindet und hiergegen vorzugehen bereit ist.

Das vom Kläger hilfsweise verfolgte Verpflichtungsbegehren zu § 53 Abs. 6 AuslG hat demgegenüber Erfolg, weshalb die darauf zielenden Beweisanträge zu Ziffern 1 bis 3 gegenstandslos sind. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Satzes 1 dieser Vorschrift sind im Hinblick darauf gegeben, dass seiner Psychotherapiebedürftigkeit mangels entsprechender Behandlungsmöglichkeiten in Angola nicht Rechnung getragen werden kann, weshalb die Gefahr einer wesentlichen Verschlechterung seines psychischen Gesundheitszustands alsbald nach seiner Rückkehr nach Angola mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist (zu Gesundheitsgefahren als Abschiebungshindernis vgl. BVerwG, Urteil vom 25.11.1997, BVerwGE 105, 383).